BARBARA | Barbara
Filmische Qualität:   
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Jasna Fritzi Bauer, Marc Waschke, Rainer Bock, Christina Hecke, Peter Benedict, Deniz Petzold
Land, Jahr: Deutschland 2012
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 3/2012
Auf DVD: 9/2012


José García
Foto: Piffl

Auf der diesjährigen Berlinale gehörte Christian Petzolds „Barbara“ zu den herausragenden Beiträgen im Wettbewerb. Dass die Festivalleitung für dessen Premiere den besten Ausstrahlungsplatz, den Berlinale-Samstag um 19.30 Uhr, reserviert hatte, ließ schon aufhorchen. „Barbara“ wurde denn auch zu einem Kritiker- und Publikumsliebling. Zwar gewann den Goldenen Bären letztlich „Cesare deve morire“ der Brüder Paolo und Vittorio Taviani (siehe Filmarchiv). Aber die internationale Jury bedachte Christian Petzold mit dem „Silbernen Bären für die Beste Regie“. Darüber hinaus gewann „Barbara“ den Publikumspreis der „Berliner Morgenpost“.

Im Sommer 1980 wird die Ärztin Barbara (Nina Hoss) von der Berliner Charité in das Krankenhaus eines mecklenburgischen Provinzkaffs versetzt. Denn sie hatte einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt, der selbstverständlich abgelehnt wurde. Dass sie in ihrem neuen Leben ständiger Überwachung ausgesetzt sein wird, macht der Film von Anfang an deutlich: Barbaras Ankunft im Krankenhaus wird von zwei Männern beobachtet, ihrem neuen Chef Andre (Ronald Zehrfeld) und dem Stasimann Schütz (Rainer Bock), der dem Chefarzt Anweisungen in bezug auf seine neue Kollegin erteilt. Die Stasi-Überwachung setzt sich im Film fort: Barbaras heruntergekommene Wohnung wird mehrmals auf den Kopf gestellt. Sie selbst muss die demütigende Prozedur einer Leibesvisitation wiederholt über sich ergehen lassen.

Barbaras neuer Wohnort liegt allerdings direkt an der Ostsee, die eine mögliche Flucht verheißt. Diese wird denn auch seit langem von Barbaras Geliebtem geplant, dem westdeutschen Jörg (Mark Waschke). Im Krankenhaus versucht Barbara insbesondere Distanz zu Andre aufzubauen. Misstrauen kennzeichnet ihre Beziehung, weiß sie doch, dass er sie beobachten und mit der Stasi zusammenarbeiten muss. Im Laufe der Zeit lernt Barbara indes, den engagierten Kollegen zu schätzen. Ein solcher Wendepunkt zeichnet sich etwa ab, als das Heimkind Stella (Jasna Fritzi Bauer) in die Klinik eingeliefert wird, und sich Barbara besonders fürsorglich um die junge Frau kümmert. Stella ist schwanger und weigert sich, dass ihr Kind in der DDR aufwächst. Barbara missversteht zunächst Stellas Begehren, das Kind soll „weg“ („Wegmachen“? „Nicht so, wie Sie meinen: weg von diesem Scheißland“). Dass Andre ihr hilft, Stella länger als eigentlich erforderlich im Krankenhaus zu behalten, imponiert Barbara, die über den Chef anders zu denken beginnt.

Neben den exquisiten Bildern von Kameramann Hans Fromm und dem authentischen Produktionsdesign von K.D. Gruber und Anette Guther besticht „Barbara“ durch seine klassische Dramaturgie, die sich im Vergleich zu früheren Filmen von Christian Petzold (etwa „Gespenster“, 2005 oder „Yella“, 2007) zugänglicher ausnimmt, vor allem aber durch die fein austarierte Figurenzeichnung. Wie bereits in Petzolds letztem Spielfilm „Jerichow“ (2008) steht eine – in den beiden Filmen von Nina Hoss dargestellte – Frau zwischen zwei Männern. Sowohl Drehbuchautor und Regisseur Christian Petzold als auch den Schauspielern gelingt es, dem Zuchauer diese Figuren plausibel zu machen, ohne jedoch ihre letzten Beweggründe bloßzulegen. So bleibt Andres Verhältnis zur Stasi bis zum Schluss unklar, genauso wie einige Charakterzüge Barbaras: Ist sie wirklich in Jörg verliebt, oder sieht sie in ihm lediglich die Chance zu ihrer „Republikflucht“? Zweideutig bleibt in dieser Beziehung etwa eine Szene, in der sie gemeinsam mit der jungen Steffi (Susanne Bormann), die durch eine Heirat mit einem Kollegen Jörgs in den Westen zu kommen hofft, in einem Quelle-Katalog blättert.

Im Gegensatz etwa zu Florian Henckel von Donnersmarcks „Das Leben der Anderen“ (2005) zielt Drehbuchautor und Regisseur Christian Petzold nicht primär auf die Darstellung der Verhältnisse in der DDR. Dazu führt Petzold selbst aus: „Es ging uns nicht darum, das Portrait eines Unterdrückerstaates zu filmen, Und dagegen dann die Liebe zu setzen, die unschuldige, reine, befreiende. Wir wollten keine Symbole. Man decodiert sie, und nichts bleibt übrig, nur das, was man schon zuvor gewusst hat.“ Bemühte sich Henckel von Donnersmarck bei seiner Darstellung des DDR-Alltags um eine „Grau in Grau“-Farbskala, so zeigt „Barbara“ kräftige Farben vom satten Grün der sommerlichen Bäume bis zu den roten Vorhängen in der Krankenhaus-Kantine. Dazu der Regisseur: „Irgendwie kommt die DDR in den Filmen der letzten Jahre ziemlich entsättigt daher. Keine Farben, kein Wind, es herrscht das Grau der Grenzübergänge.“ Zwar finden einige der in „Barbara“ behandelten moralischen Fragen in der DDR eine besondere Zuspitzung. Aber sie sind allgemeiner Natur. Die Grundthemen, um die Barbara kreist: Vertrauen, Fürsorge, Liebe, sind systemunabhängig, universell.
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