MÜNCHEN 72 – DAS ATTENTAT | München 72 – Das Attentat
Filmische Qualität:   
Regie: Dror Zahavi
Darsteller: Bernadette Heerwagen, Felix Klare, Heino Ferch, Benjamin Sadler, Pasquale Aleardi, Sheri Jabarin, Stephan Grossmann, Rainer Bock, Christoph Zrenner
Land, Jahr: Deutschland 2011
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
Auf DVD: 3/2012


José García
Foto: ZDF

Es war ein Schock für die gesamte Bundesrepublik, ja für die ganze Welt. Die Olympischen Spiele 1972 sollten nach den Worten von Willi Daume, dem Präsidenten des Organisationskomitees, „Heitere Spiele“ werden. Genau 36 Jahren nach Berlin 36, als die Nationalsozialisten wie so vieles die ersten Olympischen Spiele auf deutschem Boden für ihre Ideologie pervertiert hatten, wollte sich Deutschland der Welt als ein Land vorstellen, in dem die Jugend der Welt friedlich miteinander leben kann. Doch in den Morgenstunden des 5. Septembers war es mit dem Frieden vorbei: Ein schwer bewaffnetes Kommando der palästinensischen Terrororganisation „Schwarzer September“ kletterte über den Zaun des Olympischen Dorfes und nahm elf Mitglieder der israelischen Delegation als Geiseln. Zwar erlebten Anfang der 1970er Jahre Terroristen von der IRA über die ETA und die Brigate Rosse bis zur RAF überall in Europa einen ersten Höhepunkt. Die Geiselnahme von München stellte jedoch in der Wahrnehmung der Sicherheitsbedrohung durch den Terrorismus eine entscheidende Zäsur dar.

Zum vierzigsten Jahrestag der Katastrophe von München, bei der alle elf israelischen Geiseln starben, strahlt das ZDF am Montag „München 72 – Das Attentat“ aus. Im Gegensatz etwa zu „Das Wunder von Mogadischu“ wurde für „München 72 – Das Attentat“ nicht das Dokudrama-, sondern das Spielfilm-Format ausgewählt. Regie führt der in Tel Aviv geborene und in Deutschland tätige Dror Zahavi nach einem Drehbuch von Martin Rauhaus. Dadurch wird der historische Hintergrund mit fiktiven Elementen verknüpft: Die kürzlich verstorbene Polizeibeamtin Anneliese Graes heißt denn auch im Spielfilm Anna Gerbers (Bernadette Heerwagen). Dass sie als erste Ansprechpartnerin der Geiselnehmer eine zentrale Figur in diesem Ensemblefilm darstellt, wird bereits in der ersten Szene von „München 72 – Das Attentat“ deutlich: Sie darf nach München zu den Tausenden aus der ganzen Bundesrepublik rekrutierten Polizeikräften gehören, die ohne Waffen, dafür aber in schicken blau-weißen Anzügen und Kostümen während der Spiele für die Sicherheit sorgen sollen. In München lernt sie den Hubschrauberpilot Michael Bruckner (Felix Klare) lernen und lieben. Durch dessen Familie sieht der Zuschauer den Verlauf der Spiele und der Geiselnahme mit den Augen „einfacher Menschen“.

Von den Opfern erhält lediglich der Fechttrainer André Spitzer (Pasquale Aleardi) ein deutliches Profil, wohl auch deshalb, weil sich seine Witwe Ankie Spitzer jahrelang um eine Entschuldigung der deutschen Sicherheitsvertreter bemühte. Unter den Geiselnehmern, dessen Vorbereitungen mit überdeutlich bedrohlicher Filmmusik verfolgt werden, ragt nur deren Anführer „Issa“ Lutif Affif (Sheri Jabarin) heraus. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die deutschen Verantwortlichen: Münchens Polizeipräsident, der allerdings nicht Manfred Schreiber, sondern fiktiv Dieter Waldner (Heino Ferch) heißt, der Olympiadorf-Bürgermeister Walter Tröger (Christoph Zrenner), der Bayerische Innenminister Bruno Merk (Rainer Bock) sowie der damalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (Stephan Grossmann). Denn „München 72 – Das Attentat“ konzentriert sich auf die entscheidende Frage, ob das Leben der elf Geiseln hätte gerettet werden können.

Ohne darauf eine eindeutige Antwort zu geben, zeigt Regisseur Dror Zahavi immer wieder Indizien auf, die auf eine Überforderung der Sicherheitsverantwortlichen hindeuten. Etwa in einer frühen Szene, bei der der Münchener Polizeipräsident einen Psychologen lächerlich macht, der auf ein möglichen Geiselnahme-Szenario hinweisen wollte, oder noch eindeutiger beim „Probegang“ in der Tiefgarage des Hauses in der Connollystraße, in dem die Geiseln festgehalten wurden: Der Krisenstab hatte sich dafür entschieden, dort, wo Geiselnehmer und Geiseln in einen Bus steigen sollten, den Zugriff zu wagen. Wie dilettantisch dieser vorbereitet war, verdeutlich eben dieser Probegang: Als Terroristenanführer Issa darauf besteht, den Ort sofort zu besichtigen, ruft der Polizeichef den dort postierten Scharfschützen laut zu: „Nicht schießen! Das ist ein Probegang!“, wodurch Issa sofort die Falle erkennt.

Bei all den Pannen, die in München passierten, hält der Spielfilm fairerweise daran fest, dass die Bundesrepublik – wohl wie jedes andere europäische Land – zu diesem Zeitpunkt auf einen solchen Anschlag schlechthin unvorbereitet war. Deshalb räumt Dror Zahavis Film einer Figur einen breiten Raum ein: Genschers damaligem Adjutanten und späterem General Ulrich K. Wegener (Benjamin Sadler), der immer wieder auf die Sicherheitsdefizite der Polizei hinweist. Dass am Ende von „München 72 – Das Attentat“ die Gründung der Grenzschutzgruppe GSG 9 im September 1972 unter Wegeners Kommando als Reaktion auf das Olympia-Attentat sowie der Hinweis auf die Befreiungsaktion der „Landshut“ in Mogadischu im Oktober 1977 steht, stellt nicht nur den Versuch dar, der Tragödie von München eine Art „Happy End“ zuzuschreiben. Die GSG 9-Gründung wird als konsequente Folge des Desasters von Fürstenfeldbruck ausgelegt.
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