WORK HARD – PLAY HARD | Work Hard – Play Hard
Filmische Qualität:   
Regie: Carmen Losman
Darsteller:
Land, Jahr: Deutschland 2011
Laufzeit: 94 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2012
Auf DVD: 10/2012


José García
Foto: Film Kino Text

In einer kürzlich erschienenen Pressemitteilung führte der für Büro- und Objektgestaltung zuständige Bundesverband zu den Veränderungen in der heutigen Arbeitswelt aus: „Die knapper werdende ‚Ressource Mensch’ soll möglichst produktiv eingesetzt und gleichzeitig wieder stärker an die Unternehmen gebunden werden. Denn der ‚Kampf um die besten Köpfe’, von dem wir in den vergangenen Jahren gesprochen haben, hat vielerorts schon längst begonnen. Und während die Mitgliederzahlen in digitalen Netzwerken und Communities beständig steigen, nimmt die Bereitschaft, sich dauerhaft zu binden, ab. Arbeitgeber sind in dieser Situation gefordert, Gemeinschaften neu zu definieren und mit Leben zu füllen.“ In der Objektgestaltung beschäftige die Hersteller insbesondere die Frage, wie Mitarbeiter und externe Partner, die nicht permanent im Bürogebäude präsent seien, in die täglichen Arbeitsabläufe integriert werden könnten. Darüber hinaus spiele eine wichtige Rolle, welche „funktionalen und emotionalen Qualitäten“ Räumlichkeit haben müssten, damit sie zur „zentralen Plattform für den Kontakt zwischen den Mitarbeitern und dem Arbeitgeber“ werden. Wie dies im Einzelnen aussehen kann, verdeutlicht der mit dem FIPRESCI Preis der internationalen Filmkritik sowie mit dem Preis der ökumenischen Jury beim Dokumentarfilmfestival DOK Leipzig 2011 ausgezeichnete Dokumentarfilm „Work Hard – Play Hard“ von Carmen Losmann.

Aus drei Perspektiven beleuchtet Carmen Losmanns Film, wie die „Ressource Mensch“ bereits heute möglichst effizient eingesetzt wird. In einem ersten Teil geht es um die Architektur und die Gestaltung postindustrieller Arbeitswelten, in denen die Mitarbeiter nicht an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden sind – von „non-territorialen Office Spaces“ ist dabei die Rede. Denn mithilfe mobiler Informationstechnologie können sie sich überall und jederzeit in den Arbeitsprozess einloggen. Wenn sie denn in das Firmenbüro kommen, dann müssen sie schon einen „Arbeitsplatz buchen“. Ein Manager erklärt, wie es geht: „Dabei kann ich zwischen sieben Arbeitsplatztypen, die wir entwickelt haben, auswählen. Nämlich je nach Art der Arbeit, was der Mitarbeiter tun möchte, kann er zwischen einem sogenannten einfachen ‚Touchdown’, wo er sagt, ich möchte ganz schnell ein paar Emails kontrollieren, ein paar Antworten schreiben, bis hin zu einem geschlossenen Arbeitsraum, einem sogenannten ‚Enclosed office’ buchen.“ Als Beispiele für die „schöne, neue Arbeitswelt“ stellt Carmen Losmans Film die Firmenzentralen von Unilever in der neuen Hamburger HafenCity und die deutsche Zentrale der globalen Consulting-Firma Accenture in Kronberg bei Frankfurt vor. Sie sollen nicht wie eine Firma, sondern eher wie Wohnräume oder schicke Cafés aussehen. Bereits in der ersten Szene von „Work Hard – Play Hard“ hatte bei einem Einstellungsgespräch auf die Frage, was für ihn Arbeit bedeute, der Kandidat geantwortet: „Arbeit bedeutet für mich Freude. Ich arbeite gerne und ich habe auch gerne Erfolg in meinem Beruf.“ Die Wohlfühlatmosphäre soll sich auf die Motivation und infolgedessen auf die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter auswirken.

Ein zweiter Bereich besteht in der Angestellten-Evaluation durch externe Assessment Management Firmen. „Work Hard – Play Hard“ zeigt sowohl Teile solcher Gespräche als auch ausgefallene Techniken der Mitarbeiterführung etwa in einem Survival-Camp im Tagungszentrum Ellernhof. Dazu kommt als dritte Säule des Dokumentarfilmes die Mitarbeiter-Kontrolle. So wird eine Software vorgestellt, mit der eine „Potenzialanalyse“ eines jeden Mitarbeiters erstellt wird. Dazu führt ein Personalchef aus: „Sie als Personaler sagen: Ok, wo sind jetzt meine Leute? Nicht nur die Guten, sondern auch die, die unser Bauch sind, die unsere Work Force steigern. Und was ist mit denen, die gerade nicht so performen. Was machen wir mit denen? Das man sich diesen Daten eben stellen kann.“

Bereits aus diesen Zitaten wird deutlich, dass im modernen „Human Ressource Management“ eine aus lauter englischen, für Außenstehende eigentümlich geschwollen Ausdrücken bestehende, eigene Sprache genutzt wird. Verbunden etwa mit einer „Neujahrsansprache“ eines Konzernchefs an seine Mitarbeiter wirkt solche Selbstbezüglichkeit gar sektenhaft. Dass die Mitarbeiter eine andere Familie als die Firma haben könnten, erscheint schier unmöglich.

„Work Hard – Play Hard“ setzt keine Off-Stimme und außerdem kaum Musik ein. Carmen Losmann lässt die Akteure sprechen und handeln, wobei deren Körpersprache ähnlich viel aussagt wie deren eigenartige Redewendungen. Indem sich die Regisseurin jeglicher Kommentare enthält, entwickeln die Bildeinstellungen eine eigene kritisch-ironische Sicht. „Work Hard – Play Hard“ entlarvt denn auch die Maßnahmen zum Wohlfüllen der Mitarbeiter nicht nur als bloße Strategie zur Produktivitätssteigerung und Gewinnmaximierung. Darüber hinaus entfacht Losmanns Film eine beunruhigende, an Kafka, Huxley und Orwell erinnernde Stimmung.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren