RUHM | Ruhm
Filmische Qualität:   
Regie: Isabel Kleefeld
Darsteller: Stefan Kurt, Julia Koschitz, Senta Berger, Justus von Dohnányi, Heino Ferch, Axel Ranisch, Gabriela Maria Schmeide
Land, Jahr: Deutschland / Österreich / Schweiz 2011
Laufzeit: 103 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 3/2012
Auf DVD: 10/2012


José García
Foto: NFP

Auf der Grundlage des Romans „Ruhm“ von Daniel Kehlmann, der sich rund eine halbe Million Mal verkaufte, verknüpft Drehbuchautorin und Regisseurin Isabel Kleefeld in ihrem gleichnamigen Film sechs Geschichten zu einem Episodenfilm: Nach dem Kauf eines Mobiltelefons bekommt der Elektroingenieur Joachim Ebling (Justus von Dohnányi) Anrufe, die einem anderen gelten. Dafür wird Filmstar Ralf Tanner (Heino Ferch) von einem Tag auf den nächsten nicht mehr angerufen. Der Schriftsteller Leo Richter (Stefan Kurt) macht eine Lesereise durch Südamerika in Begleitung seiner Freundin Elisabeth (Julia Koschitz), deren größter Albtraum es ist, in einer seiner Erzählungen vorzukommen. Der Internetblogger Mollwitt (Axel Ranisch) wünscht sich wiederum nichts sehnlicher, als einmal in einer von Richters Geschichten aufzutauchen. Krimiautorin Maria Rubinstein (Gabriela Maria Schmeide) erlebt eine albtraumhafte Odyssee, als sie für Leo Richter bei einer Rundreise durch den ehemaligen Ostblock einspringt. Die todkranke Rosalie (Senta Berger) sucht Erlösung bei einem Schweizer Sterbehilfeverein und mag sich doch vom Leben nicht trennen. Sechs Menschen, deren Geschichten sich auf unterschiedlichste Art immer wieder kreuzen.

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Interview mit Regisseurin Isabel Kleefeld und Hauptdarsteller Stefan Kurt

Was hat Sie an „Ruhm“ so gereizt, dass sie den Roman für Ihr Kinodebüt ausgewählt haben?

Isabel Kleefeld: Ich war auf Anhieb sehr begeistert von Daniel Kehlmanns „Ruhm“, auch weil die Ausgangsidee eine sehr Filmische ist, nämlich das Prinzip des Episodenfilms auf einen Roman zu übertragen. Daniel Kehlmann erzählt mit unterschiedlichen Perspektiven und Sprachstilen vermeintlich autarke Geschichten, die dann einen ganzen Mikrokosmos ergeben. Ich wollte diesen Versuch weiterführen, indem ich in meinem Ensemblefilm noch mehr komprimiere und noch mehr Verbindungen schaffe als schon vorhanden.

Handelt „Ruhm“ von Kommunikation oder auch von den Unterschieden zwischen Innen- und Außenansichten von Menschen?

Isabel Kleefeld: Der Roman handelt von der Angst, sich zu verlieren, zu verschwinden, sich zu entäußern, sich aufzulösen. „Ruhm“ handelt von der Sehnsucht, in einem anderen Leben zu Hause zu sein, wenn man es schon nicht im eigenen ist, aber auch von der Sehnsucht nach einem gelungenen Leben. Alle Figuren stehen unter dem Erfolgsdruck, etwas aus ihrem Leben zu machen. Sie bekommen eine Chance auf Veränderung, wobei diese nicht immer das gewünschte Ergebnis mit sich bringt.

Stefan Kurt: „Ruhm“ meint hier meines Erachtens die Aufmerksamkeit, die jeder Mensch braucht und haben möchte. Es geht um Gesehenwerden, um Anerkanntsein. Anerkanntwerden heißt auch geliebt werden, und da stehen wir fast schon am Schluss des Filmes, als Leo Richter seine Freundin wirklich so annimmt, wie sie ist, und nicht nur als Stichwortgeberin für Lisa Gaspard.

Geht es im „Ruhm“ also auch um Identitätssuche?

Stefan Kurt: Jeder möchte im eigenen Leben zu Hause sein, ist aber mit dem, was er hat, unzufrieden, und beklagt sich oft darüber. Das endet bei einigen sehr tragisch, so bei Maria Rubinstein, die ihre Identität verliert.

Isabel Kleefeld: Wir nutzen heute die neuen Technologien, etwa Handy oder Internet, nicht immer nur um zu kommunizieren, sondern um uns selbst zu vergegenwärtigen: „Ich simse, also bin ich“, „Ich habe tausend Freunde auf Facebook, also existiere ich“, dabei ist das eine moderne Form der Entäußerung und nicht der Selbstfindung. Heute haben wir kaum mehr Gelegenheit, uns zurückzuziehen, auf uns zu schauen, und zu fragen: „Wer bin ich, was macht meine Identität aus, was müsste mir abhandenkommen, damit ich nicht mehr ich bin? Mein Handy? Mein Internetzugang? Mein Personalausweis? Meine Sprache?“ Ich finde, der Film stellt auch den Zuschauer vor eine interessante Frage: „Wer bist Du, was macht Dich aus?“

Steht Leo Richter im Film mehr im Mittelpunkt als im Roman?

Isabel Kleefeld: Für mich stand beim Lesen des Romans fest, dass der Schriftsteller Leo Richter auch im Zentrum des Films stehen muss, da er schon in der Werkvorlage der Schöpfer einer der neun Geschichten ist, ihm zwei Geschichten gewidmet sind und auch, weil eine Figur aus einer anderen Geschichte, nämlich Maria Rubinstein, für ihn bei einer schicksalhaften Rundreise einspringt. Leo Richter ist sicherlich nicht das Alter Ego von Daniel Kehlmann, aber meiner Ansicht nach ist er so etwas wie ein Mittelsmann, der in „Ruhm“ mehr als nur die Figur Rosalie erfunden hat.

Stefan Kurt: Diese Figur bietet viele Möglichkeiten, so zum Beispiel auch die des „Films im Film“, als sich seine eigene Figur Rosalie an ihn wendet, um ihn zu bitten: „Lass mich leben“. Oder als er auf der eigenen Preisverleihung als Kritiker auftritt. Auch wenn ich mich gefragt habe, wie es mit Leo und seiner Freundin weitergeht, ob sie nach dem Film zusammenbleiben, hat Leo Richter schon eine Entwicklung gemacht – vom egoistischen Literatur-Aussauger, der alles nur benutzt, um seine Fantasie zu befruchten, zu jemandem, der den Blick nach außen richtet und seine Freundin als Partnerin annimmt.

Können Sie auch nachvollziehen, dass jemand eine Freundschaft als eine Art Steinbruch für eigene Werke benutzt?

Stefan Kurt: Ich denke, das passiert öfter als wir denken, wenn eine Partnerschaft auf einem Geben und Nehmen, auf einem Tauschgeschäft aufgebaut wird, das dann mit Liebe verwechselt wird. Beispielsweise, wenn jemand dem Partner Vertrauen, Selbstvertrauen schenkt und dafür in Ruhe gelassen werden möchte – und dann dies als Liebe ausgegeben wird.
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