BARON MÜNCHHAUSEN | Baron Münchhausen
Filmische Qualität:   
Regie: Andreas Linke
Darsteller: Jan Josef Liefers, Helen und Isabelle Ottmann, Jessica Schwarz, Katja Riemann, Tayfun Bademsoy, Lars Rudolph, Tilo Prückner
Land, Jahr: Deutschland 2012
Laufzeit: 180 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --
Auf DVD: 12/2012


José García
Foto: ARD

Als „Lügenbaron“ ist er in die Geschichte eingegangen: Die sich um Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen (1720–1797) rankenden Legenden sind sprichwörtlich geworden („sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen“). Seine Abenteuer, die Freiherr von Münchhausen „im Zirkel seiner Freunde“ erzählte, wurden bereits zu seinen Lebzeiten aufgeschrieben. Einen hohen Bekanntheitsgrad erlangte „Münchhausen“, nachdem Gottfried August Bürger das von Rudolf Erich Raspe in englischer Sprache verfasste Buch „Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“ ins Deutsche rückübersetzte und ergänzte. Bis heute sind von diesem Werk mehr als tausend Ausgaben in dreißig Sprachen erschienen. Sie wurden von der UFA zu deren 25-jährigem Jubiläum 1943 als aufwändiger Kinofilm „Münchhausen“ adaptiert. Das Drehbuch stammte von Erich Kästner, der allerdings in Nazi-Deutschland nicht schreiben durfte und deshalb unter dem Pseudonym Berthold Bürger arbeitete. Unter der Regie von Josef von Báky spielte die Hauptrolle Hans Albers. Die aufwändige Produktion setzte viele für die Zeit sehr gelungene Trickaufnahmen ein, etwa in der berühmten Szene mit der Kanonenkugel. Bereits der Film von Josef von Báky und Erich Kästner führt eine zweite Ebene ein: Die Abenteuer des „Lügenbarons“ werden als Rückblende vom letzten Baron Münchhausen erzählt, der seinem berühmten Vorfahren verblüffend ähnlich sieht. In Terry Gilliams „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ (1988) sprengt ein gealterter Baron Münchhausen (John Neville) eine Theatervorstellung über sein Leben: „Alles Lüge!“ Er will seine „echten“ Abenteuer so erzählen, wie sie sich wirklich zugetragen haben.

Einen ähnlichen Kunstgriff wendet nun der Zweiteiler „Baron Münchhausen“ an, den die ARD am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag sendet: In einem Gasthaus erzählt der abgerissene und mittellose Baron Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen (Jan Josef Liefers) seine Geschichten – vom Ritt auf der Kanonenkugel, von seiner Eroberung der mächtigen und schönen Zarin Katharina der Großen (Katja Riemann). Die Gasthausbesucher hören gespannt zu, bis eine hübsche junge Frau, die Landadlige Constanze von Hellberg (Jessica Schwarz), ihn der Lüge bezichtigt, sodass sich die anderen von ihm abwenden. Zu allem Überfluss schleicht sich das elfjährige Zirkuskind Frieda (Helen und Isabelle Ottmann) in sein Zimmer ein. Sie behauptet, seine Tochter zu sein und auf dem Weg zu ihrer Mutter nach St. Petersburg zu sein. Münchhausen fühlt sich verpflichtet, Frieda zu ihrer Mutter zu bringen. Bald gesellt sich Constanze von Hellberg zu ihnen. So kommt der Baron zu seinen neuen Abenteuern, als sich das Trio in den Händen von Piraten wiederfindet. Die Flucht gelingt mit einer Kanonenkugel – doch diesmal fliegt Frieda mit ihm. Die beiden landen auf dem Mond, wo sie tatsächlich den Mann im Mond (Tilo Prückner) kennenlernen, der ihnen das Seil schenkt, mit dem sie sich zur Erde hinabhangeln können. In St. Petersburg angekommen, entwirft die eifersüchtige Katharina einen gerissenen Plan, um Münchhausen für sich alleine zu behalten, was ein neues Abenteuer nach sich zieht.

Vieles in Andreas Linkes Film vom Ritt auf der Kanonenkugel bis zur Wette am Hof des Sultans (Tayfun Bademsoy) erinnert an die Verfilmung mit Hans Albers. Neben der prachtvollen Ausstattung und dem Wortwitz der Dialoge sticht jedoch die Figur der Frieda heraus. Dazu Drehbuchautor Marc O. Seng: „Bisher hat man Münchhausen immer als strahlenden, unbesiegbaren Helden gesehen. Ein tollkühner Kerl, der – von schönen Frauen, gutem Wein und der eigenen Tollkühnheit mal abgesehen – keinerlei Schwächen zeigte. Wir glauben aber, auch die stärksten Helden wachsen uns erst dank ihrer menschlichen Schwächen ans Herz. Darum haben wir uns überlegt, was ist das Allerschlimmste, das einem rastlosen Abenteurer wie unserem Baron Münchhausen passieren kann: ein Kind. Denn ein Kind bedeutet all das, was der freiheitsliebende Lügenbaron verabscheut: Feste Regeln, Verlässlichkeit und Verantwortung ... Aber eben auch viel mehr. Und das lernt der große Münchhausen erst im Lauf unserer Geschichte von dem kleinen Mädchen an seiner Seite.“

Drehbuchautor Marc O. Seng und Regisseur Andreas Linke entwerfen ein wunderschönes Märchen für die ganze Familie. Die Dramaturgie setzt insbesondere im ersten Teil auf ein episodisches Erzählen, was wiederum die 90-minütige Filmlänge für die kleineren Zuschauer annehmbar macht. Vor allem aber die Verknüpfung von Abenteuern und Familiengeschichte funktioniert bestens dank der Natürlichkeit, mit der die Zwillinge Helen und Isabelle Ottmann Frieda darstellen. Den erwachsenen Darstellern merkt man die Spielfreude förmlich an – allen voran Jan Josef Liefers, der seinen Baron Münchhausen in keinem Augenblick der Groteske ausliefert. Zu den sehr bunten Bildern passen die schrulligen Kampfszenen und die klamaukigen Szenen am Hof des Sultans sowie die an die „Fluch der Karibik“-Filme erinnernde Filmmusik von Chris Bremus.



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