HABEMUS PAPAM | Habemus Papam
Filmische Qualität:   
Regie: Nanni Moretti
Darsteller: Michel Piccoli, Nanni Moretti, Margherita Buy, Jerzy Stuhr, Renato Scarpa
Land, Jahr: Italien / Frankreich 2011
Laufzeit: 110 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 12/2011
Auf DVD: 6/2012


José García
Foto: Prokino

Bei seiner ersten Papstaudienz am 25. April 2005 schilderte Benedikt XVI. in anschaulichen Worten seine Gefühle während der Schlussphase des Konklaves: „Als das Fallbeil auf mich herabfiel und mir ganz schwindelig zumute wurde, habe ich zu Gott gebetet: ,bitte tu‘ mir das nicht an!'“ Diese Worte scheinen einer eindrücklichen Szene in Nanni Morettis „Habemus Papam“ Pate gestanden zu haben: Nach dem überaus gelungenen Übergang von den Dokumentaraufnahmen des Begräbnisses Johannes Pauls II. zu den Spielfilmsequenzen beginnt in Rom das Konklave. Feierlich ziehen unter den Klängen der Allerheiligenlitanei die wahlberechtigten Kardinäle in die Sixtinische Kapelle ein. Diese wird abgeschlossen, nachdem der Zeremoniar das „extra omnes“ verkündet hat: Außer den stimmberechtigten Kardinälen müssen alle die Konklave-Räume verlassen. Als nun die Wahl beginnt, betet jeder der Teilnehmer inständig: „Lieber Gott, bitte nicht ich“.

Einer muss es jedoch werden. So fällt die Wahl auf Kardinal Melville (Michel Piccoli), der die Glückwünsche der sichtlich erleichterten Kardinäle entgegennimmt und erstmals die weiße Soutane anzieht. Dem Ritual entsprechend begibt sich der Kardinalprotodiakon auf die Loggia des Petersdoms, um die berühmten Worte auszusprechen: „Habemus Papam“. Doch der neue Papst schafft es nicht, die wenigen Schritte vom Stuhl auf den Balkon zu gehen. Ratlosigkeit macht sich unter den Kardinälen breit, bis der Vatikan-Pressesprecher (Jerzy Stuhr) auf den Gedanken verfällt, einen vom Regisseur Nanni Moretti selbst verkörperten Psychoanalytiker zu Rate zu ziehen. Aber auch er ist ratlos. Deshalb rät er, eine Kollegin (Margherita Buy) zu konsultieren. Der neugewählte Papst nutzt indes diesen Ausflug aus dem Vatikan in Zivil, um – dem deutschen Verleih-Untertitel gemäß – „auszubüxen“. Er spaziert durch Rom, bis er auf eine Theatertruppe trifft, die Anton Tschechows „Die Möwe“ probt.

Regisseur Moretti verwendet viel Sorgfalt in den täuschend echt wirkenden Gewändern sowie in der Ausstattung und den aufwändigen Innenräumen – in Cinecitta wurde für den Film etwa die Sixtinische Kapelle zu 80 Prozent nachgebaut –, in denen sich die Kamera von Alessandro Pesci elegant bewegt. Gerade wegen der Akribie in der Wiedergabe des äußeren Erscheinungsbildes wundert es allerdings, dass „Habemus Papam“ das Gebetsleben der Kardinäle völlig außen vor lässt: Während des etwas anderen Konklaves sieht der Zuschauer keinen einzigen Gottesdienst, keinen Kardinal beim Rosenkranz- beziehungsweise beim Gebet vor dem Tabernakel oder beim Brevierlesen. Stattdessen vertreiben sich die eingeschlossenen Kardinäle die Zeit etwa beim Puzzeln, ehe der ebenfalls eingesperrte Psychologe auf den Gedanken kommt, ein Volleyballturnier unter Kardinälen auszurichten. Womit in „Habemus papam“ zwei Vorlieben der Filme Morettis versammelt sind: sein ironischer Blick auf die Psychotherapie und seine Sportleidenschaft, die etwa in „Wasserball und Kommunismus“ („Palombella Rossa“, 1989) eine Hauptrolle spielt.

Zwar karikiert Moretti die Massenbegeisterung des „gläubigen Volkes“, die eine Papstwahl in ein mediales „Event“ verwandelt. Zwar zeichnet er die Kardinäle als harmlose bis naiv-einfältige alte Männer. Sein Blick auf die katholische Kirche ist jedoch im Gegensatz zu seiner kritischen Haltung gegenüber der Psychoanalyse sehr respektvoll. Gerade diese Haltung wurde Moretti nach der Uraufführung von „Habemus Papam“ beim Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes 2011 von einem Teil der internationalen Kritik vorgeworfen. So schrieb etwa „Die Presse“: „Der Vatikan kann dankbar dafür sein, dass ihm diesmal nicht nur jede Anklage, sondern auch Ironie oder Satire erspart bleiben.“ Die als gemäßigt links geltende „La Reppublica“ wertete dies allerdings positiv: „,Habemus Papam“ ist der Film eines Konfessionslosen, der einen tiefen Respekt vor denen hat, die glauben, und der mit Ironie, Fantasie und Eleganz eine Ergriffenheit und gleichzeitig eine Beklemmung auslösen kann, die mehr berühren als Filme mit religiösen Themen normalerweise.“

Dramaturgisch reiht sich „Habemus Papam“ freilich unter die Filme ein, deren Drehbuch von einer durchaus genialen Idee ausgeht, in der Folge aber etwas zu bemüht wirkt, um daraus komödiantisches Kapital zu schlagen – darin etwa Woody Allens „Schmalspurganoven“ („Small Time Crooks“, 2000) nicht unähnlich. Nach dem intelligent-witzigen Beginn plätschert der Film lange dahin. Das eher für einen Kurzfilm geeignete Drehbuch wird durch Gags einfach auf Spielfilmlänge ausgedehnt, etwa durch einen korpulenten Schweizergardisten, der in den päpstlichen Gemächern hin und wieder an den Fenstervorhängen rüttelt, um die Anwesenheit des Papstes vorzugaukeln, oder durch die endlosen Volleyballspiele der Kardinäle. Trotz eines insbesondere durch seine Mimik großartig spielenden Michel Piccoli entwickelt sich sein Charakter zu wenig, um selbst in einem Fantasie-Vatikan glaubwürdig zu wirken.
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