JULIA’S EYES | Los ojos de Julia
Filmische Qualität:   
Regie: Guillem Morales
Darsteller: Belén Rueda, Lluis Homar, Francesc Orella, Pablo Derqui, Julia Gutiérrez Caba
Land, Jahr: Spanien 2010
Laufzeit: 112 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G +, S
Auf DVD: 7/2011


José García
Foto: Kinowelt

Seit der Jahrhundertwende erlebt der Suspense-Film eine Renaissance. M. Night Shyamalans „The Sixth Sense“ (1999) und Alejandro Amenábars „The Others“ (2002, siehe Filmarchiv) etwa stellen die Wahrnehmung des Zuschauers auf die Probe, um ihn über den Geisteszustand der Protagonisten möglichst lange im Unklaren zu lassen. Diese Stilmittel setzt ebenfalls der mexikanisch-spanische Film von Juan Antonio Bayona „Das Waisenhaus“ (2007, siehe Filmarchiv), den Guillermo del Toro produzierte, ein: Der Zuschauer kann sich kaum sicher sein, ob die von Belén Rueda verkörperte Hauptfigur Gespenster sieht oder ob die von ihr empfundene Bedrohung eine tatsächliche ist. Belén Rueda spielt wiederum die Hauptrolle in Guillem Morales’ nun als DVD-Premiere erscheinender Spielfilm „Julia’s Eyes“, der ebenfalls von Guillermo del Toro mitproduziert wird.

Julia (Belén Rueda), eine attraktive Frau mittleren Alters, reist mit ihrem Mann Isaac (Lluis Homar) an den Ort, wo ihre erblindete Zwillingsschwester erhängt aufgefunden wurde. Alle Indizien sprechen zwar für Selbstmord, aber Julia ist davon überzeugt, dass ihre Schwester zu diesem Schritt getrieben wurde. Obwohl sie überhaupt keine Anhaltspunkte hat, um herauszufinden, wer es überhaupt sein könnte, beginnt Julia insbesondere über den mysteriösen Freund ihrer Zwillingsschwester auf eigene Faust Erkundigungen einzuziehen. Dies stellt sich freilich deshalb als besonders mühsam heraus, weil sie an derselben degenerativen Krankheit wie ihre Schwester leidet, und ihr Augenlicht langsam schwindet. Um ihr jeden emotionalen Stress zu ersparen, der ihre Erblindung beschleunigen könnte, will Isaac sie unbedingt davon abhalten.

Das selbstverfasste Drehbuch von Guillem Morales kann für sich kaum Originalität beanspruchen, erinnert seine Grundkonstellation doch etwa an den Klassiker „Warte, bis es dunkel ist“ (Terence Young, 1967) mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle. Umso bemerkenswerter, wie es mit immer neuen Wendungen mit dem Zuschauer ein Katz-und-Maus-Spiel treibt: Sind Julias Zweifel und Ängste begründet oder leidet sie an Paranoia? Drehbuchautor und Regisseur Morales hält das nervenzehrende Spiel, das den Zuschauer in immer wieder neue Richtungen treibt, ihn auch auf falsche Fährten bringt, bis auf das deutlich in die Länge gezogene und leider auch nicht vorbehaltlos überzeugende Ende durch.

Die an „Das Waisenhaus“ erinnernde Kameraführung ruft immerzu ein unmittelbares Gefühl der Bedrohung hervor, die sich in wenigen, jedoch sehr drastischen Schockmomenten entlädt. An einigen Stellen geht die Inszenierung sogar über die realistische Darstellung ins Traumhafte mitsamt fantastischen Elementen hinaus. Die Kamera von Óscar Faura übernimmt des Öfteren die subjektive Sicht der Protagonistin: Ihre schwindende Sehkraft lässt den Zuschauer manchmal lediglich Umrisse wahrnehmen oder verhindert, dass ein Gesicht genau erkannt wird. Regisseur Morales setzt weitere wirkungsvolle Stilmittel ein: Während der Zuschauer eine Stimme hört, sieht er an manchen Stellen lediglich entweder eine Rückenansicht oder aber die untere Körperhälfte. Der effektvolle Schnitt und insbesondere die stimmige Filmmusik und die begleitenden, genretypischen Geräusche erzeugen ein ständiges Gefühl von Beklemmung und Unruhe. Mit ihrem zurückgenommenen Spiel verleiht Belén Rueda darüber hinaus der Hauptfigur ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Außer der genretypischen Thriller-Handlung schildert „Julia’s Eyes“ indes auch eine wundervolle Liebesgeschichte, die zwar unaufdringlich im Hintergrund bleibt, sich jedoch als roter Faden durch den ganzen Film zieht.

Zu den DVD-Extras gehören ein gut sieben Minuten langer „Blick hinter die Kulissen“, der zwar etwas unzusammenhängend, aber dennoch wirkungsvoll Drehvorbereitungen für einige Szenen sowie die eigentlichen Dreharbeiten etwa der Verfolgungssequenz in einem dunklen Keller beleuchtet. Dazu kommen Interviews mit dem Regisseur Guillem Morales und den Hauptdarstellern Belén Rueda und Lluis Homar sowie mit dem Produzenten, dem berühmten mexikanischen Filmregisseur Guillermo del Toro, der bereits Juan Antonio Bayonas „Das Waisenhaus“ (2007) produziert hatte.
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