TO ROME WITH LOVE | To Rome with Love
Filmische Qualität:   
Regie: Woody Allen
Darsteller: Woody Allen, Alec Baldwin, Roberto Benigni, Penélope Cruz, Judy Davis, Jesse Eisenberg, Greta Gerwig, Ellen Page, Carol Alt, Alessandro Tiberi
Land, Jahr: USA / Italien 2012
Laufzeit: 110 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: S, D
im Kino: 8/2012
Auf DVD: 1/2013


José García
Foto: Tobis

Seinen 43. Spielfilm „To Rome with Love“ gestaltet Regisseur Woody Allen als Episodenfilm. In Rom kreuzen sich verschiedene Liebesgeschichten, so etwa die des amerikanischen Architekturstudenten Jack (Jesse Eisenberg), der eigentlich mit seiner Freundin Sally (Greta Gerwig) glücklich ist, aber deren beste Freundin Monica (Ellen Page) verfällt, und die der Touristin Hayley (Alison Pill), die sich in den Römer Michelangelo (Flavio Parenti) Hals über Kopf verliebt, als sie ihn nach dem Weg fragt. Wobei letzterer Nebenstrang lediglich den Anlass für eine weitere Episode liefert: Als Hayleys Eltern Jerry (Woody Allen) und Phyllis (Judy Davis) den künftigen Schwiegersohn und dessen Eltern kennenlernen wollen, stellt der ehemalige Opernregisseur Jerry fest, dass Michelangelos Vater Giancarlo (Fabio Armiliato) ein eindrucksvolles Gesangstalent besitzt. Diese und weitere Nebenhandlungen laufen ohne jede Beziehung zueinander parallel, so etwa auch die Story des unscheinbaren Durchschnittsrömers Leopoldo (Roberto Benigni), der über Nacht berühmt wird und sich irgendwann einmal nach seinem früheren Leben sehnt.

Dass in „To Rome with Love“ Vieles von der Satire auf den Prominentenkult bis zum väterlichen Freund, der einem Jüngeren Ratschläge in Sachen Liebe erteilt, an frühere Woody-Allen-Filme erinnern, verwundert nicht. Schließlich dreht der New Yorker Regisseur seit mehr als vierzig Jahren Filme, die sich im Grunde stets um ähnliche Themen drehen. Dazu trägt außerdem seine Arbeitsmethode bei, die Robert B. Weide unlängst in seinem Dokumentarfilm „Woody Allen: A Documentary“ (siehe Filmarchiv) festgehalten hat. Aus einem Sammelsurium aus Notizzetteln und Zeitungsausschnitten holt sich der Regisseur immer wieder seine Inspiration für das jeweilige neue Drehbuch. Die bloße Wiederkehr von Motiven, Gedankengängen und Ideen muss sich nicht unbedingt nachteilig auswirken, wie die wohl zwei besten Woody-Allen-Filme seit der Jahrhundertwende beweisen: „Match Point“ (2005) nahm sich fast als ein Remake von „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ (1989) aus. Die „Midnight in Paris“ (2011) zugrunde liegende Idee hatte der Regisseur ebenfalls in den achtziger Jahren in „The Purple Rose of Cairo“ (1985) zu einer poetischen Reflexion über das Leben und die Kunst, über die Wirklichkeit und die verklärte Wunschwelt verarbeitet.

Die in „To Rome with Love“ wiederkehrenden Sujets erinnern jedoch an die schwächeren Allen-Filme „Celebrity“ (1998), „Anything Else“ (2003) und „Ich sehe den Mann deiner Träume“ (2010), wobei außerdem einzelne Stilmittel kaum überzeugen. Beispielsweise wird es nicht klar, ob die Begegnung Jacks mit seinem Vorbild, dem Stararchitekten John (Alec Baldwin), wirklich stattgefunden hat, oder ob dies lediglich Jacks personifiziertes schlechtes Gewissen darstellt. Dramaturgisch wirkt der neue Allen-Film nicht wegen der mangelnden Verknüpfung der einzelnen Episoden miteinander unausgegoren, sondern deshalb, weil einige dieser Nebenstränge kaum zu Ende gedacht und lediglich überhastet zum Abschluss gebracht werden. So etwa die Episode mit den frisch verheirateten Antonio (Allesandro Tiberi) und Milly (Alessandra Mastronardi), die aus der Provinz in die italienische Hauptstadt gekommen sind, weil sich Antonio einen Job von seiner einflussreichen Verwandtschaft erhofft. Als sich die Prostituierte Anna (Penélope Cruz) in der Hoteltür irrt, beginnt eine hanebüchene Verwechslungskomödie, die immer skurriler wird.

An einigen Stellen bricht sich zwar Woody Allens Sprachwitz Bahn („Ich kann mich bei Turbulenzen nicht entkrampfen. Ich bin Atheist“). Im Großen und Ganzen aber überwiegen jedoch Slapstick-Elemente, die etwa in den Szenen mit dem auf der Bühne einer Operninszenierung unter der Dusche singenden Stimmwunders Giancarlo einfach peinlich berühren. Im Laufe seiner Filmografie hat sich Woody Allen des Öfteren mit dem Prominentenwahn und mit dem unrühmlichen Beitrag des Fernsehens zur allgemeinen Verdummung beschäftigt und etwa im Medienmogul Lester (Alan Alda) in „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ dafür eine paradigmatische Figur geschaffen. Im Vergleich dazu wirkt die „To Rome with Love“-Episode mit dem von Roberto Benigni verkörperten grauen Büroangestellten Leopoldo Pisanello, der aus unerfindlichen Gründen so berühmt wird, dass er in Fernseh-Talk-Shows auf dümmliche Fragen („Was haben Sie heute gefrühstückt?“) antworten soll, leidlich uninspiriert.

Woody Allen selbst hat einmal Oscar Wildes Bonmot „Das Leben ahmt die Kunst weit mehr nach als die Kunst das Leben“ in „Das Leben imitiert nicht die Kunst, es imitiert schlechtes Fernsehen“ umgewandelt. Mit „To Rome with Love“ imitiert sich Woody Allen selbst – und dabei kommt schlechtes Fernsehen heraus. An der Arbeitsweise des eigenwilligen Regisseurs, die Jahr für Jahr einen Film dreht, liegt es, dass das Drehbuch stets zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sein muss, ganz gleich ob er wirklich reif ist oder eben nicht. Woody Allens Filme ähneln Weinjahrgänge: Es gibt gute und weniger gute, ja ausgesprochen unausgegorene Filme. Woody Allens Jahrgang 2012 gehört zu den Letzteren. Es bleibt nur zu hoffen, dass sein nächster Film besser wird.
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