THE IDES OF MARCH – TAGE DES VERRATS | The Ides of March
Filmische Qualität:   
Regie: George Clooney
Darsteller: Ryan Gosling, George Clooney, Evan Rachel Wood, Paul Giamatti, Marisa Tomei, Philip Seymour Hoffman, Max Minghella, Jeffrey Wright
Land, Jahr: USA 2011
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 12/2011
Auf DVD: 4/2012


José García
Foto: Tobis

In wohl keinem anderen Land wird der Präsidentschafts-Wahlkampf so häufig im Kino fiktionalisiert wie in den Vereinigten Staaten: Von Franklin J. Schaffners „Der Kandidat“ (1964) mit Henry Fonda in der Hauptrolle bis „Der Manchurian Kandidat“ (Jonathan Demme, 2004) entwerfen Hollywood-Spielfilme ein Wahlkampf-Szenario mit unterschiedlichem Authentizitätsanspruch, wobei dieser in Alan J. Pakulas „Die Unbestechlichen“ („All the President’s Men“, 1976) am größten sein dürfte. Denn Pakula zeichnet die tatsächlichen Recherchen der Washington Post-Reporter Bob Woodward (Robert Redford) und Carl Bernstein (Dustin Hoffman) nach, die zur Aufdeckung der „Watergate“-Affäre während des Vorwahlkampfs 1972 und schließlich zum Rücktritt Richard Nixons im August 1974 führte.

Ein fiktiver Vorwahlkampf steht denn auch in George Clooneys vierter Regiearbeit „The Ides des March – Tage des Verrats“ im Mittelpunkt: Bei den sogenannten Primaries wird der Präsidentschaftskandidat der Demokraten gekürt, der wiederum mit großer Wahrscheinlichkeit ins Weiße Haus einziehen wird. Ohio scheint der Schlüssel dazu zu sein: Wer hier gewinnt, wird wohl die Demokratische Partei als Kandidat vertreten. Clooneys Film beginnt mit den Proben einer Rede auf einer Theaterbühne. Der junge Stephen Meyers (Ryan Gosling) arbeitet als Pressesprecher für Gouverneur Mike Morris (George Clooney) – genauer: für dessen Wahlkampfmanager Paul Zara (Philip Seymour Hoffman). Dass sich der etwa dreißigjährige Meyers trotz seiner Jugend in der Politik gut auskennt, wird etwa in einer Szene deutlich, in der ihn die Journalistin Ida Horowicz (Marisa Tomei) vergebens aus der Reserve zu locken versucht.

In diesem Dialog wird bereits das eigentliche Thema von „The Ides of March“ vorweggenommen: Geht es Stephen Meyers eigentlich um seine Ideale oder doch um die eigene Karriere? Basierend auf dem Bühnenstück „Farragut North“ (2004) von Beau Willimon dekliniert das Drehbuch von George Clooney, Grant Heslov und Beau Willimon die schmutzigen Tricks eines solchen Wahlkampfs, verliert jedoch trotz unterschiedlicher Nebenstränge seine Hauptfigur nicht aus den Augen. Stephen Meyers’ Ehrgeiz macht ihn anfällig für die Versuchungen der Gegenseite: Bei einem vermeintlich strenggeheimen Treffen testet Tom Duffy (Paul Giamatti), seines Zeichens Wahlkampfmanager des Demokraten-Gegenkandidaten Pullman, Stephens Loyalität. Seine Affäre mit der hübschen Praktikantin Molly (Evan Rachel Wood) liefert dem „modernen Brutus“ Stephen schließlich die Waffe, mit der er den Herrschermord begehen kann, auf den der Filmtitel anspielt: An den Iden des März im Jahr 44 vor Christus wurde bekanntlich Julius Cäsar bei einer Senatssitzung ermordet.

„The Ides of March – Tage des Verrats“ bietet hervorragende schauspielerische Leistungen, wobei sich Co-Produzent, Co-Drehbuchautor und Regisseur George Clooney als Schauspieler angenehm zurücknimmt und dezent im Hintergrund bleibt. Philip Seymour Hoffman und Paul Giamatti erstmals zusammen vor der Kamera zu sehen, macht bereits Clooneys viertes Regiewerk zu etwas Besonderem. Die Kamera von Phedon Papamichael wechselt elegant von bewegten Bildern des Wahlkampftrosses zu statischen Einstellungen etwa einer Krisensitzung des Kandidaten mit seinen Wahlkampfmanagern mitten in einem kargen Raum oder des symbolträchtigen Umrisses Stephens vor einer riesigen US-Fahne.

Dramaturgisch leidet Clooneys Film jedoch einerseits durch die bereits im Filmtitel angelegte Vorhersehbarkeit. Zwar kann der Zuschauer von der Politik abstrahieren und die Story nach dem Statement des Regisseurs als eine universelle Geschichte ansehen: „‚The Ides of March – Tage des Verrats’ ist nicht bloß ein Film über Politik. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der sich bis auf die höchste Stufe der Karriereleiter durchkämpft, dafür aber seine Seele opfert. Es ist eine Geschichte über Moralität, die zufällig in der Politik spielt. Genauso könnte der Held ein Anwalt oder Agent sein.“ Selbst dann entwickelt sich jedoch Clooneys Film völlig vorsehsehbar nach dem altbekannten Muster, junger Idealist wird vom Zynismus enttäuscht und schlägt mit gleichen Waffen zurück. Dass der Schlüssel zu seinem Verrat von der Beziehung des Präsidentschaftskandidaten zu einer Praktikantin geliefert wird, wirkt darüber hinaus arg konstruiert.

Zwar spricht der Film den grundlegenden Konflikt zwischen Loyalität („die einzige Währung in der Politik“) und den eigenen Karriere-Interessen an. Wofür allerdings Mike Morris’ Politik steht, zu welchen Werten sich also Stephen Meyers loyal verhalten soll, wird kaum deutlich. Übrig bleibt die Aussage, Politik habe nur mit Machtmechanismen zu tun, zu denen selbstverständlich allerlei Tricks bis hin zu Intrigen und Verdrehungen gehören. Eine sehr pauschale Aussage, die mit der trotz allen schauspielerischen Könnens der Darsteller erkennbaren Eindimensionalität der Figuren einhergeht.

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