IN THE BEDROOM | In The Bedroom
Filmische Qualität:   
Regie: Todd Field
Darsteller: Tom Wilkinson, Sissy Spacek, Nick Stahl, Marisa Tomei, William Mapother, Celia Weston, Karen Allen, Frank T. Wells
Land, Jahr: USA 2001
Laufzeit: 135 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G, U


JOSÉ GARCÍA
Foto: United International Pictures

Die Auseinandersetzung mit dem Tod gehört seit jeher zu den wiederkehrenden Sujets der Kunst und deshalb auch des Kinos. Die Darstellung des durch den Tod des eigenen Kindes hervorgerufenen Schmerzes gleitet im Film allerdings häufig ins Pathetische ab. Dennoch: Filmregisseure versuchen immer wieder, diese Seelenlage realitätsnah wiederzugeben, zuletzt etwa Nanni Morettis mit der Goldenen Palme in Cannes 2001 ausgezeichneter Film „Das Zimmer meines Sohnes“. Einige Ähnlichkeiten mit Morettis exzellentem Werk zeigt nun das Regiedebüt des 38jährigen Todd Field, das heute im deutschen Kino startet. Diese Parallelen reichen bis in den Titel hinein: „In the Bedroom“.

Nach der Kurzerzählung „Killings“ von André Dubus schildert „In the Bedroom“ die Geschichte einer „Sommer-Libelei“ mit tödlichem Ausgang: Frank (Nick Stahl), der einzige Sohn des Arztes Matt Fowler (Tom Wilkinson) und der Musiklehrerin Ruth Fowler (Sissy Spacek), hat gerade die High School beendet und einen Ferienjob als Hummer-Fischer angenommen, um sein Architekturstudium zu finanzieren. Im Mittelpunkt des ersten Teils von „In the Bedroom“ steht Franks Verhältnis zu der zweifachen Mutter und von ihrem Ehemann noch nicht geschiedenen Natalie (Marisa Tomei). Obwohl der Regisseur dem Zuschauer jede Intimität zwischen den beiden erspart und sich Marisa Tomei redlich bemüht, jünger zu erscheinen, wirkt die Beziehung zwischen einem achtzehnjährigen und einer Mittdreißigerin einfach unglaubwürdig; die Versuche Franks, den Kindern Natalies ein Ersatzvater zu sein, berühren eher peinlich. Gegen die Liebesaffäre stemmt sich Franks Mutter, vor allem aber Richard, der unberechenbare Mann Natalies. Und so nimmt eine Tragödie ihren Lauf: In dem Handgemenge, in das der mit einem Revolver bewaffnete Richard Frank verwickelt, löst sich ein Schuss, der allerdings ins Off verlegt wird. So wird weder der Zuschauer noch das Gericht zweifelsfrei auf ein Tötungsdelikt erkennen können.

Wie schon in „Das Zimmer meines Sohnes“ droht der Verlust des Kindes die Ehe der Eltern auseinander zu brechen: Die Hauptdarsteller von „In the Bedroom“ Sissy Spacek und Tom Wilkinson stellen die zunehmende gegenseitige Entfremdung mit ähnlicher Intensität dar wie Laura Morante und Nanni Moretti im Film des italienischen Regisseurs. So besitzt in Todd Fields Film etwa auch das leere Zimmer des Sohnes Symbolcharakter: Wie Matt Fowler das Kopfkissen im leeren Schlafzimmer seines Sohnes glattstreicht, gehört zu den bewegenden Gesten dieses an Zwischentönen reichen zweiten Filmteils. Dieser zweite Akt wird vom Schweigen und einer greifbaren Anspannung beherrscht, die der Banalisierung keinem Platz lassen. Im herausragenden Spiel der drei allesamt für den Oscar nominierten Darsteller und ganz besonders Sissy Spaceks, die mit dieser Rolle den Goldenen Globe gewann, liegen die allgemein gelobten Stärken des Films.

Die herausragende schauspielerische Leistung Spaceks, Wilkinsons und Tomeis vermag jedoch die offensichtlichen Brüche und den uneinheitlichen Rhythmus im Drehbuch kaum zu kompensieren. Nach einem heftigen Streit und einer für die schwerwiegenden gegenseitigen Vorwürfe allzu plötzlichen Versöhnung zwischen den Eheleuten tritt im dritten Teil des Filmes an die Stelle der Trauer die Vergeltung: Das Rechtssystem, das den Täter mehr als das Opfer schützt, scheint die Eltern auf diese in der Tradition der Vereinigten Staaten begründete Konfliktlösung zuzutreiben. Damit vollzieht der Film freilich eine überraschende Wendung; die einfühlsame Auseinandersetzung mit dem Verlust des Sohnes geht in einen mäßigen „Vergeltungsthriller“ über.

In diese Wunde der amerikanischen Gesellschaft – die Todesstrafe als institutionalisierte Rache – legte bereits 1995 Tim Robbins’ „Dead Man Walking“ den Finger. In „Dead Man Walking“ leistet Schwester Helen Prejean C.S.J. (gespielt von Susan Sarandon) dem wegen Vergewaltigung und Mordes zum Tode verurteilten Matt Poncelet (Sean Penn) geistlichen Beistand. Nachdem alle Begnadigungsversuche scheitern, zielen die Bemühungen der Nonne darauf, dass Matt – auch vor sich selbst – die Tat gesteht und sie bereut. Dadurch stellt „Dead Man Walking“ das Motiv der Vergeltung geradezu auf den Kopf: Sein Sujet bilden vielmehr Reue und Vergebung. Deshalb zeigt die letzte Einstellung dieses Filmes eine Kapelle, in der nach Matt Poncelets Hinrichtung zusammen mit Schwester Helen der Vater eines der Opfer betet, um seinen Hass zu überwinden. Im Gegensatz dazu legt „In the Bedroom“ einen besorgniserregenden Mangel an moralischen Werten in der postchristlichen Gesellschaft offen.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren