AUSLANDSEINSATZ – ZWISCHEN ALLEN FRONTEN | Auslandseinsatz
Filmische Qualität:   
Regie: Till Endermann
Darsteller: Max Riemelt, Hanno Koffler, Omar El-Saeidi, Henriette Müller, Devid Striesow, Bernadette Heerwagen, Vedat Erincin
Land, Jahr: Deutschland 2012
Laufzeit: 89 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
Auf DVD: 11/2012


José García
Foto: ARD Degeto

„Auslandseinsatz“ begleitet drei Zeitsoldaten nach Afghanistan: die beiden Freunde Daniel (Max Riemelt) und Ronnie (Hanno Koffler) sowie den in Afghanistan geborenen Emal (Omar El-Saeidi), der einst mit seiner Familie nach Deutschland floh. Zusammen mit der angehenden Stabsärztin Sarah Schulz (Henriette Müller) sollen sie zu einem entlegenen Dorf Kontakt wieder aufnehmen und eine Hilfsorganisation unterstützen, in deren Rahmen die Entwicklungshelferin Anna (Bernadette Heerwagen) Schüler betreut. Die ohnehin komplizierte Lage spitzt sich zu, als ein Sohn von Ortsvorsteher Jamil von einem US-Trupp erschossen wird und dessen Tochter Taras Zwangsverheiratung mit einem Taliban droht. Die nervöse, dokumentarisch wirkende Kamera, die an Kathryn Bigelows 2010 mit sechs Oscars ausgezeichneten Film „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ erinnert, sorgt in „Auslandseinsatz“ für Authentizität.


Interview mit Regisseur Till Endemann

Deutsche Filme über Auslandseinsätze der Bundeswehr gibt es kaum, über Afghanistan schon gar nicht. Wie sind sie auf dieses Thema gekommen?

Zunächst hat sich die „Relevant Film“ in Person der Producerin Nikola Bock zusammen mit Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt dieses Themas angenommen. Sie haben mit dieser Wahl Mut und bei der Finanzierung des Films Durchhaltevermögen gezeigt, denn es hat einige Jahre gedauert bis sich genügend Geldgeber fanden, um dieses politische Thema anzupacken. Während der Drehbuchentwicklung wurde ich für die Regie angefragt.


Im Mittelpunkt von „Auslandseinsatz“ stehen vier Soldaten. Wie haben Sie diese Figuren entwickelt?

Anhand dieser vier Soldaten werden im Film unterschiedliche Haltungen erzählt, die sie im Verlauf der Handlung – jeder für sich – überprüfen müssen. Meines Erachtens gehört es gerade zu den Stärken des Filmes, aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen. Wie die oftmals noch sehr jungen Soldaten in der Realität müssen auch unsere Filmfiguren vor Ort die Konflikte bewerten, in die sie geraten, und das tun sie auf unterschiedliche Art und Weise. Vereint sind sie, ebenfalls wie in der Realität, in dem Willen Gutes zu bewirken und der zunehmenden Frustration, dass ein humanitärer Einsatz in einem Krieg eigentlich zum Scheitern verurteilt ist.


Wie authentisch sind diese Figuren? Haben Sie militärische Berater unterstützt?

Sowohl den beiden Drehbuchautoren als auch mir standen Militärberater zur Seite, um die Fiktion mit der größtmöglichen Realität zu versehen, das war für uns bei einem solchen Projekt selbstverständlich. Zwei Berater waren besonders wichtig: Der eine war selbst als Oberst in Afghanistan im Einsatz, der andere hat Truppen für Afghanistan ausgebildet und begleitete dann auch unsere Dreharbeiten in Marokko. Es war eine absolut notwendige Hilfe, um mit den verfügbaren Mitteln für soviel Authentizität wie möglich zu sorgen. Darüber hinaus haben die Drehbuchautoren und ich immer wieder das Gespräch mit verschiedenen Soldaten gesucht, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Afghanistan im Einsatz waren, dort auch unterschiedliche Aufgaben und Aufträge hatten.


An einigen Stellen in „Auslandseinsatz“ wird über die Situation in Afghanistan gesprochen. Leisten Sie auch dadurch politische Bildungsarbeit?

Natürlich soll unser Film den Zuschauer emotional packen, in die Handlung hineinziehen, um dadurch am Ende den größtmöglichen Nachhall hervorzurufen. Es soll ein Film sein, mit dem der Zuschauer sich nachhaltig beschäftigt. Als erster deutscher Spielfilm, der sich konkret mit dem Einsatz vor Ort in Afghanistan auseinander setzt, hat er unweigerlich einen gewissen Bildungsauftrag, wie ich finde – auch wenn es mir unmöglich erscheint, der Situation in einem einzigen Film in Gänze gerecht zu werden. Die Situation in Afghanistan hat nicht nur eine einzige Wahrheit, weder der Einsatz der Bundeswehr, noch das Land mit all seinen unterschiedlichen Stämmen, Sprachen und Regionen.


„Auslandseinsatz“ verdeutlicht auch, dass die Beziehungen zwischen der Bundeswehr und der amerikanischen Armee nicht ohne Konflikte laufen. Ist dies ebenfalls authentisch?

Während der Recherche war immer wieder zu erkennen, dass sich deutsche und amerikanische Soldaten in ihrem Auftreten vor Ort unterscheiden. Während bei der Bundeswehr der friedensmissionarische Aspekt des Einsatzes im Verhalten der Soldaten (solange wie möglich) betont wird, treten die an Auslandseinsätze gewöhnten Amerikaner selbstverständlicher und gewissermaßen „soldatischer“ auf. Oftmals wird dieses Verhalten von den Afghanen als respektlos wahrgenommen und auch insgesamt ist es für die einheimische Bevölkerung zunehmend schwierig, das Positive zu sehen, wenn es bei Einsätzen immer wieder zu Kollateralschäden kommt. Wenn ein wichtiger Talibanführer ausgeschaltet wird, aber gleichzeitig unschuldige Zivilisten ums Leben kommen, stellt sich die Frage: Welche Mittel sind gerechtfertigt? Wie weit darf man gehen? Über dem ganzen Einsatz schwebt zwar die Idee des Kampfes für die Menschenrechte, aber unschuldige Zivilisten zu töten widerspricht den Menschenrechten zutiefst. Lösen kann der Film diesen Konflikt nicht. Aber ich hoffe, dass er einen Beitrag leistet zu einer ehrlichen Debatte über diesen und die folgenden Auslandseinsätze.
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