MEIN BESTER FEIND | Mein bester Feind
Filmische Qualität:   
Regie: Wolfgang Murnberger
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Georg Friedrich, Udo Samel, Marthe Keller, Ursula Strauss, Uwe Bohm, Rainer Bock, Christoph Luser, Serge Falck, Karl Fischer
Land, Jahr: Österreich / Luxemburg 2011
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2
Auf DVD: 3/2012


José García
Foto: Neue Visionen

Dass sich im Nationalsozialismus auch skurrile, teilweise groteske Geschichten ereigneten, stellte der österreichische Drehbuchautor und Filmregisseur Stefan Ruzowitzky vor gut vier Jahren mit seinem Spielfilm „Die Fälscher“ (siehe Filmarchiv) unter Beweis. Ruzowitzkys Film handelte von der womöglich größten Fälscheraktion aller Zeiten: Im Konzentrationslager Sachsenhausen ließen die Nazis von 144 jüdischen Häftlingen ausländische Währungen drucken, um die Volkswirtschaften der Alliierten zu destabilisieren und dem NS-Regime erhebliche Einnahmen zuzuführen. Um eine doppelte Fälschung geht es ebenfalls im auf Paul Hengges Roman „Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben“ basierenden Spielfilm „Mein bester Feind“, der außer Konkurrenz am Wettbewerb der diesjährigen Berlinale teilnahm und nun im regulären Kinoprogramm anläuft.

Das zusammen mit dem österreichischen Regisseur Wolfgang Murnberger vom österreichisch-jüdischen Autor Paul Hengge selbst verfasste Drehbuch lässt die Handlung mitten im Krieg beginnen, als ein deutsches Flugzeug von polnischen Partisanen abgeschossen wird und SS-Hauptsturmführer Rauter (Rainer Bock) den Befehl erhält, mögliche Überlebende insbesondere einen Juden zu bergen. Auf die skeptische Frage des klassische Musik liebenden SS-Offiziers „Ein Jude im Flugzeug?“ antwortet eine achtzig Minuten lange Rückblende.

Die Vorgeschichte des „Juden im Flugzeug“ Victor Kaufmann (Moritz Bleibtreu) führt ins Wien des Jahres 1938: Der junge Victor arbeitet in der erlesenen Kunstgalerie seines weltmännischen Vaters Jakob Kaufmann (Udo Samel). Sein bester Freund ist Rudi Smekal (Georg Friedrich), der Sohn der Zugehfrau der Kaufmanns, der nach dem Tod seiner Mutter von Jakob und Hannah Kaufmann (Marthe Keller) wie ein Sohn aufgezogen wurde. Zusammen mit Victors attraktiver Freundin Lena (Ursula Strauss) bilden sie ein unzertrennliches Trio. Trotz der aufrichtigen Zuneigung Victors ihm gegenüber beneidet Rudi den Freund um die schöne Lena und natürlich auch um seinen Reichtum – vor allem nachdem ihn Victor zum Ausklang eines feucht-fröhlichen Abends in ein Familiengeheimnis eingeweiht hat: Die Kaufmanns besitzen eine echte, seit Jahrhunderten verschollen geglaubte Zeichnung von Michelangelo.

Nach dem Anschluss Österreichs erscheint Rudi eines Tages in SS-Kluft. Wie viele einfache Menschen erhofft er sich, durch eine Nazikarriere sozial aufzusteigen. Um sich bei seinen Vorgesetzten beliebt zu machen, verrät er das von Jakob Kaufmann wohlbehütete Geheimnis. Den Nazis kommt die Michelangelo-Zeichnung gerade recht, wäre sie doch das perfekte Geschenk für den angekündigten Besuch des Duce in Berlin. Was aber Rudi nicht weiß: Jakob Kaufmann hatte von der Zeichnung zwei Kopien anfertigen lassen. Die Nazis beschlagnahmen, was sie für das Original halten und schicken die Kaufmanns ins KZ, damit sie keine Ansprüche auf das Kunstwerk stellen können. Rudi kann sich endlich mit Lena verloben. Als aber der Michelangelo dem Duce geschenkt werden soll, stellt sich die Zeichnung als Kopie heraus. Rudi soll Victor deshalb aus dem KZ holen und ihn nach Berlin bringen. Dann wird aber das Flugzeug abgeschossen, die Besatzung kommt ums Leben und nur Victor und Rudi überleben. Victor gelingt es, sich Rudis Uniform zu schnappen, so dass die ehemals Freunde mit vertauschten Rollen zur Kommandozentrale gebracht werden.

„Mein bester Feind“ bietet ein vergnügliches Spiel um Identitäten und Rollen, das in der Szene gipfelt, in der sich der KZ-Häftling in SS-Uniform mit sichtlichem Gefallen im Spiegel betrachtet. Zwar leidet die Glaubwürdigkeit des ganzen Schwanks darunter, dass Victor Kaufmann nach fünf Jahren KZ so wohl ernährt aussieht, dass er lediglich die SS-Uniform überzustülpen braucht, um seine Peiniger zu narren. Diese wenig realistische Sicht setzt sich etwa bei einem Häftling in der Schreibstube fort, dessen neu aussehender, gar „eleganter“ KZ-Streifenanzug regelrecht ins Auge sticht. Murnbergers Inszenierung erinnert jedoch eher an die Märchenphantasie von Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ (siehe Filmarchiv) als an die drastisch-realistische Darstellung etwa von Hirschbiegels „Der Untergang“ oder Schlöndorffs „Der neunte Tag“. Die an manchen Stellen dick aufgetragene Filmmusik konterkariert freilich den Eindruck eines launigen Possenspiels.

Trotz der Vorsehbarkeit der Handlung und ihrer durchwachsen spannenden Inszenierung in der ersten Filmhälfte wird „Mein bester Feind“ ab dem Moment anregend, als der Film sein verdoppeltes Spiel mit Original und Fälschung betreibt: Einerseits treibt die Suche nach dem Original unter Michelangelos Zeichnungen die Handlung dramaturgisch voran. Andererseits stellt die zweite Ebene – wer ist „der Jude“ und wer „der Nazi“? – tiefgründige Fragen: Verbannt eine KZ-Häftlingsuniform den zeitweilig als SS-Mann kostümierten Proletarier wieder in die unterste gesellschaftliche Stufe? Macht eine Uniform den vorübergehend Ausgestoßenen erneut zu einer Respektperson? Regisseur Wolfgang Murnberger gelingt es, diese Fragen auf humoristische, nie aber in Klamauk abdriftende Art zu stellen.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren