MÜNCHEN IN INDIEN | München in Indien
Filmische Qualität:   
Regie: Walter Steffen
Darsteller: (Mitwirkende): Konstantin Fritz, Hansreiner Fritz, Wolfdieter Fritz, Hajo Fritz, Walter Grasskamp, Maharana Shriji Arvind Singh Mewar, Maharaja Sukhjit Singh, Maharani Preneet Kaur, Subhash Parihar, Amrut Modi,
Land, Jahr: Deutschland 2012
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 1/2013
Auf DVD: 10/2013


José García
Foto: Konzept + Dialog

In Deutschland gehört Fritz-München gewiss nicht zu den bekanntesten Malern des 20. Jahrhunderts. Allerdings zeichnet ihn etwas Besonderes aus: In Indien wurde er zum einzigen deutschen Hofmaler der Maharadschas. Walter Steffens Dokumentarfilm „München in Indien“ folgt der Reise von Konstantin Fritz, dem Enkelsohn Fritz-Münchens, auf den Spuren seines Großvaters in Indien. Die dadurch entstandenen Bilder verknüpft Regisseur Steffen mit den 16mm-Filmaufnahmen des Künstlers, der auf seinen Reisen immer wieder wichtige Ereignisse filmte. Diese Aufnahmen, die von dem Kontrast zwischen dem Prunk an verschiedenen Höfen und der Armut der einfachen Bevölkerung zeugen, werden in „München in Indien“ erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Dokumentarfilm stellt außerdem das Leben des weitgehend unbekannten Künstlers in Beziehung zur indischen und deutschen Geschichte in den Jahren 1932 bis 1948, was dem Dokumentarfilm einen wesentlichen Mehrwert verleiht.

Hannes Fritz-München wurde 1896 als Johannes Adam Fritz im pfälzischen Kusel in kleinbürgerlichen Verhältnissen geboren. Nach einer Banklehre erhielt er eine Anstellung in Heidelberg, gab aber im Jahr 1925 sein gesichertes Leben als Bankangestellter auf, um an der Akademie der Bildenden Künste in München zu studieren. Er malt „akademisch“ – mit modernen Kunstrichtungen etwa dem Expressionismus hat sein Stil nichts zu tun. Der Maler beginnt, seine Bilder mit „Fritz-München“ zu signieren. Nach der Rückkehr einer ersten Reise verliebt er sich 1928 in die Tänzerin Editha Wölfl, der er eine Hochzeitsreise durch den indischen Subkontinent verspricht. Dank Empfehlungsschreiben erhält der Maler Zugang zu den Palästen der indischen Fürsten. Fritz-München avanciert zum gefragten Hofmaler der Maharadschas und der englischen Kolonialherren. Der Künstler befindet sich noch in Indien, als in Deutschland die Nationalsozialisten die Macht übernehmen. Erste Konzentrationslager entstehen, aber auch bildende Künstler bekommen den neuen Ungeist zu spüren: Der großangelegten Münchener „Entartete Kunst“-Ausstellung im Sommer 1937 gehen etliche kleinere Veranstaltungen voraus. Eine weitere Reise nach Indien ist aufgrund der zunehmenden Spannungen zwischen Nazi-Deutschland und England nicht mehr möglich, sodass Fritz-München in Bayern bleibt. Er tritt in die NSDAP ein, in der Hoffnung, so an Aufträge zu gelangen, aber ohne Erfolg. Der Maler kämpft um das Überleben seiner Familie. Dabei zieht er sich zunehmend in seine indische Fantasiewelt zurück. Dieser innere Rückzug dauert bis zum Tod des Künstlers im Jahr 1981.

Auf seiner Reise durch Indien sucht Konstantin Fritz nach Zeugnissen und insbesondere nach verschollenen Bildern seines Großvaters. Anhand der Tagebücher und Briefe des Künstlers macht sein Enkel Nachfahren der indischen Maharadschas ausfindig. Dazu führt Regisseur Walter Steffen aus: „Ein alter Reisekoffer, gefüllt mit Hunderten von S/W-Fotos, vor allem aber mit den Briefen und Tagebüchern Fritz-Münchens gab uns die Reiseroute vor, der wir während unserer Dreharbeiten im heutigen Indien folgten. So entstand – 80 Jahre nachdem Fritz-München zum ersten Mal den indischen Subkontinent bereiste – ein Film, den ich selbst als Dokumentarischen Roman bezeichne. Ein Film, bei dem es mein Anliegen war, das abenteuerliche Leben des Künstlers Fritz-München möglichst authentisch nachzuzeichnen – ein Leben zwischen 1001 Nacht und dem Dritten Reich und es gleichzeitig mit der Wirklichkeit des heutigen Indien zu verbinden.“ Interviews mit den Nachfahren von Fritz-München und der Maharadschas werden ergänzt mit denen mit Kunsthistorikern.

Dennoch bleibt die Dokumentation sehr nah am Künstler. Sie versucht die teilweise in sehr exotischen Bahnen verlaufene Lebensgeschichte eines außergewöhnlichen Malers zu rekonstruieren. Walter Steffen: „Die Geschichte Fritz-Münchens ist die Geschichte eines klassischen Helden, sie erzählt von seinem schnellen Aufstieg, von seinem tragischen Fall und findet schließlich ihr Happy End. Das Leben Fritz-Münchens und vor allem seine Entscheidung, der inneren Stimme zu folgen, sind für mich beispielgebend. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der eigentlichen Bestimmung des Menschen im Sinne eines erfüllten Daseins.“

Der Dokumentarfilm erkundet darüber hinaus die Haltung des Malers zu den politischen Umbrüchen seiner Zeit und insbesondere zu seinem Leben als Künstler im Dritten Reich. Zu der Frage, was Fritz-München etwa vom Begriff der „Entarteten Kunst“ und vom Terror des Nazi-Regimes hielt, kommt auch die, wie er die damaligen indischen Verhältnisse in einem so günstigen Licht sehen konnte. Die Fragen zur deutsch-indischen Geschichte sowie zu den Symbolen der indischen Kulturen verleihen „München in Indien“ einen allgemein gültigen Charakter. Im Laufe der Beschäftigung mit Fritz-München stellt der Film außerdem Überlegungen zu Zivilcourage und Opportunismus an.
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