THE LADY – EIN GETEILTES HERZ | The Lady
Filmische Qualität:   
Regie: Luc Besson
Darsteller: Michelle Yeoh, David Thewlis, Jonathan Raggett, Jonathan Woodhouse, Susan Wooldridge, Benedict Wong, Htun Lin, Agga Poechit
Land, Jahr: Frankreich / Großbritannien 2011
Laufzeit: 127 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 4/2012
Auf DVD: 7/2012


José García
Foto: Universum

Bei der birmanischen Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi drängt sich der Vergleich mit Nelson Mandela geradezu auf. Verbrachte der südafrikanische Anti-Aparheid-Kämpfer 27 Jahre in Haft, so stand Aung San Suu Kyi insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest, ehe die Militärregierung Myanmars sie am 13. November 2010 entließ. Suu Kyi wurde mit dem Friedensnobelpreis im Jahre 1991 ausgezeichnet. Zwei Jahre später erhielt ihn „Madiba“ Nelson Mandela. Ob sich die Parallelen fortsetzen, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen: Mandela wurde 1994 der erste schwarze Präsident Südafrikas. Die inzwischen 66-jährige Aung San Suu Kyi wird nach der Wahl am vergangenen Sonntag wohl ins Parlament von Myanmar einziehen. Setze Clint Eastwood vor drei Jahren Mandela mit „Invictus – Unbezwungen“ (siehe Filmarchiv) ein filmisches Denkmal, so hat nun der französische Regisseur Luc Besson Suu Kyis Leben in „The Lady“ verfilmt.

Nach den märchenhaften Bildern, mit denen Aung San seiner kleinen Tochter Suu Kyi Birmas Geschichte illustriert, fährt der Held der birmanischen Unabhängigkeit von Großbritannien zur Kabinettssitzung nach Rangun. Es ist der 19. Juli 1947, als im Auftrag einer Militärjunta Soldaten ein Blutbad ausrichten, dem auch Aung San zum Opfer fällt. Nach einem Schnitt springt der Film ins Jahr 1998, wo in Oxford Michael Aris (David Thewlis) die Nachricht erhält, er sei an Krebs erkrankt und habe nichts mehr lange zu leben. Der Zuschauer erfährt, dass er seine Frau seit drei Jahren nicht mehr hat besuchen dürfen. Nach einem weiteren Schnitt zurück ins Jahr 1988 beginnt die eigentliche Haupthandlung von „The Lady – Ein geteiltes Herz“. Aung San Suu Kyi (Michelle Yeoh) lebt mit ihrem Ehemann, dem britischen Tibetforscher Michael Aris, und den beiden Söhnen glücklich in Oxford, als ihre Mutter schwer erkrankt. Sie reist in ihr Heimatland, um der Mutter beizustehen, was von der Militärregierung argwöhnisch beobachtet wird. Bald darauf wird es deutlich, warum: Bei der brutalen Niederschlagung der friedlichen Studentenproteste durch schwer bewaffnete Soldaten, die Suu Kyi miterlebt, tragen die Demonstranten Bilder ihres als Volkshelden verehrten Vaters Aung San. Regimekritiker bitten Suu Kyi, den Vorsitz der neu gegründeten Partei für ein demokratisches Birma zu übernehmen. Trotz Drohungen und Gewalt gegen sich und ihre Anhänger führt Suu Kyi einen unermüdlichen Wahlkampf. Obwohl sie die Wahl gewinnt, erkennen die Militärs den Sieg nicht an und stellen Suu Kyi unter Hausarrest. Der Kontakt zu ihrem geliebten Mann und den Kindern ist schlagartig auf ein Minimum beschränkt, bald wird er komplett verboten. In England versucht Michael Aris Suu Kyis Friedensbemühungen voranzutreiben und auf das Schicksal seiner Frau und ihres Heimatlandes aufmerksam zu machen, was zur Verleihung des Friedensnobelpreises 1991 führt. Nach Michaels Erkrankung steht Suu Kyi vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Sollte sie nach England ausreisen, dürfte sie nie wieder nach Birma zurück.

Trotz des Pathos, mit dem Luc Besson einige Szenen inszeniert – etwa beim von der anschwellenden Musik Eric Serras begleiteten ersten öffentlichen Auftritt Suu Kyis oder bei der Gegenüberstellung der zierlichen Frau mit Gewehr im Anschlag tragenden Soldaten – überzeugt „The Lady – Ein geteiltes Herz“ insbesondere durch das zurückgenommene Spiel von Michelle Yeoh und David Thewlis: Über die verblüffende Ähnlichkeit der malaysischen Schauspielerin mit der echten Aung San Suu Kyi hinaus gelingt es Michelle Yeoh, das Charisma der Freiheitskämpferin zu verkörpern.

„The Lady – Ein geteiltes Herz“ ist indes mehr als eine Filmbiografie. Denn in seinem Film zeigt Luc Bessons Film eine bewegende Liebesgeschichte, die mit den süßlich-romantischen „Love Stories“ des Hollywoodkinos kaum etwas gemeinsam hat. Denn die wenigsten Filme handeln von einer jahrzehntelang anhaltenden Treue – von löblichen Ausnahmen wie Mike Leighs „Another Year“ (siehe Filmarchiv) einmal abgesehen. Deshalb konzentriert sich Drehbuchautor und Regisseur nicht allein auf Aung San Suu Kyi, sondern zeigt parallel die Bemühungen ihres Mannes Michael Aris, sein eigenes Leben dem Lebenswerk seiner Frau unterzuordnen. David Thewlis verleiht Michael Aris freilich Entschlossenheit und Charakterfestigkeit, die jeder Unterwürfigkeit entgegensteht. Der politische Kampf um das Wohl ihres Volkes verlangt das Opfer des privaten Glücks nicht nur von Suu Kyi, sondern auch von Michael ab, der zuletzt sogar auf dem Sterbebett auf die Anwesenheit seiner Frau verzichten muss – und es auch ganz bewusst tut. Weil die echte Suu Kyi in Birma so etwas wie einen Heiligenstatus genießt und sein Film noch zu einer Art „Heiligsprechung“ der Friedensnobelpreisträgerin beitragen könnte, lässt Luc Besson Suu Kyi einen bemerkenswerten Satz sprechen: „Eine Heilige ist eine Sünderin, die sich weiterhin anstrengt.“ Dennoch: Mit „The Lady – Ein geteiltes Herz“ liefert Luc Besson eine ergreifende Hommage an die Friedensnobelpreisträgerin.
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