|
||||||||||||||||||||
José GarcÃa Foto: Piffl Im Spielfilm âUnd dann der Regenâ (âTambién la lluviaâ) verknüpfen Drehbuchautor Paul Laverty und Regisseurin IcÃar BollaÃn zwei Handlungsstränge miteinander, die etwa 500 Jahre voneinander getrennt sind: Im Jahre 2000 reist ein spanischer Filmteam unter der Leitung des ehrgeizigen Produzenten Costa (Luis Tosar) und des idealistischen Regisseurs Sebastián (Gael GarcÃa Bernal) nach Bolivien, um einen Spielfilm über die Ankunft von Christoph Kolumbus in der Neuen Welt zu drehen. Die Dreharbeiten werden von sozialen Unruhen in Cochabamba nachhaltig gestört: Nach der Privatisierung der Wasserversorgung wird der Wasserpreis verdreifacht, was zu einem Generalstreik und zu ZusammenstöÃen mit der Polizei mit Toten und hunderten Verletzten führt. Im Mittelpunkt des âFilms im Filmâ steht die historisch verbürgte Predigt, die Bruder Antón Montesinos am 4. Adventssonntag 1511 hielt. Darin wandte sich der Ordensmann gegen die Ausbeutung der Indios: âMit welchem Recht und mit welcher Gerechtigkeit haltet ihr diese Indios in solch grausamer und entsetzlicher Knechtschaft? Sind sie etwa keine Menschen?â BollaÃns âUnd dann der Regenâ wechselt immer wieder, aber stets in einem dramaturgisch sinnvollen Rhythmus von einer Zeitebene in die andere. Eine besondere Parallele zwischen der Ausbeutung der Einheimnischen im 16. Jahrhundert und in der Gegenwart findet sich im indianischen Hauptdarsteller Daniel (Juan Carlos Aduviri), der im âFilm im Filmâ als Häuptling Hatuey den Aufstand gegen die spanischen Conquistadores anführt, in der âFilmgegenwartâ als Anführer der einheimischen Bevölkerung im âWasserkriegâ auftritt. Aber auch die Filmteam-Mitglieder, insbesondere Kolumbus-Darsteller Antón (Karra Elejalde) und Montesinos-Darsteller Juan (Raúl Arévalo), reflektieren über die âerste Stimme des Gewissens gegen ein ganzes Weltreichâ. Die Kamera von Alex Catalán wechselt ebenfalls zwischen den Nahaufnahmen des Filmteams und den weiten Bildern des Aufstands. Sie wird freilich genauso wenig zum Selbstzweck wie die zurückgenommene Musik von Alberto Iglesias. Ãber die ausgezeichnete Verknüpfung der verschiedenen Zeitebenen hinaus besticht âUnd dann der Regenâ insbesondere durch die nuancierte Figurenzeichnung, die dank hervorragender Schauspieler die Konflikte und die Charakterentwicklung glaubwürdig macht. Interview mit Drehbuchautor Paul Laverty und Hauptdarsteller Juan Carlos Aduviri. In âThe Wind That Shakes the Barleyâ (2006) hatten Sie zwar den anglo-irischen Krieg im Jahre 1920 thematisiert. Aber ein Drehbuch über eine Geschichte, die 500 Jahre zurückliegt, ist sicherlich etwas ganz anderes. Wie kamen Sie auf die Idee? Paul Laverty: Sie geht auf den Historiker Howard Zinn zurück. Er hatte den Film âBrot und Rosenâ (2000) von Ken Loach gesehen, zu dem ich das Drehbuch verfasst hatte. Daraufhin fragte mich Zinn, ob ich einen auf einem Kapitel seines Buches âA Peopleâs History of the United Statesâ basierenden Film drehen würde. Im Buch hatte mich die Reaktion der Priester Antonio de Montesinos und Bartolomé de las Casas, die aus ihrem Gewissen heraus gegen die Ausbeutung der Indios protestierten, ebenso fasziniert wie der Gedanke des Widerstands. Zunächst schrieb ich für den amerikanischen