IN THE LAND OF BLOOD AND HONEY | In the Land of Blood and Honey
Filmische Qualität:   
Regie: Angelina Jolie
Darsteller: Zana Marjanovic, Goran Kostic, Rade Šerbedžija, Vanesa Glodjo, Boris Ler, Alma Terzic, Jelena Jovanova, Fedja Stukan, Nikola Djuricko, Aleksandar Djurica, Branko Djuric
Land, Jahr: USA 2011
Laufzeit: 127 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G++, X++
im Kino: 2/2012
Auf DVD: 9/2012


José García
Foto: Wild Bunch

Eine filmische Auseinandersetzung mit dem Bosnienkrieg 1992-1995 fand bereits mehrfach statt. Inszenierte Dennis Tanovic „No Man’s Land” (siehe Filmarchiv) als einen mit dem absurden Theater verwandten Zwischenfall, der die Sinnlosigkeit des Krieges eindringlich vor Augen führte, so beschritten Isabel Coixet in „Das geheime Leben der Worte“ (siehe Filmarchiv) sowie Jasmila Žbanić mit „Esmas Geheimnis (Grbavica)“ (siehe Filmarchiv) einen indirekten Weg, um die Gräueltaten des Krieges zu verdeutlichen: Um die Wunden der Vergangenheit offenzulegen, setzt insbesondere Jasmila Žbanić eine distanzierte, teils scheinbar unbeteiligte Kameraführung, ohne auf plakative Mittel zurückzugreifen. Hans-Christian Schmids „Sturm“ (siehe Filmarchiv) schafft eine weitere Distanzierung, eine Brechung, indem sein Film die Verhandlung mutmaßlicher Kriegsverbrechen vor dem Den Haager Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in den Mittelpunkt rückt.

Nun hat Angelina Jolie, eine der bekanntesten Hollywood-Schauspielerinnen, ihr Regiedebüt über eine Episode des Bosnienkrieges gedreht: Bei „In the Land of Blood and Honey“ fungiert Jolie außerdem als Drehbuchautorin und Produzentin. „In the Land of Blood and Honey“ handelt von der bosnischen Malerin Ajla (Zana Marjanovic) und dem serbischen Offizier Danijel (Goran Kostic), die sich 1992 in Sarajevo ineinander verlieben. Ausgelassen tanzen sie in einer Diskothek, als plötzlich eine Bombe das Gebäude zerstört und das Liebespaar auseinanderreißt. Sechs Monate später treffen sie wieder aufeinander: Ajla wurde mit weiteren Frauen in ein Internierungslager verschleppt, wo sie systematisch gedemütigt und vergewaltigt werden. Als Lagerkommandant nimmt Danijel Ajla unter seinen Schutz. Unter diesen ungleichen Bedingungen beginnen sie ihre Liebesbeziehung wieder. Obwohl ihr mit Danijels Hilfe die Flucht gelingt, lässt sich Ajla im Einvernehmen mit bosnischen Widerstandskämpfern erneut festnehmen, um die Serben auszuspionieren. Unter diesen Vorzeichen nimmt die Beziehung zwischen den ungleichen Liebenden immer zwanghaftere Züge an.

Obwohl vor dem Abspann eine Texttafel erklärt, während des Krieges seien etwa 50 000 Frauen vergewaltigt und die Hälfte der bosnischen Bevölkerung vertrieben worden, zeigt sich Autorin und Regisseurin Angelina Jolie im Film selbst bemüht, nicht in Schwarzweißmalerei zu verfallen. Zwar werden die meisten Serben als eine unterschiedlose Masse brutaler Vergewaltiger gezeichnet. Darunter ragt indes Danijel heraus, der als Krieger wider Willen mit menschlichem Antlitz dargestellt wird, der nur wegen seines Vaters, des nationalistischen Generals Nebojsa Vukojevic (Rade Šerbedžija), überhaupt in der Armee sei. Selbst dieser bis dahin als skrupelloser Nationalist auftretende General erhält menschliche Züge, als ihm die Gelegenheit geboten wird, seinen Hintergrund zu erklären: Der größte Teil seiner Familie sei 1944 bei einem Massaker von einer bosnisch-kroatischen Waffen SS-Einheit ausgelöscht worden.

An der politischen Korrektheit scheitert „In the Land of Blood and Honey“ denn auch nicht. Das Problem von Jolies Film ist die Fixierung auf eine kaum zu überzeugende Liebesgeschichte, die das Schicksal der Vergewaltigungsopfer immer mehr in den Hintergrund drängt. Darüber hinaus passen die von süßlich-romantischer Musik untermalten expliziten Sexszenen wohl kaum zu der Atmosphäre eines Internierungslagers, in dem die Frauen Tag für Tag geschunden werden. Die Wandlung der Romeo und Julia-Story in Zeiten des Krieges zu einer Geschichte des Verrats, an dem beide Seiten gleichermaßen Anteil haben, folgt deshalb einer holprigen dramaturgischen Entwicklung. Die exzessive Körperlichkeit, mit der die Regisseurin die Liebesgeschichte inszeniert, setzt sich in der Darstellung des Krieges fort. Hatten Isabel Coixet und Jasmila Žbanić sowie Hans-Christian Schmid mit einer subtilen, die Folgen der Kriegsverbrechen betonenden Inszenierung auf die Intelligenz der Zuschauer gesetzt, so versucht Angelina Jolie mit dem üblichen Feuerwerk der amerikanischen Antikriegsfilme zu überwältigen: Drastische Bilder von exzessivem Blutvergießen und maßlose Schiessereien sollen dem Zuschauer die Sinnlosigkeit des Krieges vor Augen führen.

Jolie meint offenbar, je drastischer sie die Gräueltaten darstelle, desto realistischer sei ihre Kriegsschilderung. Dies stellt sich jedoch als eine trügerische Schlussfolgerung heraus: Die Anhäufung solcher Gewaltexzesse erzeugt beim Zuschauer eher eine Abstumpfung, eine Sättigung. Der vermeintliche Realismus schadet eher dem Film, weil er einfach banal wirkt. „In the Land of Blood and Honey“ kann zwar als ein gut gemeinter Versuch bezeichnet werden, einem breiten, vom Namen des Hollywood-Stars angezogenen Publikum die Kriegsverbrechen während des Bosnienkriegs bekannt zu machen. Künstlerisch erreicht Angelina Jolies Spielfilmdebüt das Niveau der von den genannten europäischen Regisseuren bereits gedrehten Filme jedoch nicht.
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