KON TIKI | Kon Tiki
Filmische Qualität:   
Regie: Joachim Rønning, Espen Sandberg
Darsteller: Pål Sverre Hagen, Anders Baasmo Christiansen, Jakob Oftebro, Tobias Santelmann, Gustaf Skarsgård, Odd-Magnus Williamson, Agnes Kittelsen
Land, Jahr: GB, NO, DKN 2011
Laufzeit: 118 Minuten
Genre: Action/Western
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 3/2013
Auf DVD: 11/2013


José García
Foto: DCM

Im Jahre 1947 überquerte der norwegische Forscher Thor Heyerdahl (1914–2002) auf einem selbst gebauten Floß aus Balsaholz den Pazifischen Ozean: In 101 Tagen legten er und seine fünf Begleiter 8000 Kilometer vom Hafen Callao in Perú bis zum Tuamotu-Archipel zurück. Seine Reise sollte die These beweisen, dass die Ureinwohner Polynesiens aus Südamerika stammten; obwohl sie nur über primitive Küstenfahrzeuge verfügten, konnten sie den Pazifik dank der Meeresströmungen überqueren. Eine These, die er selbst gegen die klassischen Ansichten der Völkerkundler aufgestellt und vor der Floßfahrt erfolglos verteidigt hatte. Die waghalsige Seefahrt des Floßes „Kon-Tiki“ von Peru nach Polynesien wurde als eines der größten Abenteuer des 20. Jahrhunderts gefeiert. Heyerdahls Buch „Kon-Tiki: Ein Floß treibt über den Pazifik“ wurde in 67 Sprachen mehr als 50 Millionen Mal verkauft. Sein während der Überfahrt gedrehter Dokumentarfilm „Kon-Tiki“ gewann 1952 den Oscar.

Für den diesjährigen Oscar nominiert war der nun anlaufende norwegische Spielfilm „Kon Tiki“ von Joachim Rønning und Espen Sandberg, der die Fahrt der Kon-Tiki vor 65 Jahren nachstellt. Dass Thor Heyerdahl bereits als Kind waghalsig war, unterstreicht der Spielfilm mit einer kurzen, im Norwegen des Jahres 1920 angesiedelten Episode, bei der der kleine Thor beinah ertrunken wäre. Denn Thor Heyerdahl war zeit seines Lebens Nichtschwimmer – was natürlich seine abenteuerliche Reise auf der Kon-Tiki draufgängerischer erscheinen lässt. Siebzehn Jahre später hält sich Thor Heyerdahl (Pål Sverre Hagen) zusammen mit seiner Frau Liv (Agnes Kittelsen) bei einer längeren Forschungsreise auf Fatu Hiva auf, einer einsamen Insel der Marquesas-Gruppe. Auf der polynesischen Insel kommt er 1937 auf die damals revolutionäre Idee, dass die Südseeinseln von Südamerika aus besiedelt worden waren – und nicht von Asien aus. Die Ähnlichkeiten polynesischer steinerner Statuen mit denen aus Südamerika sowie die von Joachim Rønnings und Espen Sandbergs Film bebilderten Gespräche mit Einheimischen, die von der mythischen Herkunft ihres Volkes aus dem Osten erzählten, überzeugen Heyerdahl. Der Forscher verfasste eine Schrift mit seiner These, fand aber keinen Verlag, der sie veröffentlichen wollte.

Der Film begleitet Heyerdahl nach Brooklyn, wo ihm 1946 erneut eine Abfuhr erteilt wird. Dort beschließt er, selbst ein Floß zu bauen und den Beweis persönlich anzutreten. In New York trifft der Forscher auf Hermann Watzinger (Anders Baasmo Christiansen), einen gerade aus dem Krieg heimkehrten Ingenieur, der sich als Kühlschränke-Vertreter über Wasser hält, und sich Heyerdahl spontan anschließt. Weil sich die Finanzierung als schwieriger als zunächst gedacht herausstellt, wendet sich der Forscher an Perús Präsidenten José Luis Bustamante. Dass durch die Expedition die Entdeckung Polynesiens von Peru aus bewiesen werden soll, schmeichelt ihm, so dass er dem Forscher eine großzügige Hilfe gewährt. Am Callao-Hafen kommen die anderen Teilnehmer dazu: die Kriegsheimkehrer Torstein Raaby (Jakob Oftebro) und Knut Haugland (Tobias Santelmann), Heyerdahls Jugendfreund Erik Hesselberg (Odd-Magnus Williamson) und der schwedische Wissenschaftler Bengt Danielsson (Gustaf Skarsgård). Hier wird das Floß mit ausschließlich urzeitlichen Materialien gebaut. Die neun Stämme aus Balsaholz werden beispielsweise nur von Hanfseilen zusammengehalten.

Die Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandbergs setzen auf eine fast dokumentarische Inszenierung, in die auch nachgestellte „dokumentarische“ Schwarz-Weiß-Aufnahmen eingestreut werden, die allerdings mit den wunderschönen Bildern von Kameramann Geir Hartly Andreassen verbunden werden. So beeindrucken insbesondere vor allem die nächtlichen Luftaufnahmen, aber ebenfalls Unterwasseraufnahmen mit einem Wal sowie mit schön bunten Fischen. Das Drehbuch hält alles parat, was sich der Zuschauer unter einer solch abenteuerlichen Segeltörn vorstellt: Ein Sturm zieht auf, eine riesige Welle türmt sich auf, irgendwann einmal greifen Haie das Floß an... Diese Hochglanzästhetik, von der sich die braungebrannten Gesichter der Expeditionsteilnehmer anstecken lassen, lässt jedoch ein wirkliches Gefühl für die mitten auf dem Ozean lauernden Gefahren kaum erahnen.

Bei der Bekanntheit der Kon-Tiki-Expedition wundert es kaum, dass Drehbuchautor Petter Skavlan insbesondere auf Authentizität achtet. Die Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandberg setzen vor allem auf eine imposante Bebilderung dieser Expedition, bei der die Figurenzeichnung freilich auf der Strecke bleibt. Abgesehen davon, dass die fünf Begleiter Thor Heyerdahls ein wenig holzschnittartig gezeichnet werden, und die durch das lange Zusammenleben auf kleinstem Raum entstandene Gruppendynamik blass bleibt, kommt der Film seinem Protagonisten kaum auf die Spur. Pål Sverre Hagens Thor Heyerdahl ist ein strahlender Held, der sich von keinem Rückschlag weder bei den Vorbereitungen noch bei der Durchführung seiner Expedition verunsichern lässt. Auf die Schattenseiten Thor Heyerdahls kam dessen Enkel Olav Heyerdahl unlängst in einem Interview zu sprechen: „Großvater machte sich einfach auf und davon, um seine Sachen zu machen. Für meine Großmutter war das sehr schwer. Die beiden trennten sich nach der Expedition, weil mein Großvater extrem egozentrisch war.“
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