VATERTAGE – OPA ÜBER NACHT | Vatertage – Opa über Nacht
Filmische Qualität:   
Regie: Ingo Rasper
Darsteller: Sebastian Bezzel, Sarah Horváth, Monika Gruber, Heiner Lauterbach, Adam Bousdoukos, Christiane Paul, Sebastian Edtbauer, Max Hegewald
Land, Jahr: Deutschland 2011
Laufzeit: 93 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2012
Auf DVD: 3/2013


José García
Foto: StudioCanal

Nach dem sehr bunten Vorspann, der ja auf eine „Wohlfühl“-Komödie verweist, sitzen zwei junge Frauen in einem Auto: Die 17-jährigen Dina (Sarah Horváth) und Natalie (Nina Gummich) sind von Bitterfeld in Richtung Italien aufgebrochen. Auf dem Weg dorthin bietet sich eine Zwischenstation in München an, zumal dort Dinas ahnungsloser Vater Basti (Sebastian Bezzel) lebt, ein 36-jähriger Lebenskünstler und Rikschafahrer. Als Dina alsbald mit ihrem Baby Paul auf dem Arm vor Bastis Tür steht und sehr überzeugend behauptet, seine Tochter zu sein, ist der liebenswürdige Lebenskünstler unverhofft nicht nur Vater, sondern gar Opa geworden. Daher der Titel von Ingo Raspers Komödie „Vatertage – Opa über Nacht“. Mittels eines simplen Tricks setzt Dina Basti unter Druck: Entweder sie bekommt 10 000 Euro (später erhöht sie sogar auf 15 000 Euro) quasi als im Laufe ihres Lebens angesammelte Alimente, oder Basti blüht eine Unterhaltsklage. Während sich Dina mit ihrem Sohn Paul bei Basti einrichtet, strampelt sich dieser regelrecht ab, um das Geld zusammenzubekommen: Er versucht, sich bei seiner gestrengen Schwester Thea (Monika Gruber) und bei seinem Vater Lambert (Heiner Lauterbach) Geld auszuleihen. Dieser hat sich längst als Homosexueller „geoutet“, und ist in München eigentlich nur auf Stippvisite, um die „Hochzeit“ mit seinem griechischen Freund Nektarios (Adam Bousdoukos) zu organisieren. Mit der Zeit findet Dina ihren neuen Vater eigentlich ganz nett. Basti findet wiederum langsam am Vater- und Opasein Freude. Deshalb arrangiert er sogar ein Treffen Dinas mit Pauls Vater „Fels“ (Max Hegewald), der sich zunächst einmal freilich als unreifer Junge herausstellt, und fährt selbst nach Bitterfeld zu Dinas Mutter Vanessa (Christiane Paul).

Zur komödiantischen Inszenierung der überdrehten Verwechslungskomödie trägt insbesondere auch die Kameraführung von Ueli Steiger bei: Neben Stilmitteln wie In-die-Kamera-Schauen und Zeitraffer zeichnet sich diese vor allem durch die warmen Farben aus, in die der ganze Film getaucht ist. Das Drehbuch von Thomas Bahmann und Ralf Hertwig lässt kaum ein Klischee aus, um die Figuren zu überzeichnen, wobei Sebastian Bezzels Basti die komödiantische Kehrseite von Marko in Hans-Christian Schmids Familiendrama „Was bleibt“ (siehe Filmarchiv) zu sein scheint: Die beiden sind als Mittdreißiger in ihrem Leben steckengeblieben, scheuen längerfristige Bindungen. Für die Familienplanung fehlt ihnen neben Zielstrebigkeit eine gesicherte finanzielle Grundlage. Zu einer solch turbulenten Komödie gehört zwar die Figurenüberzeichnung. Gelingt dies etwa für die skurril-lässige Blechbläser-Band Bastis, so schlägt sie bei Bastis Vater deutlich über die Stränge. Obwohl mittlerweile zum Repertoire einer jeden deutschen Komödie – etwa zuletzt in „heiter bis wolkig“ (siehe Filmarchiv) – so etwas wie eine Schwulen-Quote gehört, was meistens auch arg konstruiert wirkt, meinen offenkundig die Drehbuchautoren und der Regisseur mit der Figur von Bastis Vater, eine besonders unkonventionelle Figur einzuführen, die auch ach so lustige Dialoge mit sich bringt („Mein Opa ist ein Schwuchtel“ / „Das hört er nicht so gerne“ / „Schwuchtel?“ / „Nein, Opa“). Heiner Lauterbachs Chargieren kontrastiert mit der Lustlosigkeit, die Adam Bousdoukos als dessen Freund an den Tag legt.

Demgegenüber gelingt den Filmemachern indes eine ironische Brechung der Klischees gegenüber den neuen Bundesländern. Als Basti Dinas Mutter Vanessa besucht, glaubt er – und mit ihm der Zuschauer –, in Bitterfeld ein heruntergekommenes Haus vorzufinden. Das Gegenteil ist der Fall: Vanessas Haus ist modern-stilvoll samt moderner elektronischer Geräte eingerichtet. Vor dem Haus steht darüber hinaus ein größerer BMW. Allerdings ist nicht Bitterfeld, sondern München der heimliche Protagonist in „Vatertage – Opa über Nacht“. Dazu führt Produzent Jakob Claussen aus: „Wir wollten die Stadt von ihrer schönsten Seite zeigen, um klar zu machen, weshalb Basti sich so wohl fühlt und an sich sehr zufrieden ist, obwohl er von außen betrachtet nicht viel zustande bringt. Unser Regisseur Ingo Rasper, der ja kein Münchner ist, hat mit seinem Blick von außen sicher dazu beigetragen, die Stadt in einem besonderen Licht zu zeigen. Nebenbei hat er übrigens auch dafür gesorgt, bei der Mundart den richtigen Weg zwischen Authentizität und bundesweiter Verständlichkeit zu finden.“

Zeitgeistgemäß portraitiert „Vatertage – Opa über Nacht“ eine zerrüttete Familie mit einer Hauptfigur, die sich bislang jeder Verantwortung entzogen hat. Als er mit einer unerwarteten Vaterschaft konfrontiert wird, muss er jedoch eine Entscheidung treffen. Bei aller Überzeichnung der Figuren und einer gewissen Konstruiertheit des Drehbuchs macht „Vatertage – Opa über Nacht“ die Sehnsucht nach der Familie deutlich. Nach etlichen vorhersehbaren Wendungen in der Handlung gelingt den Drehbuchautoren Thomas Bahmann und Ralf Hertwig sowie Regisseur Ingo Rasper jedoch ein etwas unerwartetes Happy End, wofür ihnen der Zuschauer gewiss dankbar ist.
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