SNOW WHITE & THE HUNTSMAN | Snow White & The Huntsman
Filmische Qualität:   
Regie: Rupert Sanders
Darsteller: Kristen Stewart, Charlize Theron, Chris Hemsworth, Sam Claflin, Ian McShane, Bob Hoskins, Ray Winstone, Nick Frost, Toby Jones, Eddie Marsan, Lily Cole, Vincent Regan
Land, Jahr: USA 2012
Laufzeit: 127 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 5/2012
Auf DVD: 9/2012


José García
Foto: Universal

In „Snow White & The Huntsman“ erzählt Regisseur Rupert Sanders nach einem Drehbuch von Evan Daugherty, John Lee Hancock und Hossein Amini das berühmte Märchen der Gebrüder Grimm „Schneewittchen“ mit den Stilmitteln des Fantasy-Kinos. Wohl deshalb, weil sich Sanders’ Neuinterpretation auch inhaltlich vom klassischen Märchen in wesentlichen Teilen unterscheidet, entschied sich der Filmverleih, den Originaltitel beizubehalten. Dies ist allerdings in der deutschen Synchronfassung nicht frei von Irritationen oder gar unfreiwilliger Komik, etwa als eine Off-Stimme von der Geburt der Königstochter erzählt: „Man gab ihr den Namen Snow White“. Dies gilt selbstverständlich auch für den vom Drehbuch hinzugedichteten „Jäger“ im Filmtitel, der durchgängig unübersetzt bleibt: „Ich warne Dich, Huntsman“, heißt es beispielsweise an einer späteren Stelle.

Die böse Königin, die in Sanders’ Film Ravenna (Charlize Theron) heißt, gelangt durch eine Finte ins königliche Schloss: Der inzwischen verwitwete König (Noah Huntley) befreit sie aus der vermeintlichen Gefangenschaft einer dunklen Armee, deren Soldaten in hyperrealistisch dargestellter Zauberkunst im Kampf gegen die königliche Streitmacht in tausende Stücke zersplittern. Von ihrer Schönheit verzaubert, heiratet der König Ravenna. Sie tötet ihn jedoch in der Hochzeitsnacht und übernimmt mit Hilfe ihres ihr ergebenen Bruders Finn (Sam Spruell) die Herrschaft. Als die seitdem in einem Turm gefangen gehaltene Schneewittchen (Kristen Stewart) heranwächst, muss die böse Königin von ihrem sprechenden Spiegel hören, sie sei nicht mehr die Schönste im ganzen Land – dieses Prädikat gebühre nun Schneewittchen. Die grausame Tyrannin will deshalb ihre Stieftochter vernichten, aber Schneewittchen entkommt unerwartet den Klauen der Stiefmutter. Als sie mit dem Jäger (Chris Hemsworth) gemeinsame Sache macht, der sie in Finns Auftrag eigentlich gefangen nehmen sollte, ist die grausame Herrschaft der bösen Hexe ernstlich in Gefahr.

Die Idee, ein klassisches Märchen in einem modernen Gewand für die große Leinwand zu adaptieren, ist keineswegs neu. Vor zwei Jahren gelang etwa Tim Burton mit „Alice im Wunderland“ (siehe Filmarchiv) eine überaus zauberhafte Mischung aus modernster Filmtechnik und Vorlagentreue, weil die zahlreichen, teils aufsehenerregenden Spezialeffekte keinen Selbstzweck darstellen, sondern im Dienste einer stimmigen Erzählung stehen. „Alice im Wunderland“-Produzent Joe Roth versucht nun, mit „Snow White & The Huntsman“ dieses Konzept zu wiederholen. Der ästhetische Einfluss macht sich denn auch in einer Episode bemerkbar: Als die acht (!) Zwerge nach etwa einer Filmstunde auftreten, führen sie Schneewittchen und den Jäger in einen Märchenwald, der visuell ans Wunderland Alices erinnert. Die Rolle der Zwerge übernehmen bekannte britische Schauspieler (darunter Bob Hoskins, Eddie Marsan, Ian McShane, Toby Jones), was eine Art Hommage an die wohl berühmteste Verfilmung des Grimm-Märchens darstellt: Als Walt Disney im Jahre 1937 seinen ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ („Snow White and the Seven Dwarfs“) drehte, gestaltete er die Zwerge sowie auch andere Figuren nach bekannten Schauspielern (etwa Harpo Marx).

Die entsprechende Größe wird bei den Zwerge-Darstellern digital umgesetzt – eine Technik, die bereits Peter Jacksons Verfilmung von Tolkiens „Der Herr der Ringe“ eingesetzt hatte. Dies ist jedoch nicht das Einzige, was an Jacksons Film erinnert: Nicht nur die Kamera von Greig Fraser orientiert sich augenscheinlich an dessen visuellem Konzept, wobei etliche Einstellungen und Kameraschwenks einen Déjà-vu-Eindruck hinterlassen. An „Der Herr der Ringe“ lehnt sich darüber hinaus das gesamte Produktionsdesign von Dominic Watkins offenbar an, wobei die königliche Armee aus dem 15. oder 16. Jahrhundert zu stammen schein. In diesem Zusammenhang wäre es sicherlich eine Überinterpretation, das Königtum von Schneewittchens Vater wegen der gotisch anmutenden Kathedrale und der anwesenden Bischöfe als christlich zu bezeichnen, wobei die Königstochter an einer Stelle immerhin ein Vaterunser spricht, die mit der Magie verbundene Hexe aber als Anhängerin einer Naturreligion anzusehen.
Obwohl die Spezialeffekte durchaus gelungen und auf dem neuesten Stand sind, und Charlize Theron ihre Rolle als böse Königin mit ihren Blicken und einer trotz dominanter Körperhaltung so doch insgesamt zurückgenommenen Darstellung überzeugend ausfüllt, nimmt sich Rupert Sanders’ „Snow White & The Huntsman“ zu uneinheitlich aus: Die düstere, drastisch realistische Anmutung weiter Teile des Filmes und die märchenhaften Episoden mit den Zwergen, zu denen auch ein selbstironischer Zug gehört, passen kaum zusammen. Ein damit einhergehender episodenhafter Charakter lässt keinen einheitlichen Rhythmus entstehen. Noch schwerer wiegt es, dass die Dramaturgie keine richtige Spannung aufzubauen vermag.
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