FEINEN UNTERSCHIEDE, DIE | Die feinen Unterschiede
Filmische Qualität:   
Regie: Sylvie Michel
Darsteller: Wolfram Koch, Bettina Stucky, Leonard Bruckmann, Silvia Petkova, Anne Ratte-Polle
Land, Jahr: Deutschland 2012
Laufzeit: 80 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 3/2013
Auf DVD: 9/2013


José García
Foto: Neue Visionen

In ihrem Spielfilmdebüt „Die feinen Unterschiede“ stellt Sylvie Michel zwei Menschen gegenüber, die kaum etwas gemeinsam haben: Sebastian (Wolfram Koch) arbeitet als Arzt im Bereich der In-Vitro-Fertilisation, wird hin und wieder zu Talk-Shows eingeladen. Von seiner inzwischen in den Vereinigten Staaten lebenden Frau hat er sich getrennt. Nun bewohnt er mit dem gemeinsamen Sohn Arthur (Leo Bruckmann) eine gediegene Villa und fährt ein Oberklasseauto. Auch seine feinen Anzüge zeugen davon, dass der Facharzt für künstliche Befruchtung finanziell abgesichert zu sein scheint. Ganz anders Jana (Bettina Stucky), die bulgarische Putzhilfe in seinem Haus, aber auch in der Klinik, die in einer kleinen Wohnung im Hochhaus wohnt, das durch die unter ihm fahrende U-Bahn immer wieder erschüttert wird. Ein Auto hat Jana nicht. Und teure Kleidung kann sie sich ebenfalls nicht leisten. Ganz unterschiedlich ist außerdem ihre Auffassung von Erziehung: Lässt Sebastian seinem 16-jährigen Sohn Arthur viel Freiraum, auch in dessen Beziehung zur Freundin Julia (Katharina Kubel), so versucht Jana ihre bereits zwanzigjährige Tochter Vera (Silvia Petkova) zu kontrollieren, damit das Mädchen wirklich ihr Studium in Berlin beginnen kann. Eines Abends gehen die Jugendlichen ohne Janas Zustimmung gemeinsam aus. Am nächsten Morgen erfährt Jana, dass Arthur und Vera nicht nach Hause gekommen sind und gerät sie Panik. Sebastians Versuche, sie zu beruhigen, bewirken das Gegenteil. Provoziert von Sebastians Teilnahmslosigkeit, bricht alles aus Jana heraus, was zwischen ihnen steht. Zwischen den beiden kommt es zum Eklat.

Die Kamera von Mario Massini nimmt in diesem mit minimalistischen Mitteln inszenierten Film eine eher beobachtende Position ein, die „Die feinen Unterschiede“ eine beinahe dokumentarische Anmutung verleihen. Regisseurin Sylvie Michel konzentriert sich dadurch ganz auf ihre Figuren, um den Unterschied zwischen beiden Lebensauffassungen herauszuarbeiten. Ihr Spielfilmdebüt zeichnet das Psychogramm eines Menschen, der in sich zu ruhen scheint, dessen Widersprüche und Risse nach und nach aber offengelegt werden. So wird der in seiner Beziehung zu seinem Sohn betont lockere Sebastian auf einmal ganz schön autoritär gegenüber Arthur. Später wandelt sich seine freundliche, allerdings gönnerhafte Art gegenüber seiner Putzfrau auf einmal in das gebieterisch-hochmütiges Gehabe desjenigen, der die „feinen Unterschiede“ kennt und deshalb einfach das Sagen hat. So schnell kann eine auf liberal und tolerant getrimmte Maske fallen. Als Kontrast zu Sebastians scheinbarer Aufgeklärtheit gewinnt die Bodenständigkeit Janas an Gewicht – selbst wenn sich ihre übermäßige Sorge um Tochter Vera nicht unbedingt positiv auswirkt.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren