KÖNIGIN UND DER LEIBARZT, DIE | En Kongelig Affære
Filmische Qualität:   
Regie: Nikolaj Arcel
Darsteller: Mads Mikkelsen, Alicia Vikander, Mikkel Følsgaard, David Dencik, Trine Dyrholm, Cyron Bjørn Melville
Land, Jahr: Dänemark/ Deutschland 2012
Laufzeit: 133 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X, U
im Kino: 4/2012
Auf DVD: 11/2012


José García
Foto: MFA +

Im Unterschied zu den meisten europäischen Ländern wurde das Heilige Römische Reich Deutscher Nation bis zu dessen Auflösung 1806 nie ein einheitlicher Staat. Die sich in eine Vielzahl Territorien unterschiedlichster Größe aufteilende Kleinstaaterei, deren Darstellung auf der Landkarte einem Flickenteppich gleicht, führte unter anderem dazu, dass Personalunionen zwischen einem Reichsterritorium und einem außerhalb des Reiches stehenden Staat entstanden. Prominentes Beispiel dafür ist die unter dem Namen Sachsen-Polen bekannte Personalunion zwischen dem Kurfürstentum Sachsen und Polen-Litauen ab 1697 unter August „dem Starken“. Ähnlich blieb das Herzogtum Holstein zwar Bestandteil des Alten Reiches, wurde aber ab 1460 in Personalunion vom dänischen König regiert. Zum Herzogtum Holstein gehörte (noch bis 1937) ebenfalls die Stadt Altona. So verwundert es nicht, dass der 19-jährige dänische König Christian VII. auf seiner einjährigen Europareise 1768 dem deutschen Arzt Johann Friedrich Struensee (1737–1772) in Altona begegnete. Struensee wurde an den dänischen Hof nach Kopenhagen berufen, wo er in kürzester Zeit als alleiniger Vertrauter Christians VII. den gesamten dänischen Staat im Sinne der Aufklärung zu reformieren suchte und außerdem Geliebter der Königin Caroline Mathilde wurde. Sowohl seine fortschrittlichen Ideen als auch die Affäre mit der Königsgattin führten schließlich zu einem Prozess, bei dem Struensee am 25. April 1772 zum Tode verurteilt und vier Tage später hingerichtet wurde.

Struensees Jahre am dänischen Hof beschäftigten seit dem 19. Jahrhundert Schriftsteller, Theaterautoren und auch Filmemacher. Nun hat der dänische Regisseur Nikolaj Arcel nach einem zusammen mit Rasmus Heisterberg selbst verfassten Drehbuch den Stoff erneut zu einem Spielfilm verarbeitet: „Die Königin und der Leibarzt“ nahm am Wettbewerb der diesjährigen Berlinale teil und gewann zwei Silberne Bären sowohl für das Beste Drehbuch als auch für den Besten Darsteller (Mikkel Boe Følsgaard).

„Die Königin und der Leibarzt“ beginnt mit einem Brief, den die verstoßene Königin Caroline Mathilde kurz vor ihrem Tod 1775 im Schloss Celle an ihre Kinder schreibt, so dass Nikolaj Arcels Film die Geschichte um die Dreiecksbeziehung in Rückblenden und teilweise aus der Sicht von Caroline Mathilde (Alicia Vikander) erzählt. Nach der kurzen Einführung springt deshalb die Handlung neun Jahre zurück, als sie 1766 Großbritannien verlässt, um als 15-Jährige ihren um zwei Jahre älteren Cousin, den dänischen König Christian VII. (Mikkel Boe Følsgaard) zu heiraten. Wenige Pinselstriche genügen den Filmemachern, um die Entwurzelung und Einsamkeit der jungen Königin sowie den labilen, an Schwachsinn grenzenden Charakter des Königs in Szene zu setzen. Christian unterbindet die musische Begabung seiner Frau. Die intellektuell unterforderte Caroline Mathilde vereinsamt am Hof, während sich der König in zwielichtigen Etablissements amüsiert.

Aus der Isolation tritt die Königin erst heraus, als zusammen mit Christian nach dessen Europareise der deutsche Arzt Johann Friedrich Struensee (Mads Mikkelsen) nach Kopenhagen kommt. Die gemeinsame Vorliebe für die von Voltaire beeinflusste, am dänischen Hof verbotene Literatur schafft eine erste Bindung zwischen der Königin und Struensee. Deren Vertrauen gewinnt der deutsche Arzt endgültig, als er Caroline Mathildes dreijährigen Sohn, den Kronprinzen Friedrich, gegen die Pocken impft. Wes Geistes Kind Struensee ist, zeigt etwa seine Reaktion nach der Heilung des Prinzen. Auf den Ausruf einer Kammerzofe „Dank sei Gott“, antwortet der Aufklärer: „Gott hat damit nichts zu tun“. Die Gespräche zwischen der Königin und dem Leibarzt kreisen denn auch um den „von der Angst vor göttlicher Strafe freien Menschen.“ Struensee und Caroline Mathilde beginnen nicht nur eine Affäre, der eine Tochter entstammt. Gemeinsam üben sie auch politischen Einfluss auf den König. Der deutsche Arzt wird vom dänischen König vom Berater zum Regenten befördert und beginnt, seine von der Aufklärung inspirierten Reformen durchzusetzen – bis sich seine Gegner am Hof neu formieren und das Verhältnis zwischen der Königin und dem Leibarzt aufdecken.

Die Mischung aus Liebesfilm und politischer Tragödie wird von den Idealen der Französischen Revolution geprägt. Dies verdeutlicht bereits eine Texttafel zu Beginn von „Die Königin und der Leibarzt“. Dazu führt Regisseur Nikolaj Arcel aus: „Heute, in Zeiten von intellektueller Intoleranz und von Fundamentalismus“, sei sein Film „auch eine Hommage an die Gedanken der Aufklärung, die Gedanken von Männern wie Voltaire und Struensee“. Diese teilweise aufdringliche Idealisierung der Aufklärung in ihrem Kampf gegen den Einfluss des Adels und der Kirche schmälert jedoch den Wert eines insgesamt gut gespielten und gut inszenierten Films.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren