THE IMPOSSIBLE | The Impossible
Filmische Qualität:   
Regie: Juan Antonio Bayona
Darsteller: Naomi Watts, Ewan McGregor, Tom Holland, Samuel Joslin, Oaklee Pendergast, Sönke Möhring, Geraldine Chaplin
Land, Jahr: USA 2012
Laufzeit: 114 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 1/2013
Auf DVD: 6/2013


José García
Foto: Concorde

Weihnachten 2004. Eine von einem Seebeben im Indischen Ozean verursachte gigantische Flutwelle bricht über die Küsten von Indonesien und Thailand herein. An den Folgen dieses Tsunamis starben insgesamt etwa 230.000 Menschen, wobei Indonesien, Sri Lanka und Indien am stärksten betroffen waren. In Thailand traf der Tsunami besonders auf die von Touristen bevorzugte Insel Phuket. Unter den vielen westlichen Touristen, die auf Phuket die Weihnachtsferien 2004 verbrachten, befand sich eine fünfköpfige spanische Familie. Ihre Erlebnisse verarbeitete der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona in seiner zweiten Regiearbeit nach dem Spielfilmdebüt „Das Waisenhaus“ (siehe Filmarchiv), der internationalen Großproduktion „The Impossible“, die Bayona auf Englisch mit britischen Schauspielern drehte.

Die in Japan lebende Familie Bennett fliegt nach Thailand. Die Eltern Maria (Naomi Watts) und Henry (Ewan McGregor) unterhalten sich über Alltägliches. Der älteste Sohn Lucas (Tom Holland) zeigt sich wenig geneigt, sich um seine jüngeren Brüder Thomas (Samuel Joslin) und Simon (Oaklee Pendergast) zu kümmern. Während des Flugs lassen bereits Turbulenzen erahnen, was folgen wird. Darauf muss der Zuschauer nicht lange warten. Kaum eine Viertel Stunde nach Filmbeginn ereignet sich die Katastrophe: Eine hohe Flutwelle reißt alles mit sich und auch Familie Bennett auseinander. Die Kamera bleibt zunächst einmal bei Maria, die kurz darauf ihren ältesten Sohn Lucas (Tom Holland) findet. Als sie sich auf einem Baum festhalten, zeigt sich Marias schwere Beinverletzung. Sie hören die Schreie eines kleinen Kindes. Lucas setzt sich gegen seine Mutter durch und rettet den kleinen Jungen. Henry wiederum findet die jüngeren Söhne relativ bald, gibt sie aber in die Obhut anderer Touristen, um sich auf einer Odyssee durch Notunterkünfte und zerstörte Krankenhäuser auf die Suche nach seiner Frau und seinem ältesten Sohn zu machen.

„The Impossible“ zeigt zwar in Totalen Bilder der Verwüstung, die dem Zuschauer das Ausmaß des verheerenden Tsunamis vermitteln. Die meiste Zeit bleibt jedoch die Kamera von Oscar Faura nah an der von Naomi Watts dargestellten Mutter, aus deren Sicht der Zuschauer die Folgen der Flutwelle erlebt... und zusammen mit Maria von ihr mitgerissen wird. Dank einer dynamischen Kameraführung und eines effektvollen Tondesigns wirken diese Szenen ungemein realistisch. Dennoch gelingt es Regisseur Bayona darüber hinaus, den allgemeinen chaotischen Zustand in der Gegend sowie im Besonderen auch im Krankenhaus zu verdeutlichen, in dem Maria behandelt wird und Lucas ein emotionales Wiedersehen erlebt. Über die spannungsgeladenen Situationen hinaus, die das vermeintlich „Unmögliche“ des Filmtitels möglich machen, beeindrucken insbesondere die Augenblicke, in denen der Zuschauer nicht nur den verzweifelten Kampf gegen die entfesselte Natur, sondern auch den körperlichen Schmerz förmlich zu spüren meint.

Die Schwäche des Drehbuchs von Sergio G. Sánchez besteht jedoch im ausschließlichen Fokus auf die eine Touristenfamilie. Im Grunde konzentriert sich „The Impossible“ lediglich auf Maria, Henry und den ältesten Sohn Lucas. Alles andere ist Beiwerk. Dass der Zuschauer herzlich wenig von ihnen erfährt – die Familie ist wegen Henrys Arbeit nach Japan umgezogen, Maria hat ihren Beruf als Ärztin aufgegeben, um sich um die Kinder zu kümmern – verstärkt zwar den Eindruck, bei diesen Tsunami-Opfern handele es sich um „Jedermann“. Diese Durchschnittlichkeit der Hauptfiguren geht jedoch auch mit einer gewissen Eindimensionalität der Charaktere einher. Die einzige Figur, die sich im Laufe des Filmes wirklich entwickelt, ist der älteste Sohn Lucas. Deshalb ist der junge Tom Holland besonders hervorzuheben, auch wenn die schauspielerische Leistung Naomi Watts nicht deshalb geschmälert werden soll – die amerikanische Filmakademie hat sie mit einer Oscarnominierung, der einzigen für „The Impossible“, belohnt. Nach den actiongeladenen dreißig Minuten der Flutwelle wirkt Henrys Suche nach den restlichen Familienmitgliedern zu sehr in die Länge gezogen. Außerdem hinterlässt es einen schalen Beigeschmack, dass angesichts der großen Tragödie Bayonas Film die einheimische Bevölkerung zur reinen Staffage degradiert. Dennoch: „The Impossible“ zeigt ein menschliches Drama, das den Zuschauer in seinen Bann zieht, insbesondere weil im Mittelpunkt die allen Schwierigkeiten trotzende Liebe einer Mutter steht. Bezeichnend in diesem Zusammenhang sind Maries Worte zu ihrem Sohn Lucas: „Du und ich werden nicht sterben“.

Obwohl der Film keinerlei Andeutung auf den Glauben der Protagonisten macht, wird die Zerbrechlichkeit des menschlichen Daseins nicht nur in der ehrfurchtgebietenden Gewalt der Naturkatastrophe. In diesem Zusammenhang bleibt auch der letzte Dialog zwischen Henry und Maria Bennett vor der Flutwelle in Erinnerung: Sie unterhalten sich über ihre Zukunftspläne, ob sie in Japan bleiben oder aber nach Hause zurückkehren sollen. Dass eine Minute später eine solche Naturgewalt über sie hereinbricht und solche Überlegungen obsolet macht, versinnbildlicht die Unsicherheit des menschlichen Daseins, die wir ja so gerne verdrängen.
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