ABENTEUER DER KLEINEN GIRAFFE ZARAFA, DIE | Zarafa
Filmische Qualität:   
Regie: Rémi Bezançon, Jean-Christophe Lie
Darsteller:
Land, Jahr: Frankreich / Belgien 2012
Laufzeit: 78 Minuten
Genre: Animation
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2012
Auf DVD: 2/2013


José García
Foto: Alamode

Der kleine Waisenjunge Maki wird vom Sklavenjäger Moreno gefangen, nachdem dieser Makis Heimatdorf mitten in Afrika niedergebrannt hat. In Morenos Sklavenlager trifft Maki auf die etwa gleichaltrige Soula, die das gleiche Schicksal ereilt hat. Mit Hilfe einer Giraffenherde kann der Junge jedoch entkommen. Sofort schließt er mit dem Giraffenbaby Zarafa Freundschaft. Als Maki von Moreno eingeholt wird, stellt sich ihm die Giraffenmutter entgegen, die vom Sklavenhändler erschossen wird. Maki kann noch der sterbenden Giraffenmutter versprechen, Zarafa nicht im Stich zu lassen und sie nach Hause zurückzubringen. Als Moreno ihn wieder gefangen nehmen will, rettet Maki der aus dem Nichts auftauchende Beduine Hassan. Allerdings handelt er nicht nur aus Menschenfreundlichkeit. Denn Hassan befolgt einen Auftrag: Er soll Zarafa nach Alexandria bringen, weil der Pascha die Giraffe dem französischen König Karl X. schenken will, damit dieser die Ägypter im Kampf gegen die Türken unterstützt. Im Luftballon von Hassans Freund Malaterre machen sich Maki, Hassan sowie die beiden Kühe Mounh und Sounh auf den Weg nach Paris, stets vom rachsüchtigen Moreno verfolgt.

Diese Geschichte, in deren Verlauf die Reisenden Bekanntschaft mit Piraten machen, die Alpen überqueren und schließlich an den französischen Hof gelangen, wo Zarafa als große Sensation gefeiert und bewundert wird, wird im Animationsfilm „Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa“ als Rückblende erzählt. Die Rahmenhandlung im Film von Alexander Abela und Rémi Bezançon (Drehbuch) sowie Rémi Bezançon und Jean-Christophe Lie (Regie) bildet die Erzählung, die der Dorfälteste einer Gruppe Kindern unter einem Affenbrotbaum vorträgt. Im Kern geht diese Geschichte auf eine wahre Begebenheit zurück: Im Jahre 1827 sorgte die Ankunft der ersten Giraffe in Frankreich für großes Aufsehen, sie löste eine „Giraffomanie“ aus.

Der historische Kern liefert den Filmemachern freilich den Anlass, um ein schönes, mit wunderbar gemalten Handzeichnungen wiedergegebenes Märchen zu erzählen. In der Ästhetik unterscheidet sich „Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa“ denn auch augenfällig von den Computeranimationen der Pixar- und sonstiger US-amerikanischer Filme, etwa „Ice Age“ oder „Madagascar“. Visuell erinnert die Geschichte um die Freundschaft zwischen Maki und Zarafa eher an französisch-belgische Filme wie Sylvain Chomets „Das große Rennen von Belleville“ (2002). Allerdings setzen Bezançon und Lie lediglich bei der Darstellung des französischen Hofes auf eine ins Karikaturhafte kippende Überzeichnung. Die anderen Figuren statten sie mit relativ realistischen Zügen aus, wobei es auch Unterschiede gibt: Sind Hassan und die Piratin Bouboulina besonders wirklichkeitsnah gezeichnet, so tragen Sklaventreiber Moreno, Händler Mahmoud und Ballonbesitzer Malaterre eher comichafte Züge. Den Einfluss Chomets, aber auch des großen japanischen Animationsfilm-Regisseurs Hayao Miyazaki erläutert Rémi Bezançon: „Die Figur des Königs Karls X. könnte, karikaturesk wie sie ist, ohne Weiteres einem Film von Chomet entsprungen sein, während Maki oder auch Hassan eher dem Universum Hayao Miyazakis zu entstammen scheinen.“

Obwohl Zarafa und andere Tiere menschliche Gefühle zeigen, sind sie nicht mit menschlicher Sprache versehen – ein nicht unbedeutender Unterschied etwa zu etlichen Disney-Zeichentrickfilmen. Der Gegensatz zwischen dem naturverbundenen Afrika und dem künstlichen Leben am Pariser Königshof setzen die Filmemacher mit unterschiedlicher Farbgebung in die mit viel Liebe zum Detail gezeichneten Cinemasope-Bilder um: Die warmen, sonnendurchfluteten Töne der afrikanischen Landschaften mit dem blauen Himmel kontrastieren mit den kalten grauen Bildern in der französischen Hauptstadt, die Jean-Christophe Lie so beschreibt: „Im Übrigen wollten wir das Paris der damaligen Zeit so darstellen, wie es wohl wirklich aussah: schmutzig, grau und verregnet. Aus diesem Grund habe ich hier einen eher rußigen Farbton bevorzugt.“

Handelt „Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa“ vor allem von der innigen Freundschaft zwischen Maki und Zarafa, so spart der Film nicht mit Kritik aus. Dazu führt die Filmbewertungsstelle Wiesbaden bei der Erteilung des Prädikats „besonders wertvoll“ aus: „Doch ist auch eine ‚Botschaft’ des Films nicht zu übersehen. Regisseur Rémi Bezançon hat sie mit den Worten charakterisiert: ‚Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass die Freiheit das wichtigste Gut in unserem Leben ist.’ So gehört die Kritik am Missbrauch der Macht, am Kolonialismus und zu mannigfachen Formen der Versklavung des Menschen zur Visitenkarte dieses besonderen Animationsfilms.“ Deshalb spricht der Film von Alexander Abela, Rémi Bezançon und Jean-Christophe Lie nicht nur Kinder an, obwohl er sich in erster Linie an die jüngsten Kinogeher richtet. Ohne erhobenen Zeigefinger werden ihnen Werte wie Freundschaft und Treue zum gegebenen Versprechen nahegebracht.
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