TOTAL RECALL | Total recall
Filmische Qualität:   
Regie: Len Wiseman
Darsteller: Colin Farrell, Bryan Cranston, Kate Beckinsale, Bill Nighy, Jessica Biel, Ethan Hawke, John Cho, Bokeem Woodbine, Will Yun Lee, Currie Graham, Michael Therriault
Land, Jahr: USA 2012
Laufzeit: 118 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G, S
im Kino: 8/2012
Auf DVD: 12/2012


José García
Foto: Sony

Am Ende des 21. Jahrhunderts träumt der einfache Fließbandarbeiter Douglas Quaid (Colin Farrell) von einem gefährlichen Agenteneinsatz an der Seite einer hübschen Kollegin. Dann wacht Doug an der Seite seiner Frau Lori (Kate Beckinsale) auf, die sich rührend um ihn kümmert. Auf dem Weg zur Arbeit wird er auf die Firma „Rekall“ aufmerksam, die „Träume in echte Erinnerungen verwandeln kann“. Trotz der Warnung seines Freundes Harry (Bokeem Woodbine) sucht er die Firma auf. Bei der Programmierung geht jedoch einiges schief. Sofort stürmen Polizisten die Firma, um ihn festzunehmen.

Die Handlung von „Total Recall“ dürfte den an Science-Fiction-Filmen Interessierten bekannt sein. Denn die auf der Kurzgeschichte „We Can Remember It For You Wholesale“ (deutsch „Erinnerungen en gros“) des Science-Fiction-Autors Philip K. Dick (1928–1982) basierende Story wurde bereits 1990 unter demselben Titel von Paul Verhoeven mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle verfilmt. In seinem nun anlaufenden Film „Total Recall“ führen die Drehbuchautoren Kurt Wimmer und Marm Bomback sowie Regisseur Len Wiseman eine Neuerung ein: Statt teilweise auf dem Mars spielt sich die ganze Handlung auf der Erde ab. Laut dem Vorspann wurde nach einem chemischen Krieg die Erde bis auf zwei Regionen unbewohnbar: Die Vereinigte Föderation von Britannien (V.F.B.) und die in Australien angesiedelte „Kolonie“. Wie im Genre üblich, so beispielsweise in Alfonso Cuaróns „Children of Men“ (siehe Filmarchiv), sind sie optisch klar unterscheidbar. In der V.F.B. herrschen helle Töne, eine großzügige Architektur sowie schnelle Autos, die auf ebenso schnellen Straßen in unterschiedlicher Höhe fahren. Dort leben gut gekleidete, offenbar wohlhabende Menschen. Die „Kolonie“ zeichnet sich durch eine durch den Dauerregen und die Enge in den überfüllten Straßen und Gebäuden verstärkte düstere Atmosphäre aus, die unverhohlen an Ridley Scotts „Blade Runner“ (1982) erinnert. Was nicht weiter verwundert, stammt die Vorlage für Scotts stilbildenden Science-Fiction-Film ebenfalls aus der Feder Philip K. Dicks.

Vieles im Szenenbild von Patrick Tatopoulos kommt dem Zuschauer zwar bekannt vor – von den Autos und deren Fortbewegung, die sich an den ebenso auf einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick basierenden „Minority Report“ (Steven Spielberg, 2002) anlehnen, bis zur Roboterarmee, die etwa an die Klon-Armee von „Star Wars Episode II – Angriff der Klonkrieger“ (George Lucas, 2002) erinnert. Einige Neuerungen hat Len Wisemans Film jedoch aufzuweisen, so etwa das in die Hand implantierte und damit dem deutschen Namen „Handy“ alle Ehre machende Mobiltelefon, das sich sogar in Verbindung mit einer Glasscheibe zum überdimensionierten iPad erweitern lässt. Die wichtigste Neuheit dürfte neben einer riesigen Aufzugsschacht in einem ebenso gigantischen Gebäude, in der die Aufzüge in alle Richtungen fahren, das „Der Fall“ genannte Fortbewegungsmittel, das die V.F.B. mit der Kolonie verbindet: Dieses Vehikel fährt durch einen das gesamte Erdinnere samt Erdkern von der einen zur anderen Seite des Planeten durchbrechenden Tunnel, wobei sich mitten in der Fahrt die Schwerkraft umkehrt. Damit fahren die in der Kolonie lebenden Arbeiter wie Douglas und sein Kollege Harry zur Arbeit in die V.F.B. Sie werden wie einst in Fritz Langs „Metropolis“ (1926) geknechtet. Wie in „Metropolis“ regt sich aber dort Widerstand unter der Führung des Rebellen Matthias (Bill Nighy), dessen rechte Hand Melina (Jessica Biel) die Aufgabe übernimmt, Douglas daran zu erinnern, dass er eigentlich Carl Hauser heißt und sich auf die Seite der Rebellen im Kampf gegen Kanzler Coohagen (Bryan Cranston) geschlagen hatte.

Obwohl die Handlung von Wisemans Film über das rundumerneuerte Produktionsdesign hinaus der Story in Verhoevens Film von 1990 bis aufs Haar gleicht, wirkt die Reduktion der Figuren zunächst einmal wohltuend. So übernimmt die Verfolgung von Quaid/Hauser seine vermeintliche Ehefrau Lori selbst, und auch Harry wird mehr Raum eingestanden. Dennoch: Die Vielschichtigkeit der vom Szenenbild entworfenen Welt findet auf der Drehbuchebene keine Entsprechung. Angesichts der atemlosen Action bleibt den Figuren über die Aussage von Quaid/Hauser („Ich weiß nicht, wer ich war, aber ich weiß, wer ich bin“) hinaus kaum Zeit über die Identitätsfragen nachzudenken, die in Dicks Kurzgeschichte durchaus angelegt sind. Denn ähnlich „Blade Runner“ stellt „Total Recall“ die Frage, inwieweit implantierte, also gefälschte Erinnerungen die eigene Persönlichkeit bestimmen. Dies gilt erst recht für den Fall, dass die falsifizierten Erinnerungen als solche entlarvt werden. In „Blade Runner“ sorgte gerade diese Entdeckung durch die von Sean Young verkörperte Androidin Rachael für einen wirklich berührenden Augenblick. Solche Momente gönnt Regisseur Les Wiseman seinen Figuren in „Total Recall“ nicht. Das Drehbuch lässt Colin Farrell kaum Gelegenheit, eine Identitätskrise darzustellen.

Wieder einmal stellt es sich heraus, wie schwer es den großen Hollywood-Studios fällt, ein anspruchs- und fantasievolles Produktionsdesign mit einer originellen Handlung und tiefgründigen Fragen zu verknüpfen.
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