UND DANN DER REGEN – TAMBIEN LA LLUVIA | También la lluvia
Filmische Qualität:   
Regie: Icíar Bollaín
Darsteller: García Bernal, Luis Tosar, Juan Carlos Aduviri, Karra Elejalde, Carlos Santos
Land, Jahr: Mexiko / Spanien / Frankreich 2010
Laufzeit: 103 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 12/2011
Auf DVD: 8/2012


José García
Foto: Piffl

Im Spielfilm „Und dann der Regen“ („También la lluvia“) verknüpfen Drehbuchautor Paul Laverty und Regisseurin Icíar Bollaín zwei Handlungsstränge miteinander, die etwa 500 Jahre voneinander getrennt sind: Im Jahre 2000 reist ein spanischer Filmteam unter der Leitung des ehrgeizigen Produzenten Costa (Luis Tosar) und des idealistischen Regisseurs Sebastián (Gael García Bernal) nach Bolivien, um einen Spielfilm über die Ankunft von Christoph Kolumbus in der Neuen Welt zu drehen. Die Dreharbeiten werden von sozialen Unruhen in Cochabamba nachhaltig gestört: Nach der Privatisierung der Wasserversorgung wird der Wasserpreis verdreifacht, was zu einem Generalstreik und zu Zusammenstößen mit der Polizei mit Toten und hunderten Verletzten führt.

Im Mittelpunkt des „Films im Film“ steht die historisch verbürgte Predigt, die Bruder Antón Montesinos am 4. Adventssonntag 1511 hielt. Darin wandte sich der Ordensmann gegen die Ausbeutung der Indios: „Mit welchem Recht und mit welcher Gerechtigkeit haltet ihr diese Indios in solch grausamer und entsetzlicher Knechtschaft? Sind sie etwa keine Menschen?“ Bollaíns „Und dann der Regen“ wechselt immer wieder, aber stets in einem dramaturgisch sinnvollen Rhythmus von einer Zeitebene in die andere. Eine besondere Parallele zwischen der Ausbeutung der Einheimnischen im 16. Jahrhundert und in der Gegenwart findet sich im indianischen Hauptdarsteller Daniel (Juan Carlos Aduviri), der im „Film im Film“ als Häuptling Hatuey den Aufstand gegen die spanischen Conquistadores anführt, in der „Filmgegenwart“ als Anführer der einheimischen Bevölkerung im „Wasserkrieg“ auftritt. Aber auch die Filmteam-Mitglieder, insbesondere Kolumbus-Darsteller Antón (Karra Elejalde) und Montesinos-Darsteller Juan (Raúl Arévalo), reflektieren über die „erste Stimme des Gewissens gegen ein ganzes Weltreich“.

Die Kamera von Alex Catalán wechselt ebenfalls zwischen den Nahaufnahmen des Filmteams und den weiten Bildern des Aufstands. Sie wird freilich genauso wenig zum Selbstzweck wie die zurückgenommene Musik von Alberto Iglesias. Über die ausgezeichnete Verknüpfung der verschiedenen Zeitebenen hinaus besticht „Und dann der Regen“ insbesondere durch die nuancierte Figurenzeichnung, die dank hervorragender Schauspieler die Konflikte und die Charakterentwicklung glaubwürdig macht.


Interview mit Drehbuchautor Paul Laverty und Hauptdarsteller Juan Carlos Aduviri.

In „The Wind That Shakes the Barley” (2006) hatten Sie zwar den anglo-irischen Krieg im Jahre 1920 thematisiert. Aber ein Drehbuch über eine Geschichte, die 500 Jahre zurückliegt, ist sicherlich etwas ganz anderes. Wie kamen Sie auf die Idee?

Paul Laverty: Sie geht auf den Historiker Howard Zinn zurück. Er hatte den Film „Brot und Rosen“ (2000) von Ken Loach gesehen, zu dem ich das Drehbuch verfasst hatte. Daraufhin fragte mich Zinn, ob ich einen auf einem Kapitel seines Buches „A People’s History of the United States“ basierenden Film drehen würde. Im Buch hatte mich die Reaktion der Priester Antonio de Montesinos und Bartolomé de las Casas, die aus ihrem Gewissen heraus gegen die Ausbeutung der Indios protestierten, ebenso fasziniert wie der Gedanke des Widerstands. Zunächst schrieb ich für den amerikanischen TV-Sender HBO ein Drehbuch für einen Film, der gänzlich im Jahre 1511 spielen sollte. Aus welchen Gründen auch immer wurde das Projekt fallen gelassen – allerdings haben sie mir dadurch einen Gefallen getan. Denn ein solches Filmprojekt hätte viele Glaubwürdigkeitsprobleme gehabt: Die ursprüngliche Bevölkerung der Taino ist ausgestorben, genauso wie ihre Sprache…

Dadurch, dass „Und dann der Regen“ auf zwei so verschiedenen Zeitebenen angesiedelt ist, wird der Film ungemein komplex, zumal weder die Regisseurin Icíar Bollain noch Sie als Drehbuchautor ähnliche Erfahrungen hatten.

Paul Laverty: Icíar hat großartige Arbeit geleistet. Wenn die „historische“ Seite monumental ausgefallen wäre, hätte sie leicht den in der heutigen Zeit spielenden Teil erdrücken können. Sie hat beide Handlungsstränge hervorragend miteinander verknüpft. Ein Kunstgriff, den sie dafür anwendet, besteht darin, nicht etwa fertige Szenen des „Films im Film“, sondern die Proben zu zeigen, denn so spricht sie die Vorstellungskraft des Publikums an.

Wie haben die Menschen in Bolivien, die acht Jahre zuvor den Wasserkrieg in der Wirklichkeit mitgemacht haben, darauf reagiert, ihn nun im Film darzustellen?

Juan Carlos Aduviri: Der Bolivianer ist eigentlich menschenscheu, misstrauisch vor allem gegenüber Ausländern. Mich hat es deshalb beeindruckt, wie interessiert sie daran waren, dass dieser Film gemacht wird. Weil die Filmproduktion sehr ehrlich mit ihnen umgegangen ist, hatten sie keine Furcht, dass ihr Anliegen missbraucht würde.

Wie kann man vor diesem Hintergrund die Beziehung zwischen Ihrer Figur Daniel mit Luis Tosars Figur Costa bezeichnen? Ist es nicht etwas klischeehaft, dass aus den größten Gegensätzen dann Freunde werden?

Juan Carlos Aduviri: Ich konnte mich mit Daniel identifizieren, denn mir ist etwas Ähnliches passiert: Als Filmstudent hatte ich großen Streit mit dem Verwaltungschef der Filmhochschule, weil er uns nicht die Geräte zur Verfügung stellte, die wir brauchten. Mit der Zeit habe ich verstanden, dass er es einfach nicht konnte. Nachdem wir uns zwei Jahre lang bekämpft hatten, sind wir Freude geworden. Ich denke, meine Figur ist sehr menschlich, er ist kein strahlender Held, sondern macht auch Fehler.

Paul Laverty: Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang auch, dass Costa nicht vorgibt, das sei eine Freundschaft fürs Leben. Aber: Trotz seines Zynismus hat er Daniel als menschliches Wesen kennengelernt. Beim Schreiben kam es mir darauf an, dass sich diese Charaktere entwickeln.

Beim ersten Projekt, einen ausschließlich im 16. Jahrhundert angesiedelten Film zu realisieren, stand Montesinos im Mittelpunkt. Hier rückt er etwas in den Hintergrund…

Paul Laverty: Der ursprüngliche, der „historische“ Film, sollte nach seinen eigenen Worten „Sind Sie denn keine Menschen?“ heißen. Mir tut es sehr leid, dass er nicht mehr so im Vordergrund steht. Trotzdem wird „Und dann der Regen“ zurzeit in Washington vorgeführt, um des 500. Jahrestags der berühmten Predigt zu gedenken. Ich bin zwar kein gläubiger Mensch, aber bin ich davon überzeugt, dass Montesinos uns geholfen hat, diese seine Geschichte zu erzählen. Immer wenn Probleme auftauchten, haben mir seine Worte Kraft gegeben, weiter zu machen.
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