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José GarcÃa Foto: Senator Nun ist Marcus Vetter wieder nach Jenin gefahren, um ein seit Jahrzehnten verlassene Kino wiederaufzubauen â und um den Wiederaufbau in einem weiteren Film zu dokumentieren: âCinema Jeninâ stellt den Abschluss einer Trilogie dar, die insbesondere eines verdeutlicht: Dass Versöhnung ein Zusammenleben im Nahen Osten möglich machen kann. Interview mit Marcus Vetter Wie kamen Sie auf den Gedanken, das jahrzehntelang leerstehende und teilweise in Trümmern liegende Kino in Jenin wiederaufzubauen und einen Dokumentarfilm darüber zu drehen? Nachdem ich âDas Herz von Jeninâ in der Rohschnitt-Fassung im Friedenstheater von Jenin gezeigt hatte, gingen Ismail Khatib und ich spazieren. Wir konnten uns erstmals abends frei bewegen, die Gefahr eines Einmarsches israelischer Soldaten war nicht mehr so groà wie früher. Eigentlich sollte dies unser Abschied für immer sein. Aber Ismail zeigte mir das Kino, das wie so viele andere im Palästina seit 1987 nicht mehr im Betrieb war. Gemeinsam kam uns die Schnapsidee, dieses Kino wiederaufzubauen. Was würde dies für die Jugendlichen bedeuten, die normalerweise versuchen, Panzer zu stoppen? Sie könnten dadurch einen neuen Sinn bekommen. Jenin galt als die Stadt des Terrorismus. âDas Herz von Jeninâ hat erstmals gezeigt, dass nicht alle Menschen so denken, dass es dort Menschen gibt wie Ismail oder auch wie Zacharia Zubeidi und der Mufti, die zustimmten, als Ismail die Organe seines getöteten Sohnes spendete. Ein Kino an diesem Ort könnte dazu führen, dass auch Israelis nach Jenin kommen, die dann zurückgehen und erzählen, was sie gesehen haben, dass sich in Jenin viele Menschen den Frieden wünschen. Aber dürfen Israelis überhaupt nach Jenin reisen? Eigentlich nicht. Wenn sie einreisen wollen, müssen sie ihr eigenes âTodesurteilâ unterschreiben: Sie müssen unterschreiben, dass sie bereit sind, eines ganz schrecklichen Todes zu sterben. Wenn sie dennoch kommen und die ganz normalen Menschen in Jenin sehen, denken sie vielleicht: Meine Regierung macht einen Fehler, wir werden von der Regierung manipuliert. Sie sollen in Israel offen erzählen, was sie in Jenin erleben. Kann ein Kino so etwas wie Normalität schaffen? Als 1948 in einem italienischen Dorf ein Kino wiederaufgebaut wurde, haben die Menschen richtig begriffen, dass der Zweite Weltkrieg zu Ende war. Nicht 1945, sondern drei Jahre später. Ein Kino gibt das Gefühl, dass der Kriegszustand aufgehört hat. Danach sehnen sich nach 30 oder 40 Jahren Krieg die Leute im Nahen Osten. Ein solches Kino könnte helfen, den Teufelskreis von Krieg und Gewalt zu durchbrechen. Das Kino wurde im August 2010 eröffnet. Wie ist die jetzige Lage? Als im April 2011 Juliano Mer-Khamis, der Gründer des Friedenstheaters Jenin, ermordet wurde, mussten wir alle Volontäre abziehen. Das Kino war verwaist, denn keiner wusste mit der Technik umzugehen. Deshalb hatten wir auch Probleme, in Deutschland weitere Mittel für das Projekt zu finden. Wir haben anderthalb Jahre gebraucht, um uns von diesem Schock zu erholen. Erst jetzt kommen die ersten, wenn auch wenigen Volontäre wieder zurück. Wenn Cinema Jenin dann einen normalen Betrieb aufrechterhalten kann, wer wird dann der Betreiber sein? Im Moment ist der Betreiber Dr. Lamei, der ehemalige Kinobesitzer. Das finde ich besonders wichtig, weil sein Vater das Kino gebaut hat. Dr. Lamei liebt das Kino, und er ist der einzige Hauptamtliche, der dafür kein Geld bekommt â die restlichen vier werden vom Auswärtigen Amt finanziert. Das zeigt, wie wichtig ihm dieses Projekt ist. Zurzeit sucht er einen künstlerischen Leiter und einen Verwaltungsdirektor. Diesen groÃen Betrieb einschlieÃlich Gästehaus werden dann etwa zehn bis zwölf Mitarbeiter führen. Sie sollen das Kino als ihre langfristige Arbeitsstelle ansehen, damit sie es mit Liebe aufbauen. Wir rechnen, dass sich nach einem weiteren Jahr Anschubfinanzierung das Projekt selbst trägt. âCinema Jeninâ gehört nun zusammen mit âDas Herz von Jeninâ und âNach der Stilleâ zu einem Gesamtprojekt. Es ist eine Trilogie geworden. âNach der Stilleâ ist für dieses Projekt sehr wichtig geworden. Denn darin erzählt ein palästinensischer Film von der anderen Seite â von einer israelischen Frau, die sich in Gefahr begibt, um die Hand zu reichen. Das ist für mich Kunst, Kultur im wahrsten Sinne des Wortes. âDas Herz von Jeninâ hatte einen palästinensischen Helden. Nun gibt es ein palästinensisches Projekt, das es einer israelischen Frau gestattet, Heldin eines Filmes zu sein. Deshalb gehören diese drei Filme zusammen, sie bilden eine Trilogie. Der Film âCinema Jeninâ erweckt den Eindruck, als sei er âcinéma veritéâ, als hätten Sie als Regisseur ohne Drehbuch gearbeitet, einfach die Kamera laufen lassen. Wir hatten gar kein Drehbuch, lediglich ein kleines Exposé. Darüber hinaus wurde das Drehen auch immer unwichtiger, dafür das Projekt immer bedeutender. Beispielsweise musste ich den Tontechniker abziehen, damit er beim Bau des Kinos mithilft. âCinema Jeninâ ist eigentlich im Schneideraum entstanden, denn wir hatten 350 Stunden Filmmaterial belichtet. Die Cutterin Saskia Metten musste aus diesem Material eine Geschichte formen. Sie hätte diese eine, hätte aber auch eine ganz andere Geschichte daraus schneiden können. Für ihre Leistung wurde sie vergangene Woche denn auch mit dem Deutschen Kamerapreis ausgezeichnet. |
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