CHRONICLE – WOZU BIST DU FÄHIG? | Chronicle
Filmische Qualität:   
Regie: Josh Trank
Darsteller: Michael B. Jordan, Alex Russell, Dane DeHaan, Michael Kelly, Ashley Hinshaw, Anna Wood, Joe Vaz, Luke Tyler, Matthew Dylan Roberts
Land, Jahr: Großbritannien / USA 2012
Laufzeit: 84 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 4/2012
Auf DVD: 7/2012


José García
Foto: 20th Century Fox

Über Menschen mit paranormalen, telekinetischen Fähigkeiten wurden in den siebziger und achtziger Jahren eine Reihe Spielfilme gedreht – das Spektrum reicht vom Horror-Krimi „Der Schrecken der Medusa“ (Jack Hold 1978, mit Richard Burton und Lino Ventura) bis zur Highschool-Klamotte „Der Typ mit dem irren Blick“ (Robert J. Rosenthal, 1982). Obwohl dieses Subgenre mit dem „Superhelden-Film“ einiges gemeinsam hat, besteht der Unterschied darin, dass ein „Superheld“ seine übermenschlichen Fähigkeiten in den Dienst der Menschen stellt. Nicht von ungefähr heißt es im zweiten Spiderman-Film nahezu als Motto „Mit großer Macht kommt große Verantwortung“.

Von Verantwortung ist bei den Jugendlichen, die in Josh Tranks nun im Kino anlaufendem Spielfilm „Chronicle – Wozu bist Du fähig?“ nach der Begegnung mit irgendetwas Außerirdischem in einer geheimnisvollen Höhle telekinetische Fähigkeiten erhalten, allerdings kaum zu spüren. Andrew (Dane DeHaan), Steve (Michael B. Jordan) und Matt (Alex Russell) setzen die Superkräfte zunächst einmal zum Spielen ein, etwa um ein parkendes Auto weiter zu bewegen und sich dann über die Reaktion der verblüfften Besitzerin diebisch zu amüsieren. Auf den naheliegenden Gedanken, diese neuen Fähigkeiten für irgendetwas Sinnvolles zu nutzen, kommen sie nicht. Aus dem übermütigen Spaß wird indes schlagartig bitterer Ernst, als Andrew seinen Aggressionen freien Lauf lässt und daraufhin ein immer gefährlicher werdender Machtkampf zwischen den drei Jungen entsteht. Zeichnet der Film Steve als allseits beliebter Football-Star der Schule und Matt als mit Philosophenzitaten seine Unsicherheit kaschierender, aber im Grunde liebenswerter Junge, der sich um seinen Cousin Andrew rührend kümmert, so ist Andrew von Anfang an der Außenseiter, der in der Schule gehänselt wird und sich deshalb abkapselt. Als wäre dies nicht genug, stellen ihm Regisseur Josh Trank und Drehbuchautor Max Landis eine sterbenskranke Mutter und einen gewalttätigen Vater zur Seite. Deshalb vertraut er seine Frustration einer kleinen Videokamera an, mit der er seinen Alltag dokumentiert.

„Chronicle – Wozu bist Du fähig?“ setzt Andrews Filmdokumentation als ästhetisches Mittel ein. In der Tradition von Pseudodokumentationen wie „The Blair Witch Project“ (1999) täuscht der Film vor, lediglich das von Andrew gefilmte Material wiederzugeben. Schon das erste Bild gibt dieses Konzept wieder: Nach kaum erkennbaren Geräuschen auf der schwarzen Leinwand taucht eine Amateurkamera im Spiegel auf, mit der sich Andrew selbst filmt. Später ist Andrew, ob in der Schule oder auf einer Party, stets mit der Kamera unterwegs. Mit diesem Filmmaterial verknüpft Regisseur Josh Trank weitere Aufnahmen, etwa die der Videobloggerin Casey oder von Überwachungskameras beispielsweise in einem Krankenhaus. Für die Filmdramaturgie bedeutet dieses Konzept eine größere Freiheit in Sachen sprunghaftes, elliptisches Erzählen. Schließlich kann Andrew seine Kamera in jedem Augenblick aus- und zu einem beliebigen Zeitpunkt später wieder einschalten. Das Prinzip der dokumentierten „Chronik“ passt denn auch zur Zielgruppen-Generation, die es als selbstverständlich erachtet, ihr Leben auf Facebook, Twitter und YouTube nahezu lückenlos zu dokumentieren.

Der 25-jährige Regisseur Josh Trank setzt allerdings in seinem Spielfilmdebüt zunehmend auf Action. Obwohl er dies handwerklich durchaus gut tut, wie übrigens im gesamten Film auch, um mit einem verhältnismäßig bescheidenen Budget halb Seattle in die Luft fliegen zu lassen, hinterlässt die sich bei einer Gesamt-Filmlänge von nur 84 Minuten viel zu sehr in die Länge ziehende Materialschlacht einen schalen Beigeschmack. Denn diese Überhandnahme der reinen Action wirkt wie ein Vorwand, um sich nicht um die Charakterentwicklung kümmern zu müssen. Obwohl der unbekannte Schauspieler Dane DeHaan Andrews anfänglichen Frust und den späteren Spaß an den neuen Fähigkeiten durchaus glaubwürdig verkörpert, hat er gegen lauter Klischees anzukämpfen, so dass seine Wandlung vom Außenseiter zum Super-Bösewicht mit jeder solchen Figur in einem Superheldenfilm völlig austauschbar bleibt. Vielleicht liegt es daran, dass der Regisseur bislang lediglich bei einigen Folgen einer TV-Serie Regie und der Drehbuchautor bisher nur Skripte für Kurzfilme verfasst hatte. Jedenfalls taugt die Geschichte um die drei Jugendlichen, die unverhofft zu Superkräften kommen und damit nichts anzufangen wissen, kaum zu einem abendfüllenden Film. Dass sie anders hätte gestaltet werden können, verdeutlichen etwa die Spider Man-Filme, die trotz aller Rasanz der Actionszenen ihren Schwerpunkt auf dem inneren Konflikt des zwischen seinen hohen Aufgaben und dem Wunsch nach Normalität hin- und hergerissenen Helden sowie auf seinen Kampf gegen die eigenen schlechten Neigungen legen.
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