DREI MUSKETIERE, DIE | The Three Musketeers
Filmische Qualität:   
Regie: Paul W.S. Anderson
Darsteller: Logan Lerman, Milla Jovovich, Matthew MacFadyen, Ray Stevenson, Luke Evans, Mads Mikkelsen
Land, Jahr: Deutschland 2011
Laufzeit: 110 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G, S
im Kino: 9/2011
Auf DVD: 1/2012


José García
Foto: Constantin

In einem der wohl letzten Versuche, „Klassik“ zu definieren, brachte es der Stuttgarter Germanist Heinz Schlaffer 2002 auf die Formel, klassische Werke müssten „gleichzeitig vergangen, erinnert und gegenwärtig“ sein. Etwas ungezwungener könnte man es so ausdrücken: Zu den Merkmalen klassischer Werke etwa der Weltliteratur gehört es auch, dass sie jeder Generation etwas zu sagen haben. Als ein einschlägiger Weg, einen Klassiker für die jeweilige Generation neu zu interpretieren, empfiehlt sich dessen Adaption für die Kinoleinwand, weshalb es kaum verwundert, dass etwa Alexandre Dumas' „Die drei Musketiere“ seit 1921 mehr als fünfzig Mal für das Kino verfilmt wurde.

Nun startet im Kinoprogramm als neue Filmadaption von Dumas' historischem Roman eine mit internationalem Ensemble unter der Regie des Action-Spezialisten Paul W.S. Anderson in Deutschland in 3D gedrehte Superproduktion. Bereits der Prolog in Venedig, der die Figuren des Athos (Matthew MacFadyen), Porthos (Ray Stevenson) und Aramis (Luke Evans) sowie der M'lady de Winter (Milla Jovovich) einführen soll, gibt einen Vorgeschmack auf die Inszenierung, durch die „die furchtlosen Helden fit für das neue Jahrtausend“ (Absichtserklärung der Produktionsfirma) gemacht werden soll: als eine Art Kreuzung zwischen „Indiana Jones“ und „Mission Impossible“.

Nach dieser Episode wird die eigentliche Hauptfigur eingeführt: Der junge D'Artagnan (Logan Lerman) fängt bereits auf seinem Weg von der Gascogne nach Paris einen Streit mit Rochefort (Mads Mikkelsen) an, der sich alsbald als rechte Hand des intrigierenden Kardinal Richelieu (Christoph Waltz) herausstellen wird. Dies ist flott als Mantel- und Degenabenteuer treu der Romanvorlage inszeniert – genauso wie der erste Tag D'Artagnans in Paris, an dem er sich gleich mit Athos, Porthos und Aramis jeweils zum Duell verabredet, dann aber zusammen mit den drei Musketieren gegen Rocheforts Truppen kämpft. Bei der Inszenierung dieser Kämpfe greifen die Filmemacher auf das „Bullet Time” genannte Stilmittel zurück, die insbesondere aus dem Spielfilm „Matrix“ bekannte, eigenwillige Kombination von extremer Zeitlupe mit superschnellem Schnitt und hochauflösenden Aufnahmen.

Optisch lehnt sich Paul W.S. Andersons „Die drei Musketiere“ denn auch an die erfolgreichen Actionfilme der letzten Jahre an. Ein Eindruck, der auf der Tonspur verstärkt wird. So ist die Sprache, wenigstens in der deutschen Fassung, betont jugendlich-leger („das ist clever!“) und die Filmmusik von Paul Haslinger kann eine verdächtige Ähnlichkeit mit dem überdreht-pompösen Soundtrack aus „Fluch der Karibik“ kaum leugnen. Ebenso wenig ist bei den Actionszenen, insbesondere in den angeblich nach Leonardo Da Vincis Skizzen gebauten Luftschiffen, der Hang zu übersehen, an die Schauwerte und das Tempo der „Fluch der Karibik“-Filme heranzukommen.

Zwar scheinen einige computergenierte Bilder, etwa die Totalansichten von Paris, nicht ganz gelungen. Insgesamt aber besticht die Sorgfalt, die in die Ausstattung, in die ausschließlich an deutschen Drehorten entstandenen Kulissen und Kostüme investiert wurde. Leider bleiben sie Dekor, schönes, manchmal glanzvolles Dekor, aber eben lediglich Ausschmückung, die nicht einmal den 3D-Effekt zweckmäßig in Szene setzt. Der Eindruck, dass daraus viel zu wenig Kapital geschlagen wurde, setzt sich in der Schauspielerführung fort. Paul W.S. Anderson setzt Milla Jovovich als bloße Verzierung ein – die Verschlagenheit der M'lady de Winter bleibt reine Behauptung. Unter den Darstellern kann höchstens Christoph Waltz als Fiesling überzeugen. Der Charakterdarsteller Mads Mikkelsen beispielweise bleibt hingegen weit unter seinem Niveau.

Lobt die Filmbewertungsstelle Wiesbaden bei der Verleihung des Prädikats „besonders wertvoll“ Andersons Film („Den Produzenten und Drehbuchautoren gelang das Kunststück, den Roman in seinem historischen Kontext zu belassen und der Geschichte trotzdem einen zeitgemäßen Anstrich zu verpassen, der junge Kinogänger ebenso glänzend unterhalten wird wie Freunde der anspruchsvolleren Unterhaltung“), so leidet der Erzählrhythmus unter der Technikverliebtheit der Filmemacher. Dadurch wird die Story von der Technik regelrecht erdrückt. Die ursprüngliche Abenteuer-Anmutung der Romanvorlage, die in früheren Verfilmungen gewahrt blieb, wird unter der Regie von Paul W.S. Anderson zu einem beliebigen Actionspektakel, zu einem überdimensionierten 3D-Computerspiel.
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