KILL ME PLEASE | Kill Me Please
Filmische Qualität:   
Regie: Olias Barco
Darsteller: Aurélien Recoing, Virgile Bramly, Daniel Cohen, Virginie Efira, Bouli Lanners, Saul Rubinek, Zazie de Paris, Clara Cleymans, Philippe Nahon
Land, Jahr: Frankreich / Belgien 2010
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G +, X
im Kino: 5/2012
Auf DVD: 10/2012


José García
Foto: Neue Visionen

Aktive Sterbehilfe beschäftigt weiterhin die Kinowelt. Nachdem in Isabel Kleefelds Adaption des gleichnamigen Romans von Daniel Kehlmann „Ruhm“ (siehe Filmarchiv) eine todkranke ältere Frau Erlösung bei einem Schweizer Sterbehilfeverein suchte, und sich letztendlich vom Leben doch nicht trennen wollte, steht im Mittelpunkt des nun anlaufenden Spielfilmes von Olias Barco eine fiktive Sterbehilfe-Einrichtung im Mittelpunkt. Eine schlossartige Villa mitten im Wald beherbergt Dr. Krugers (Aurelien Recoing) „Klinik“, die allerdings den Namen kaum verdient. Denn hier wird kein Leiden geheilt. Einzige Leistung von Dr. Krugers Institut: der medizinisch assistierte Selbstmord.

Wer in die noble Herberge einziehen darf, entscheidet Dr. Kruger anhand von Video- Bewerbungen. An „Patienten“ mangelt es offenbar nicht. Obwohl das Ausleseverfahren deshalb streng angewandt wird, schafft es hin und wieder jemand aufgenommen zu werden, der die Bedingungen nicht erfüllt. So etwa der kettenrauchende und trinkende Filmregisseur Demanet (Benoit Poelvoorde), der angeblich an Krebs unheilbar erkrankt sei. Als es sich herausstellt, dass er nicht an Krebs sondern an einer Depression nach der Trennung von seiner Frau leidet, bittet ihn der Arzt, die Entscheidung zu überdenken. Doch Monsieur Demanet denkt nicht daran und führt die Selbsttötung in eigener Regie aus. Der Anstaltleiter zeigt sich entsetzt. Solch barbarische Akte seien seiner Anstalt fremd, die „dem Suizid Eleganz geben“ und ihn human gestalten möchte. Dass es am Ende noch barbarischer kommen wird, kann der Zuschauer jedoch zunächst nur erahnen.

Denn zuerst nimmt die „Klinik“ ihren gewohnten Gang wieder auf. Da wird einem älteren Herrn sein letzter Wunsch erfüllt: der Besuch einer Prostituierten, ehe er am von Dr. Kruger verabreichten Gift stirbt. Weitere „Patienten“ warten auf ihre „Erlösung“, etwa Virgile (Virgile Bramly), der bereits als Siebenjähriger Selbstmord begehen wollte, M. Vidale (Bouli Lanners), der seine Frau wortwörtlich beim Poker verlor, sowie der Kanadier M. Markus (Saul Rubinek), der seiner Frau seinen Sterbewunsch verheimlicht. Zum Leidwesen des Anstaltsleiters gesellt sich dazu die Finanzbeamtin Evard (Virginie Efira), die wirtschaftliche Unregelmäßigkeiten wittert, weil auffällig viele Patienten dem Doktor alles hinterlassen haben. Ist Dr. Kruger nicht der selbsternannte Idealist, der mit Sprüchen wie „Selbstmord wird eines Tages ein Menschenrecht sein“ einfach Menschen helfen möchte? Die Klinik-Ordnung wird alsbald von äußeren Ereignissen gestört, als zunächst einmal im Schloss ein Feuer ausbricht und dann bei einem Waldspaziergang Frau Evard erschossen wird. Die Dorfbewohner, denen die Klinik schon lange ein Dorn im Auge war, rotten sich zusammen, um Jagd auf die Klinikbewohner zu machen.

Die schwarzweißen Bilder mildern das reichlich fließende Blut, verleihen darüber hinaus der Schnee- und Waldlandschaft etwas Unwirkliches. Zusammen mit der teilweise verwackelten Handkamera von Frédéric Noirhomme schaffen sie eine ironische Distanz, die mit der schwarzen Satire korrespondiert. Die Situation wird immer absurder, was mit einem reichlich skurrilen Humor betont wird. Als etwa der Brand die Lebensmittelvorräte des Schlosses zerstört, rufen dessen sterbenswillige Insassen: „Wir sterben vor Hunger“. Regisseur Olias Barco dreht an der Groteske immer weiter, so etwa als M. Vidal eine zum Anstaltspersonal gehörende Krankenschwester in einen Sarg einschließt, ehe er selbst von der von Stimmproblemen geplagten, transsexuellen Operndiva Zaza (Zazie de Paris), die beim Singen der französischen Nationalhymne sterben will, mit ihrem Schal erdrosselt wird.

Über die groteske Satire hinaus liefert „Kill Me Please“ einen Kommentar zur heutigen Diskussion um die aktive Sterbehilfe beziehungsweise um den medizinisch assistierten Selbstmord. Dazu führt Regisseur Olias Barco aus: „Es ist eine schwarze Komödie über den Weg, wie unsere Gesellschaft mit dem Tod umgeht und vor allem mit dem Tod der Anderen.“ Der Film führt eigentlich alle hehren Ziele vom humanen oder selbstbestimmten Sterben ad absurdum. Einerseits kommen nicht nur die handfesten finanziellen Vorteile, die Dr. Kruger durch die Testamente der Sterbewilligen erzielt, sondern auch der wirtschaftliche Schaden, der durch die verloren gegangene Produktivität der Selbstmörder jährlich der Volkswirtschaft entsteht, zur Sprache. Dadurch, dass am Ende jeder gegen jeden kämpft und der Arzt sich zu einer verzweifelten Tat genötigt fühlt, kann das Experiment „humane Sterbehilfe“ für gescheitert erklärt werden. Regisseur Olias Barco geht aber noch einen Schritt weiter, als er eine Patientin nach dem verheerenden Brand ausrufen lässt: „Ich habe verstanden, was für ein Glück, dass ich lebe.“ Konnte bereits bei heutigen Filmemachern gegenüber der aktiven Sterbehilfe eine kritischere Haltung als vor einigen Jahren festgestellt werden, so fügt die schwarze Komödie „Kill Me Please“ eine neue Variante hinzu, die allerdings wegen der expliziten Gewaltdarstellungen nichts für schwache Nerven ist.
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