WESTWIND | Westwind
Filmische Qualität:   
Regie: Robert Thalheim
Darsteller: Friederike Becht, Luise Heyer, Franz Dinda, Volker Bruch, Hans Uwe Bauer, Hannes Wegener, Albrecht Schuch, Golo Euler
Land, Jahr: Deutschland 2011
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 8/2011
Auf DVD: 3/2012


José García
Foto: Zorro Film

Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus zeigt das Kino eine auf wahren Begebenheiten basierende, deutsch-deutsche Liebesgeschichte, die auf teils leichtfüßige, teils dramatische Weise die erzwungene Trennung und deren mitunter befremdliche Folgen verdeutlicht: „Wir kommen aus zwei völlig unterschiedlichen Welten und können uns normal unterhalten“, ruft etwa einer der jungen Menschen verwundert-belustigt aus. Zu DDR-Zeiten konnten die unterschiedlichen Systeme beispielsweise am Balaton (Plattensee) in Westungarn aufeinander treffen, einem für Ost- wie Westdeutsche gleichermaßen beliebten Urlaubsziel. Dorthin verreisen im Jahre 1988 die 17-jährigen ostdeutschen Zwillinge Isabel (Luise Heyer) und Doreen (Friederike Becht), um in einem Ferienlager als zukünftige Leistungssportlerinnen im Rudersport zu trainieren. Als Belohnung für die gewonnene Bezirksmeisterschaft in Sachsen dürfen sie zum ersten Mal ins sozialistische Ausland fahren – und da werden Isa und Doreen, kaum in Ungarn eingetroffen, von den etwa gleichaltrigen Arne (Franz Dinda) und Nico (Volker Bruch) in ihrem orangenen Käfer mit Hamburger Autokennzeichnen mitgenommen. Obwohl sie sich alle vier auf Anhieb verstehen und die gleiche Musik mögen, gehen die Zwillinge auf Arnes Vorschlag, etwas gemeinsam zu unternehmen, doch nicht ein. Denn sie wissen, dass sich für sie Westkontakte nicht gehören – „Ihr steigt einfach so zu Westdeutschen ins Auto ein?“, fragt sie denn auch entsetzt Herr Balisch (Hans Uwe Bauer), der Leiter des Ferienlagers.

So einfach geben die Hamburger Jungs jedoch nicht auf. Die westdeutschen Abiturienten kommen am nächsten Tag ins ostdeutsche Ferienlager und laden die Schwestern in die Disco der benachbarten Stadt ein. Aus Abenteuerlust brechen Isa und Doreen am Abend aus dem Lager aus. Auf das erste Treffen folgen weitere, und ehe sie sich versehen, haben sie sich Arne und Doreen ineinander verliebt. Ihnen ist es offenbar so ernst, dass Arne Doreen vorschlägt, sie mit nach Hamburg zu nehmen. Doreen fühlt sich hin- und hergerissen. Sie weiß nur zu gut, dass ihre „Republikflucht“ die gemeinsame Sportlerzukunft mit Isa zerstören und auch das Leben ihrer bis dahin unzertrennlichen Schwester gehörig durcheinander bringen würde. Als allerdings auch Isa beim Trainer in Ungnade fällt, schlagen Nico und Arne vor, beiden Schwestern zur Flucht über die ungarisch-österreichische Grenze zu verhelfen. Die Schwestern müssen nun eine Entscheidung treffen – jede für sich selbst.

Das von Ilja Haller auf der Grundlage der Erinnerungen von Susann und Doreen Schimk verfasste Drehbuch stellt eine universelle Geschichte in den Mittelpunkt, unabhängig von ihrem historischen Hintergrund: In das bis dahin einvernehmliche Leben der Zwillingsschwestern tritt ein Dritter ein, der es aus dem Gleichgewicht wirft. Der stets konventionellen Regie von Robert Tahlheim gelingt es, die deutsch-deutsche Geschichte im Hintergrund zu halten, so dass er diese völlig ohne Pathos inszeniert. Dazu führt die Deutsche Film- und Medienbewertung Wiesbaden bei der Verleihung des Prädikats „besonders wertvoll“ aus: „Dass die historischen politischen Verhältnisse als Bühne verwendet werden, ohne sie immer wieder im Detail zu erklären, macht den Film für Zuschauer interessant, lädt zum Mitdenken und persönlichen Erinnern ein. Zugleich hebt sich der Film konsequent von einfach gestrickten Komödien ab, die ihren Humor aus einem billigen ‚Clash’ der Kulturen ziehen.“

Mit wohl dosiertem Humor, der nie in Klamauk umschlägt, sowie mit einer ebenso wenig ins Gefühlduselige abdriftenden romantischen Stimmung verdeutlicht Regisseur Robert Thalheim, ohne einen politischen Diskurs einführen zu müssen, die Folgen der allgegenwärtig staatlichen Kontrolle für das private Leben in einem Überwachungssystem.
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