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José García Foto: MFA + Zu Beginn zeigt Pietà den Selbstmord eines offenbar verzweifelten jungen Mannes im Rollstuhl. Der Selbstmord scheint allerdings kaum mit der eigentlichen Handlung von Kim Ki-duks Film zu tun zu haben. Erst gegen Ende liefert er aber den Schlüssel zum Verstehen. Zunächst konzentriert sich Pietà jedoch auf einen jungen Mann namens Lee Kang-do (Lee Jeong-jin), der in einer schäbigen Wohnung lebt. Er arbeitet als Geldeintreiber in einem heruntergekommenen Stadtviertel, wo einige Handwerker mehr schlecht als recht ihre kleinen Betriebe führen, ehe die Bulldozer kommen, um für neue Wolkenkratzer in der 11 Millionen-Stadt Seoul Platz zu machen. Lee Kang-do folgt einer besonders sadistischen Methode: Wer die horrend hohen Summen das Zehnfache des geliehenen Geldes nicht bezahlen kann, wird verstümmelt. Denn so kann er die Versicherungssumme kassieren. Die Schuldner lassen es über sich ergehen, oder sie entziehen sich der Verkrüppelung, indem sie Selbstmord begehen. Bei Lee Kang-do löst dies keinerlei Reaktion aus. Er geht seinem Job kaltblütig nach. Ein Grund für Kang-dos Kaltherzigkeit und Einsamkeit mag darin liegen, dass er als Kind weggegeben wurde und ohne Liebe und ohne Mutter aufwuchs. Dies ändert sich schlagartig, als plötzlich eine fremde Frau auftaucht, Jang Mi-sun (Cho Min-soo), die sich als Kang-dos Mutter ausgibt. Sie wolle ihren Fehler wiedergutmachen, ihn umsorgen. Kang-do reagiert zunächst feindselig: Er schlägt sie, versucht sogar, sie zu vergewaltigen. Töten werde er sie, sagt Kang-do, wenn sie nicht einfach verschwindet. Die Frau bleibt aber hartnäckig. Sie kocht für Kang-do, hält die Wohnung sauber. Nach und nach wird der brutale junge Mann weich, weil er eine ihm bisher unbekannte Zuneigung erfährt. Damit geht auch ein Läuterungsprozess einher: Kang-do scheint seine menschenverachtende Tätigkeit aufgeben zu wollen, als die Handlung plötzlich eine ganz neue Wendung nimmt: Jang Mi-sun wird angegriffen. Obwohl Kang-do sie noch retten kann, verschwindet sie auf einmal. Der junge Mann sucht sie verzweifelt auf einmal begreift er, was Verlust bedeutet. Zwar gehört Kapitalismuskritik zu den Themen von Pietà der Geldverleiher, die Bauspekulation spielen dabei genauso eine Rolle wie das Sinnieren darüber, was Geld sei. So fragt der junge Mann Jang Mi-sun einmal, um von ihr zu hören: Geld ist Anfang und Ende von allem. Kim Ki-duks Drama handelt aber eigentlich von zwischenmenschlichen Beziehung, und so bietet er das Psychogramm eines jungen Mannes, der seinem brutalen Handwerk ohne jegliche Reue oder Gewissenskonflikte nachgeht. Pietà hätte wahrlich das Drama um Schuld und Sühne werden können, als das der Filmverleih Kim Ki-duks Film bezeichnet. Trotz der drastischen Bilder, der zelebrierten Gewaltexzesse hätte Pietà ein Film über von der Liebe hervorgerufene Läuterung, über Vergebung und somit der christlich inspirierte Film werden können, für den ihn offenbar manche halten. Die letzte Wendung im von Kim Ki-duk selbst verfassten Drehbuch stellt jedoch diese Erwartung auf den Kopf. Ich kann dir nicht verzeihen, lautet der entscheidende Satz. Denn nicht Suche nach Erlösung, sondern Rache ist der Leitgedanke in Pietà. Regisseur Kim Ki-duk stülpt zwar über seine Handlung ein pseudo-religiöses Kleid so insbesondere mit dem einer Pietà-Darstellung nachempfundenen Filmplakat, der für Pietà wirbt, obwohl diese Einstellung im Film gar nicht vorkommt (der Regisseur soll sie nachträglich aus dem Film entfernt haben), sowie mit dem Filmtitel selbst. Dass sich die Mutterliebe als eine besonders raffinierte oder auch perverse Rachegeschichte herausstellt, straft jedoch die Darstellung von Kim Ki-duks Drama als religiösen Film Lügen. Denn die Mutter in Kim Ki-duks ist keine mitfühlende und mitleidende Frau wie die Pietà-Darstellung des Filmplakats nahelegt. Ihr Verhalten erinnert vielmehr an einen ganz und gar weltlichen Racheengel. |
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