TV-Sender HBO ein Drehbuch für einen Film, der gänzlich im Jahre 1511 spielen sollte. Aus welchen Gründen auch immer wurde das Projekt fallen gelassen â allerdings haben sie mir dadurch einen Gefallen getan. Denn ein solches Filmprojekt hätte viele Glaubwürdigkeitsprobleme gehabt: Die ursprüngliche Bevölkerung der Taino ist ausgestorben, genauso wie ihre Sprache⦠Dadurch, dass âUnd dann der Regenâ auf zwei so verschiedenen Zeitebenen angesiedelt ist, wird der Film ungemein komplex, zumal weder die Regisseurin IcÃar Bollain noch Sie als Drehbuchautor ähnliche Erfahrungen hatten. Paul Laverty: IcÃar hat groÃartige Arbeit geleistet. Wenn die âhistorischeâ Seite monumental ausgefallen wäre, hätte sie leicht den in der heutigen Zeit spielenden Teil erdrücken können. Sie hat beide Handlungsstränge hervorragend miteinander verknüpft. Ein Kunstgriff, den sie dafür anwendet, besteht darin, nicht etwa fertige Szenen des âFilms im Filmâ, sondern die Proben zu zeigen, denn so spricht sie die Vorstellungskraft des Publikums an. Wie haben die Menschen in Bolivien, die acht Jahre zuvor den Wasserkrieg in der Wirklichkeit mitgemacht haben, darauf reagiert, ihn nun im Film darzustellen? Juan Carlos Aduviri: Der Bolivianer ist eigentlich menschenscheu, misstrauisch vor allem gegenüber Ausländern. Mich hat es deshalb beeindruckt, wie interessiert sie daran waren, dass dieser Film gemacht wird. Weil die Filmproduktion sehr ehrlich mit ihnen umgegangen ist, hatten sie keine Furcht, dass ihr Anliegen missbraucht würde. Wie kann man vor diesem Hintergrund die Beziehung zwischen Ihrer Figur Daniel mit Luis Tosars Figur Costa bezeichnen? Ist es nicht etwas klischeehaft, dass aus den gröÃten Gegensätzen dann Freunde werden? Juan Carlos Aduviri: Ich konnte mich mit Daniel identifizieren, denn mir ist etwas Ãhnliches passiert: Als Filmstudent hatte ich groÃen Streit mit dem Verwaltungschef der Filmhochschule, weil er uns nicht die Geräte zur Verfügung stellte, die wir brauchten. Mit der Zeit habe ich verstanden, dass er es einfach nicht konnte. Nachdem wir uns zwei Jahre lang bekämpft hatten, sind wir Freude geworden. Ich denke, meine Figur ist sehr menschlich, er ist kein strahlender Held, sondern macht auch Fehler. Paul Laverty: Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang auch, dass Costa nicht vorgibt, das sei eine Freundschaft fürs Leben. Aber: Trotz seines Zynismus hat er Daniel als menschliches Wesen kennengelernt. Beim Schreiben kam es mir darauf an, dass sich diese Charaktere entwickeln. Beim ersten Projekt, einen ausschlieÃlich im 16. Jahrhundert angesiedelten Film zu realisieren, stand Montesinos im Mittelpunkt. Hier rückt er etwas in den Hintergrund⦠Paul Laverty: Der ursprüngliche, der âhistorischeâ Film, sollte nach seinen eigenen Worten âSind Sie denn keine Menschen?â heiÃen. Mir tut es sehr leid, dass er nicht mehr so im Vordergrund steht. Trotzdem wird âUnd dann der Regenâ zurzeit in Washington vorgeführt, um des 500. Jahrestags der berühmten Predigt zu gedenken. Ich bin zwar kein gläubiger Mensch, aber bin ich davon überzeugt, dass Montesinos uns geholfen hat, diese seine Geschichte zu erzählen. Immer wenn Probleme auftauchten, haben mir seine Worte Kraft gegeben, weiter zu machen. |
||||||||||||||||||||
|