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José García Foto: Capelight ![]() Leb wohl, meine Königin! blickt lediglich auf den hermetisch abgeriegelten Mikrokosmos des Versailler Hofes. Der Film beginnt mit dem Morgen des 14. Juli. Wie an jedem anderen Tag auch erwacht in einem Dienstmädchenzimmer die aus kleinen Verhältnissen stammende Sidonie Laborde. Ihr Gang von ihrer einfachen Kammer zu den prunkvollen privaten Räumen der Königin verdeutlicht bereits die Unterschiede selbst im Versailler Schloss, die der Film später noch stärker unterstreichen wird. Hinter dem unermesslichen Luxus der glanzvollen Fassade stehen die einfachsten Räumlichkeiten, die stickigen und dunklen Gänge der Höflinge. Selbst die Privilegierten leben in diesem Labyrinth wie Gefangene, lediglich um hin und wieder König Ludwig XVI. (Xavier Beauvois) zu huldigen. Im Gegensatz zu den meisten Edelleuten, die den Tag in Wartestellung verbringen, gehört Sidonie zu den wenigen Dienern mit einem direkten Zugang zur Königin. Voll glühender Verehrung und nicht ohne Stolz genießt sie die intimen Momente, die sie als Vorleserin mit ihrer Königin verbringt und ahnt noch nicht, dass dies für sie die letzten Tage an der Seite Marie Antoinettes sein werden. Am Morgen des 15. Juli hört Sidonie vom Sturm auf die Bastille. Als in Versailles eine Liste mit den Namen von 289 Adligen bekannt wird, deren Köpfe rollen sollen, macht sich im Schloss Angst breit. Die ersten Bediensteten verschwinden, und auch der Adel bereitet die Flucht vor. Marie Antoinette, die sich bis dahin mit Nichtigkeiten beschäftigt hat, spürt ebenfalls die Gefahr und steckt schon mitten in den Vorbereitungen für eine Flucht nach Metz. Als am 16. Juli der König nach Paris fährt, entschließt sich Gabrielle de Polignac (Virginie Ledoyen), die Vertraute Marie Antoinettes, zur Flucht in die Schweiz. Sie und ihr Mann schlüpfen in die Kleidung einfacher Diener. Sidonie soll sie als vermeintliche Gräfin begleiten. So sagt die Vorleserin ihrer Königin Lebewohl für immer. Leb wohl, meine Königin! (Les adieux à la Reine), der seine Premiere als Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale feierte, ist mehr als ein auf Requisite besonderen Wert legender Kostümfilm. Zwar wurde auf die Ausstattung und insbesondere auf die Kostüme viel Sorgfalt angewandt. Die Kamera von Romain Winding weidet sich jedoch kaum an solchen Bildern. Dazu führt Regisseur Benoit Jacquot aus: Wir wollen das anekdotenhafte, das dekorative, die ermüdenden Vignetten vermeiden, etwas das für uns nicht mehr von Interesse ist. Wir wollen keine unwahrscheinliche Rekonstruktion erschaffen, oder eine, die aus der Fantasie heraus entsteht. Um dies zu erreichen, verfolgt eine teils nervöse Handkamera, deren Wirkung von der ebenso unruhig klingenden Musik von Bruno Coulais noch gesteigert wird, die Vorleserin der Königin durch die verwinkelten Hinterzimmer des prunkvollen Schlosses. Dies unterscheidet Leb wohl, meine Königin! von den meisten Filmen mit historischen Sujets. Benoît Jacquots Film ist denn auch eher ein Schauspieler- als ein Ausstattungsfilm. Die deutsche Darstellerin Diane Kruger verkörpert Marie Antoinette als tragische Figur, die letztlich eine Gefangene ihrer Unnahbarkeit wird, zu der sich die Theatralik von Krugers Spiel als adäquat herausstellt. Mit ihren zurückgenommenen Gesten, insbesondere aber mit ihren Blicken gestaltet die junge französische Schauspielerin Léa Seydoux die Vorleserin Sidonie mit einer Mischung aus Bewunderung für die Königin und Verblüffung über alles, was um sie herum geschieht. Diese Identifikationsfigur für den Zuschauer illustriert den Kontrast zwischen beiden Seiten von Versailles. Die Grenze verläuft nicht zwischen dem Hof und dem einfachen Volk, zwischen Arm und Reich. Wenige Meter trennen die Welt der Prachtentfaltung und die karge Umgebung nicht nur der Bedienstenten, sondern ebenfalls der Höflinge. Aus Sidonies Sicht erlebt der Zuschauer diese fließenden Übergänge zwischen beiden Welten, aber auch eine Stimmung vom Ende des Ancien Régime. |
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