EIN GRIECHISCHER SOMMER | Nicostratos le pélican
Filmische Qualität:   
Regie: Olivier Horlait
Darsteller: Thibault Le Guellec, Emir Kusturica, François-Xavier Demaison, Jade-Rose Parker, Gennadios Patsis
Land, Jahr: Griechenland / Frankreich 2011
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2012
Auf DVD: 4/2013


José García
Foto: Neue Visionen

Auf der abgelegenen griechischen Insel Zora scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Telefonieren kann man hier beispielsweise nur vom Café Aristoteles aus. Mit dem Handy hat es ohnehin keinen Zweck: Ans Mobiltelefonnetz ist die Insel noch lange nicht angeschlossen. Auf dem Markt versuchen die Einheimischen ihren Ziegenkäse oder ihren Fischfang zu verkaufen. Zu den Fischern gehört auch Demosthenes (Emir Kusturica), der seit dem Tod seiner Frau in sich gekehrt und zurückgezogen lebt. Sein vierzehnjähriger Sohn Yannis (Thibault Le Guellec) wird auch einmal mit dem schwarz gebrannten Schnaps zu einem Frachtschiff geschickt, um das Haushaltsgeld etwas aufzubessern. Auf einem dieser Frachter findet Yannis eines Tages ein ausgehungertes Vogeljunges, das er dem Kapitän abkauft gegen das Kreuz, das er von seiner Mutter bekommen und seit deren Tod immer getragen hatte – so erzählt er selbst mit jugendlicher Off-Stimme am Anfang des Filmes von Olivier Horlait „Ein griechischer Sommer“. Allerdings weiß der Junge noch nicht, um was für einen Vogel es sich handelt. Von Vater Kosmas (Gennadios Patsis), dem Oberhaupt des orthodoxen Klosters, der sich um bedürftige Kinder kümmert und Yannis mit guten Ratschlägen versorgt, erfährt der Junge, dass er nun einen Pelikan besitzt, den er Nicostratos nennt. Obwohl Yannis Ziege Kitza zunächst einmal eifersüchtig wird und der Junge den Pelikan verstecken muss, weil sein Vater keine Haustiere duldet, werden bald Yannis und Nicostratos dicke Freunde. Das Verstecken in der Bruchbude geht übrigens gut, solange Nicostratos ein hässliches Entlein ist. Allerdings wird er bald ein schöner Pelikan von stattlicher Größe: Wie soll Yannis den inzwischen anderthalb Meter großen Nicostratos verstecken?

Natürlich büxt Nicostratos irgendwann einmal aus. Mit dem Ergebnis jedoch, dass er die große Touristenattraktion auf Zora wird. Ermuntert durch Angeliki (Jade-Rose Parker), die Nichte des gleichnamigen Besitzers von Café Aristoteles, die eigentlich in Athen lebt, während der Sommerferien aber bei ihrem Onkel aushilft, lässt Yannis die nun in Bussen ankommenden Touristen mit Nicostratos fotografieren. Bald wird der Pelikan zum Maskottchen des Dorfes, so dass Zora als „die Pelikan-Insel“ bekannt wird ... bis sich eine Katastrophe ereignet.

In seinem Spielfilmdebüt verfilmt Regisseur Olivier Horlait das Drehbuch von Eric Boisset, der seinen eigenen Roman „Nicostratos, der Pelikan“ für die große Leinwand selbst adaptierte. Dass es sich bei „Ein griechischer Sommer“ um ein Erstlingswerk handelt, merkt man etwa am etwas holprigen Schnitt sowie an einem bisweilen unbeholfenen Tempo. Allerdings zeichnet sich der Film durch die hervorragende Kameraarbeit Michel Amathieus aus, dem sonnendurchflutete Landschaftsbilder unter einem immerzu azurblauen Himmel gelingen. Die dadurch entstandene Sommeridylle korrespondiert mit der lebensfrohen Einstellung eines Griechenlands fernab jeglicher Finanzkrise. Einige Anmerkungen zur aktuellen Lage leistet sich Regisseur jedoch. So arbeitet Angeliki bei ihrem Onkel Aristoteles (Francois-Xavier Demaison) natürlich inoffiziell. Warum sollte er, so Aristoteles, Steuern zahlen, wenn man nicht weiß, was der Staat damit mache? Es sei doch besser, wenn das Geld in der Familie bleibe. Einige Anzeichen der Wirtschaftskrise werden darüber hinaus nebenbei deutlich: Der kaum zum Lebensunterhalt reichende Fischfang, der mit „Nebeneinkünften“ aufgebessert werden muss, der immer leerer werdende Wochenmarkt oder auch eine kränkende Tourismusbranche, die mit solchen Attraktionen wie Nicostratos angekurbelt werden muss, gehören dazu.

Regisseur Horlait gelingt insbesondere die Figurenzeichnung vom trotteligen, aber geschäftstüchtigen Cafébesitzer bis zum fürsorglichen, positiv eingestellten Kloster-Oberhaupt. Obwohl die meisten Figuren etwas zu glatt geraten sind, denn als Familienfilm rückt „Ein griechischer Sommer“ diese Figuren in ein recht freundliches Licht, sorgen die teilweise skurrilen Dorfbewohner für viele humorvolle Momente. Lediglich Demosthenes darf ein paar Schattenseiten besitzen: Er trinkt, schimpft und prügelt sich. Vor allem aber kümmert er sich kaum um seinen Sohn. Dies ist natürlich die Grundlage, auf der dann die Läuterung folgt. Denn „Ein griechischer Sommer“ handelt insbesondere von der anfangs gestörten Vater-Sohn-Beziehung, die durch dramatische Ereignisse wieder ins Lot kommt. Dabei spielt die Freundschaft zwischen Yannis und Nicostratos, die Horlaits Film immer wieder in den Mittelpunkt rückt, eine herausragende Rolle. Drehbuchautor Eric Boisset und Regisseur Olivier Horlait schaffen es außerdem, diese Hauptstränge mit einer Nebenhandlung, mit der aufkeimenden Liebe zwischen Yannis und Angeliki anzureichern. Die schönen Landschaftsaufnahmen stellen einen stimmigen Rahmen für einen zwar nicht immer klischeefreien Familienfilm dar, der aber durch die darin behandelten Themen Familie, Freundschaft und erste Liebe überzeugt.
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