SUSHI IN SUHL | Sushi in Suhl
Filmische Qualität:   
Regie: Carsten Fiebeler
Darsteller: Uwe Steimle, Julia Richter, Ina Paule Klink, Michael Kind, Gen Seto, Leander Wilhelm, Angelika Böttiger, Deborah Kaufmann, Thorsten Merten
Land, Jahr: Deutschland 2012
Laufzeit: 107 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: S
im Kino: 10/2012
Auf DVD: 3/2013


José García
Foto: Movienet

Ein japanisches Restaurant in der DDR-Provinz? Daraus ließe sich vortrefflich eine Komödie stricken, so abwegig hört es sich an. In eine abgeschottete DDR, die lediglich zum „sozialistischen Ausland“ Beziehungen pflegte, scheint ein solches „westliches“ Lokal kaum hineinzupassen. Das Restaurant gab es jedoch wirklich. Der Film von Jens F. Otto (Drehbuch) und Carsten Fiebeler (Regie) um den Koch Rolf Anschütz (Uwe Steimle) basiert auf wahren Tatsachen. Der hin und wieder zu hörende Kommentar des Sohnes von Rolf Anschütz Jörg, der eine Art Erzählerfunktion übernimmt, sowie die zwischendurch eingestreuten Schwarzweißfotos
attestieren dem Film Authentizität.

Mitte der sechziger Jahre führt Rolf Anschütz im thüringischen Suhl eine Gaststätte mit traditioneller Küche in der dritten Generation: Im „Waffenschmied“ werden heimische Gerichte, Rotkohl, Klöße, Würzfleisch serviert. Anschütz fühlt sich jedoch unterfordert, kulinarisch müsse es etwas mehr als „immer nur Würzfleisch“ geben. Beim Stöbern im Buch über „Die Küchen der Welt“ stößt er auf die japanische Kochkunst, die ihn seit diesem Augenblick nicht mehr loslässt. Zunächst einmal sind es nur seine Freunde, die er mit seinen japanischen Gerichten verwöhnt. Er richtet sogar einen Raum mit abgesägten Tischen und Stühlen und mit Stoffbahnen und japanischer Dekoration oder mit dem, was er dafür hält, ein. Aus Judojacken werden Kimonos für Gäste und Geishas. Der erste Abend mit Freunden ist ein voller Erfolg, so dass Anschütz eine baldige Wiederholung verspricht. Die Genossen von der HO, der Handelsorganisation der DDR, der die Gaststätte gehört, halten ihn allerdings für verrückt („Anschütz, haben Sie überhaupt eine Ahnung, wo Japan liegt?“). Diese Einstellung ändert sich aber, als überraschenderweise ein echter Japaner in der Gaststätte erscheint und verlangt, dass Rolf Anschütz für ihn kocht: Er stellt sich als Gastprofessor an der Leipziger Universität vor, der aus einem Artikel in der Suhler Tageszeitung vom japanischen Restaurant in Suhl erfahren hatte: Dr. Hayashi (Gen Seto) versorgt Rolf Anschütz mit echten japanischen Zutaten. Als der Gastdozent einen Bus voller japanischer Besucher nach Suhl in die japanische Abteilung des „Waffenschmied“ führt, müssen die HO-Funktionäre reagieren. Sie stufen das Restaurant als „Staatsangelegenheit“ ein. Denn sie sehen darin eine Gelegenheit, die Beziehungen zum „westlichen Land aus dem Fernen Osten“ auszubauen. Bald stehen Anschütz Westdevisen zur Verfügung, um sich in Düsseldorf beim Feinkostspezialisten für asiatische Lebensmittel mit Lachs, Shrimps, Jacobsmuscheln und Kaviar einzudecken. Rolf Anschütz wird ein gefragter Koch, dessen Ruhm bis nach Japan reicht, einschließlich Einladung, das Land der aufgehenden Sonne zu besuchen. Dort erhält er sogar einen japanischen Orden. Und weil sich die DDR nicht lumpen lässt, folgt darauf auch ein noch größerer DDR-Orden. Seine Familie leidet jedoch darunter. Denn er entfremdet sich immer mehr von seiner Frau Ingrid (Julia Richter). Dies deutet schon früh etwa eine Szene im Theater an, als sie sich „Madame Butterfly“ anschauen, und Ingrid feststellen muss, dass Rolfs Interesse lediglich den Kostümen gilt.

Regisseur Carsten Fiebeler setzt visuelle Kunstmittel ein, um dem „kulinarischen“ Film zu entsprechen: Die Kamera von Gero Steffen filmt beispielsweise etliche Kochszenen auf Tischhöhe. Die allzu bunten Bilder verleihen „Sushi in Suhl“ einen märchenhaften Charakter. Dazu führt Regisseur Fiebeler aus: „‚Sushi in Suhl’ ist eine emotionale Heimat-Komödie, die wie ein Märchen erzählt wird. In seiner epischen Tonalität betritt der Film damit Neuland. Das Thema: ‚Was geschah noch so hinter dem Eisernen Vorhang?’ wird hier neu behandelt. Weder Anklage noch Abrechnung oder jegliche Form von Nostalgie (Ostalgie) finden darin ihren Platz.“ Obwohl die DDR-Bürokraten in den Personen des HO-Kreisdirektors Lothar Jäger (Michael Kind), des HO-Bezirkdirektors Hans Leutner (Thorsten Merten) und der HO-Direktorin Elke Malaschke (Deborah Kaufmann) etwas trottelig dargestellt werden, verdeutlich „Sushi in Suhl“ auch, wie sie bei all ihrer vermeintlichen Harmlosigkeit ihre Macht ausüben, um über Menschen zu bestimmen.

Die Filmemacher Otto und Fiebeler schauen warmherzig auf ihre Figuren, gehen dabei aber manchmal mit ihnen zu mild um. Dadurch erhalten sie kaum Tiefe, sie wirken eindimensional. Dies wird insbesondere am Ehekonflikt zwischen Ingrid und Rolf Anschütz deutlich. Irgendwann einmal verschwindet Ingrid aus Rolfs Leben und damit auch aus dem Film. Davon abgesehen, finden aber die Filmemacher das richtige dramaturgische Tempo für ihre Heimatkomödie über einen skurrilen Aspekt der DDR. Darüber hinaus überzeugt der unaufgeregte Ton, den Carsten Fiebeler in der Erzählung trifft. Die komödiantische Grundstimmung kippt weder in Klamauk um, noch zeigt der Film ein verkitschtes Märchen vom japanischen Restaurant in der DDR-Provinz.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren