WILLKOMMEN IN DER BRETAGNE | Bowling
Filmische Qualität:   
Regie: Marie-Castille Mention-Schaar
Darsteller: Catherine Frot, Firmine Richard, Mathilde Seigner, Laurence Arné, François Bureloup, Mathias Mlekuz, Julien Crampon
Land, Jahr: Frankreich 2012
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 2/2013
Auf DVD: 7/2013


José García
Foto: Alamode

Die Personalmanagerin Catherine (Catherine Frot) aus Paris muss in die Provinz. Wegen eines Auftrags ihrer Unternehmensberaterfirma tauscht sie auf unbestimmte Zeit ihre mit Kunstwerken elegant eingerichtete Pariser Wohnung – nicht umsonst arbeitet ihr Mann als Kunsthändler – gegen ein nichtssagendes Hotelzimmer in der Bretagne. Catherine soll das in Finanznot geratene Krankenhaus von Carhaix einer Finanzanalyse unterziehen und Sparmaßnahmen vorschlagen. Einen ersten Vorgeschmack auf den Zusammenprall zwischen der Hauptstadt und der Provinz erlebt der Zuschauer bereits bei Catherines Ankunft in Carhaix, als auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel der Taxifahrer sie forsch zurechtweist: Das „x“ in Carhaix werde nicht ausgesprochen! Bei der ersten Sitzung mit der Krankenhaus-Belegschaft werden Klischees weiter bemüht: Auf der einen Seite die adrett im Kostüm gekleidete, streng wirkende Hauptstädterin, auf der anderen die legeren Bretonen. Dass Catherine die Stimmung ausgerechnet mit einem Bretonen-Witz entspannen will, trägt nicht gerade zur Auflockerung bei. Für den Krankenhausdirektor steht ohnehin die Lösung von Anfang an fest: Die Entbindungsstation verschlingt viel zu viel Geld für nicht einmal eine Geburt pro Tag. Deshalb soll sie in die größere Stadt Quimper ausgelagert werden. Dagegen formiert sich sofort Widerstand. Die resoluten Hebammen Mathilde (Mathilde Seigner), Firmine (Firmine Richard) und Louise (Laurence Arné) schaffen es, zunächst eine ganze Riege Schwangerer, dann das ganze Carhaix auf die Straße zu bringen. Plötzlich steht Catherine zwischen den Fronten: Mitten in der Krise fährt der Krankenhausdirektor einfach in den Urlaub und überlässt ihr die Verhandlungen. Auf der anderen Seite hat Catherine inzwischen ihre Vorurteile gegen das „provinzielle“ Bowlingspiel aufgegeben. Nachdem sie sich als Naturtalent erwiesen hat, wurde sie von Louise in das Bowling-Team aufgenommen, mit dem Catherine zum ersten gemeinsamen Turnier fährt. Nach dem ersten Sieg folgen weitere Spiele, die das Kegelteam der ersehnten bretonischen Meisterschaft näherbringen. Dadurch wächst die Freundschaft zwischen Catherine und den Frauen, deren Arbeitsplatz sie eigentlich vernichten soll. Ihr Herz schlägt zwar schon lange für die Hebammen aus Carhaix. Aber wie soll sie sich gegen den Krankenhausdirektor durchsetzen? Für Catherine steht es fest: Sie muss sich irgendeine Lösung für die Entbindungsstation einfallen lassen.

Marie-Castille Mention-Schaars Spielfilm „Willkommen in der Bretagne“ (Originaltitel: „Bowling“) reiht sich in die Riege französischer Filme ein, die den Arbeitsplatzabbau thematisieren, ohne deshalb den Realismus der britischen Regisseure Mike Leigh oder Ken Loach anzuschlagen, so etwa zuletzt Cédric Klapischs „Mein Stück vom Kuchen“ (siehe Filmarchiv) oder Robert Guédiguians „Der Schnee am Kilimandscharo“ (siehe Filmarchiv). Stellt Guédiguian einen mit dem Klassenbewusstsein gepaarten Gewissenskonflikt in den Mittelpunkt seines Filmes, so lässt Cédric Klapisch in „Mein Stück vom Kuchen“ zwei Welten aufeinanderprallen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Marie-Castille Mention-Schaars könnte als die weibliche Antwort auf „Willkommen bei den Schtis“ angesehen werden. Darüber hinaus werden alle Männer, an erster Stelle Catherines Ehemann, als reine Katastrophe oder aber als kauzige Figuren, so etwa der Fahrprüfer, gezeichnet. Auch wenn Catherine Frot, Mathilde Seigner und die anderen Damen nicht die unbändige Situationskomik und den bestens getimten Witz von Danny Boon und Kad Merad besitzen, überzeugt sowohl Catherine Frot mit ihrer Darstellung der hochnäsigen Hauptstädterin, die nach und nach die Geradlinigkeit der Bretonen schätzen lernt, als auch die Bodenständigkeit der Hebamme Firmine, die in ihrem Leben bereits 1 947 Kinder auf die Welt gebracht hat. Nicht nur die großen, mit der Finanzkrise einhergehenden Probleme werden durchaus realistisch dargestellt.

Obwohl sich das Drehbuch ziemlich vorhersehbar ausnimmt, unterstreicht „Willkommen in der Bretagne“ auch dank einer angenehm wirkenden, sich nicht in den Vordergrund drängenden Filmmusik mit zum Teil bretonischen Klängen sowie dank witziger Dialoge die Bedeutung der Freundschaft und des Zusammenhalts. Das in „Willkommen bei den Schtis“ gewissermaßen als Motto erwähnte Sprichwort „Ein Fremder, der in den Norden kommt, weint zweimal: wenn er ankommt und wenn er wieder geht“, könnte auch für „Willkommen in der Bretagne“ zutreffen. Catherine ist die Umstellung von Paris nach Carhaix ganz schön schwergefallen. Ein zweites Mal zu weinen braucht sie aber vielleicht nicht.
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