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José García Foto: Realfiction ![]() Die Kamera fährt an ärmlichen Behausungen entlang. In der kurdischen Kleinstadt Nuseybin im Osten der Türkei lebt 1980 der zwölfjährige Cengo (Abdullah Ado) in beengten Verhältnissen. Die sehr gedämpften Farben weisen auf ein Leben grau in grau. Eine junge Frau, die seine Mutter oder auch die ältere Schwester sein kann, weckt ihn. Cengos Tagewerk besteht darin, auf den Märkten und in den Straßencafés Kaugummi zu verkaufen. Dort trifft er auf gleichaltrige Kinder, die ebenfalls Geld zu verdienen versuchen. Neugierig betrachtet Cengo eines Tages den stummen, offensichtlich verwirrten Xelilo (Selamo), der im zwanghaften Hin und Her durch die Straßen schlurft. Cengo folgt ihm: Der Alte schläft in einem verlassenen Laden. Sein Bruder und seine Schwägerin möchten herausfinden, was ihn antreibt (Es beschäftigt uns schon ein Leben lang). Sie versuchen erfolglos, ihn zu Ärzten oder Heilern zu schleppen. Den Zugang zum autistisch anmutenden Xelilo finden sie jedoch nicht. Dies gelingt erst Cengo mit seiner naiven, kindlichen Art. Unter der deutschen Eisenbahnbrücke verbringen sie unbeschwerte Stunden zusammen mit den anderen Dorfkindern. Irgendwann einmal deutet eine Schießerei darauf hin, dass das türkische Militär die Macht übernimmt. Als über die Stadt eine Ausgangssperre verhängt wird, gerät Xelilos und das Leben der anderen Kurden in Gefahr. In wenigen Episoden verdeutlicht Regisseur Shiar Abdi die Machtlosigkeit der kurdischen Bevölkerung, so etwa als ein türkischer Offizier von Cengos Vater verlangt, dass dieser sein Haus weiß anstreicht, obwohl er kein Geld für die Farbe besitzt. Hinzu kommen die Verständigungsschwierigkeiten: Cengos Vater versteht den türkischsprechenden Offizier kaum, der darauf pocht: Hier wird nur Türkisch gesprochen. Obwohl die Ratlosigkeit der Kurden gegenüber der Militärmacht unmissverständlich zum Ausdruck kommt, hält der Film die Dramatik in Grenzen dank auch der zurückgenommenen, aber dennoch eindrücklichen Filmmusik. Weil in Meş Lauf! die Sprachlosigkeit durch den stummen Xelilo einerseits, durch das Verbot der kurdischen Sprache andererseits, doppelt gebrochen erscheint, beschränkt sich Regisseur Abdi auf wenige Dialoge. Er setzt vielmehr auf die Kraft der Mimik seiner Schauspieler. Allerdings bleibt wegen der wenigen Informationen Einiges lange im Dunkeln, etwa die Verhältnisse innerhalb von Cengos Familie, die sich dem Zuschauer erst spät erschließen. Darüber hinaus kann die Dramaturgie des Filmes deshalb als schleppend bezeichnet werden, weil über weite Strecken die Aneinanderreihung von Episoden keinen stimmigen Handlungsaufbau zulassen. Deshalb vermögen die ohne Zweifel dramatischen Ereignisse, die Meş Lauf! beschreibt, den Zuschauer nicht ganz zu fesseln. Dennoch: Regisseur Shiar Abdi gelingt es, ein stimmiges Bild der kurdischen Minderheit in einem entscheidenden Augenblick ihrer jüngsten Geschichte zu zeichnen. Der Film schafft es, in seiner zweiten Hälfte ein Klima ständiger Bedrohung durch die militärische Präsenz zu vermitteln. Findet Shiar Abdi im Unterschied etwa zu den Filmen von Bahman Ghobadi kaum einen einheitlichen Rhythmus für Meş Lauf!, so kommt es seinem Film jedenfalls das Verdienst zu, der erste Film zu sein, der in den kurdischen Gebieten der Türkei in kurdischer Sprache gedreht wurde. |
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