THE DESCENDANTS – FAMILIE UND ANDERE ANGELEGENHEITEN | The Descendants
Filmische Qualität:   
Regie: Alexander Payne
Darsteller: George Clooney, Shailene Woodley, Beau Bridges, Robert Forster, Judy Greer, Matthew Lillard, Nick Krause, Amara Miller, Mary Birdsong
Land, Jahr: USA 2011
Laufzeit: 115 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 1/2012
Auf DVD: 6/2012


José García
Foto: 20th Century Fox

George Clooney gehört zu den markantesten Charakterdarstellern im heutigen Hollywood. Dies verdankt er Spielfilmen, in denen er Rechtsanwälte („Michael Clayton“, 2007), Manager („Up in the Air“, 2009) oder Politiker („The Ides of March“, 2011) weltmännisch in feinem Zwirn darstellt. Die von ihm verkörperten Figuren sind meistens geschieden oder unverheiratet, jedenfalls aber kinderlos. Mit diesem Image bricht Clooney im nun anlaufenden Spielfilm „The Descendants“ grundlegend, nicht nur äußerlich, weil er vorwiegend in Hawaii-Hemd und Sandalen zu sehen ist. Darüber hinaus spielt der amerikanische Darsteller darin einen Familienvater, der sich nach dem Sportunfall seiner Frau erstmals um seine zwei Töchter kümmern muss.

Basierend auf dem ersten, auf Deutsch unter dem Titel „Mit deinen Augen“ erschienenen Roman der hawaiianischen Autorin Kaui Hart Hemmings erzählen Regisseur Alexander Payne und seine Mit-Drehbuchautoren Nat Faxon und Jim Rash in „The Descendants“ von Matt King (George Clooney), der zwar auf Hawaii lebt, von den Vorzügen des vermeintlichen Paradieses jedoch kaum Notiz nimmt. Bereits am Anfang teilt seine Off-Stimme dem Zuschauer mit, dass für ihn, der beispielsweise seit 15 Jahren nicht mehr auf einem Surfbrett stand, Hawaii ein Ort wie jeder andere ist, an dem er seine liebe Mühe hat, seinen Alltag als Rechtsanwalt zu bewältigen. Matt Kings Leben wird noch komplizierter, als seine Frau nach einem Sportunfall vor dem Strand von Waikiki ins Koma fällt. Nun muss er, der sich bislang als „Reservebank-Vater“ verstanden hat, einen neuen Zugang zu seinen beiden Töchtern, der altklugen 10-jährigen Scottie (Amara Miller) und der pubertär-rebellischen 17-jährigen Alexandra (Shailene Woodley), finden.

Als wäre dies für den Mittvierziger nicht kompliziert genug, drängen ihn jetzt seine Verwandten dazu, den uralten, von ihm verwalteten Grundbesitz zu verkaufen. Die meisten Angehörigen, insbesondere Matts Cousin Hugh (Beau Bridges), sind dafür, diesen unberührten tropischen Strandabschnitt auf den Inseln einem Immobilienkonsortium zu veräußern, das in der malerisch gelegenen Bucht ein Luxushotel bauen will. Als Alexandra enthüllt, dass ihre Mutter zum Zeitpunkt des Unfalls mitten in einer Affäre mit einem anderen Mann steckte, macht sich Matt zusammen mit seinen Töchtern und mit Sid (Nick Krause), Alexandras kindischem bestem Freund, auf die Suche nach dem Liebhaber seiner Frau.

In „The Descendants“ entwickelt Mit-Drehbuchautor und Regisseur Alexander Payne mehrere Handlungsfäden, die er allerdings meisterhaft miteinander verknüpft und nach und nach mit viel Gefühl für Rhythmus zum jeweiligen Abschluss führt. Erzählt Paynes Film eigentlich eine gängige Entwicklungsgeschichte, so legt er besonderen Wert auf die Charakterzeichnung. Die wohldosierte Mischung aus komischen und dramatischen Momenten trägt darüber hinaus dazu bei, diese Charaktere zu entwickeln. Dabei handelt es sich nicht nur um die für George Clooney ungewohnte Hauptfigur des orientierungslosen Matt King, der in der Mitte seines Lebens seine Vergangenheit überdenken und seine Vaterrolle neu definieren muss. Alexander Paynes „The Descendants“ zeichnet darüber hinaus aus, dass auch die Nebenfiguren sorgfältig entwickelt und deshalb eine besondere Tiefe und Authentizität erkennen lassen. Dies gilt für die völlig natürlich agierende Amara Miller als 10-jährige Scottie, die ihrem Vater stets rätselhaft bleibt, und für Shailene Woodley, die den gemischten Gefühlen einer 17-Jährigen gegenüber ihrer Mutter mit vielen Nuancen Ausdruck verleiht. Auch Nick Krause gewinnt dem von ihm dargestellten Sid über die alberne auch eine ernste Seite ab. Insbesondere beeindruckt jedoch Robert Forster als Matts Schwiegervater, der seinen Schwiegersohn niemals akzeptiert hat. Auf den ersten Blick wirkt er deshalb raubeinig, aber gegenüber seiner an Alzheimer erkrankten Frau und beim Abschied von seiner sterbenden Tochter lässt er ganz andere Charakterzüge erkennen.

Matt Kings Aufarbeitung der Liebesaffäre seiner Frau verdeutlicht die von der Untreue hinterlassenen Verletzungen. Ein Plädoyer für eheliche Treue, das sich mit Matts Ringen um Verzeihung zu einer anrührenden Szene verdichtet – die allerdings dank der Schauspielkunst George Clooneys in keinster Weise rührselig wirkt. George Clooneys nuancierte Darstellung des um die Liebe seiner Familie bemühten, manchmal orientierungslos wirkenden Familienvaters brachte ihm sowohl den Golden Globe als auch den Preis der Vereinigung der US-Filmkritiker als Bester Darsteller ein. „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ wurde außerdem ebenfalls mit dem „Golden Globe“ als Bester Film in der Kategorie „Drama“ ausgezeichnet und gilt zusammen mit Michael Hazanavicius’ „The Artist“ als vielversprechender Kandidat für die diesjährige Oscar-Verleihung, für die er in fünf Kategorien (u.a. „Bester Film“ und „Beste Regie“) nominiert wurde.
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