SEELEN | The Host
Filmische Qualität:   
Regie: Andrew Niccol
Darsteller: Saoirse Ronan, Max Irons, Jake Abel, Diane Kruger, William Hurt, Chandler Canterbury, Boyd Holbrook, Frances Fisher
Land, Jahr: USA 2013
Laufzeit: 125 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 6/2013
Auf DVD: 10/2013


José García
Foto: farbfilm

In einer nicht näher bestimmten, aber offenbar nicht allzu weit entfernten Zukunft haben Außerirdische die Erde besetzt. Dafür brauchten sie nicht den Planeten militärisch zu erobern. Die sich selbst „Seelen“ bezeichnenden Außerirdische nisten sich vielmehr in menschliche Körper ein, die sie als eine Art Wirt benutzen. Die von „Seelen“ besetzten menschlichen Körper zeichnen sich durch einen blau-silbrig leuchtenden Ring um die Iris aus. Weil diese „Seelen“ extrem harmoniebedürftig und gewaltlos sind, haben sie die Erde in eine Welt ohne Gewalt, Lüge und Krankheit verwandelt. Eine perfekte Welt also? Die Menschen, die sich bislang der feindlichen Übernahme ihrer Körper widersetzen, sind da anderer Meinung. Obwohl fast der gesamte Planet von den Seelen besetzt wurde – wie eine eindrucksvolle, schnell geschnittene Sequenz zu Beginn des Spielfilms „Seelen“ von Menschen mit blau phosphoreszierenden Augen aus aller Herren Länder zeigt – leisten noch immer wenige Menschen fernab von den Städten Widerstand. Für sie steht es fest: So friedlich die Absicht der „Seelen“, so gewaltfrei die Erde nun sein mag, sie wollen ihr eigenes Bewusstsein, ihr Menschsein, ihre eigene Seele nicht verlieren, um Werkzeug der Außerirdischen zu werden.

Mit einer anderen Art Widerstand hatten die Außerirdischen offenbar nicht gerechnet: Als die 16-jährige Melanie Stryder (Saoirse Ronan), die zusammen mit ihrem 11-jährigen Bruder Jamie (Chandler Canterbury) und ihrem Freund Jared (Max Irons) in ständiger Angst vor dem Aufgegriffen- und Ausgelöschtwerden lebt, von einer Sucherin (Diane Kruger) gefangen wird, bekommt sie eine Seele namens Wanderer implantiert. Wanderer soll Informationen über andere Widerstand leistende Menschen aus Melanies Erinnerungen liefern. Melanie lässt sich jedoch nicht auslöschen. Sie widersetzt sich sozusagen von innen heraus. Melanies Körper teilen sich nun zwei Seelen. Ihr gelingt es sogar, Wanderer zu überzeugen, Jamie und Jared aufzusuchen, die bei ihrem Onkel Jeb (William Hurt) und ihrer Tante Maggie (Frances Fisher) in einem unterirdischen Höhlensystem Unterschlupf gefunden haben. Obwohl sie zunächst feindselig aufgenommen wird, gewinnt die nun Wanda genannte Wanderer nach und nach ihr Vertrauen, vor allem das von Ian (Jake Abel). Beide verlieben sich ineinander, was eine ungeheure Spaltung zwischen Wanda und Melanie auslöst, die weiterhin nur Jared liebt. Während Wanda ihr Volk verrät, damit Melanie das ihre retten kann, gibt die Sucherin nicht auf. Sie bleibt ihnen hartnäckig auf der Spur, weil auch sie ein Geheimnis hat.

Der Science-Fiction-Film „Seelen“ basiert auf dem 2008 veröffentlichten gleichnamigen Roman (Originaltitel: „The Host“) von Stephenie Meyer, die mit der „Twilight“-Trilogie international bekannt wurde. Im Unterschied zur „Bis(s)“-Jugendbuchreihe, die unter der Oberfläche einer Vampirgeschichte lediglich Fragen der Liebeskummer und -erfüllung von Teenagern behandelte, richtet sich „Seelen“ an ein erwachsenes Publikum. Neben der „Dreiecksgeschichte“ zwischen Wanda/Melanie, Jared und Ian sowie der Identitätsfrage – das tragische Dilemma des Doktor Faust „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“ hält hier Einzug ins Science-Fiction-Genre – spricht „Seelen“ durchaus tiefgründige Fragen an, etwa die nach einer perfekten Welt oder auch nach dem Zusammenhang zwischen Körper und Seele sowie indirekt auch nach der Herkunft und der Bestimmung der Seele, wenn sie den Körper verlässt. Für die Filmadaption zeichnet als Drehbuchautor und Regisseur Andrew Niccol verantwortlich, der mit seinem Drehbuch für „Die Truman Show“ (1998) und insbesondere mit Drehbuch und Regie für den epochalen, die gesellschaftlichen Folgen einer auf Eugenik setzenden Biotechnologie verdeutlichenden Science-Fiction-Film „Gattaca“ (1997) weltweit bekannt wurde. Zwar konnte sein letzter Spielfilm „In Time – Deine Zeit läuft ab“ (2011) nicht gänzlich überzeugen, aber auch hier prangert Niccol erneut eine Gesellschaft an, die ohne ethische Prinzipien auf die Überwindung des Todes setzt.

Andrew Niccol und sein Produktionsdesigner Andy Nicholson setzen auf ein Szenario, das dem von zurzeit hoch im Kurs stehenden postapokalyptischen Filmen völlig entgegengesetzt ist. Keine verwüstete Erde, keine Spur von Gewalt und Zerstörung zeichnet die schöne, neue Welt der von Außerirdischen besessenen Menschen aus. Ganz im Gegenteil: Sie wirkt hell, in der sonnendurchfluteten Landschaft fahren silbern glänzende Autos, die von den Seelen besetzten Menschen kleiden sich vorwiegend in Weiß. Doch diese Reinheit wirkt steril im Gegensatz zu den irdenen Farbtönen der abgenutzten Kleidung und der Höhlenwelt der Menschen im Widerstand. Seine Zukunftsvision schafft Andrew Niccol mit diesen einfachen Mitteln und unterstützt vom atmosphärischen Soundtrack von Antonio Pinto.

Trotz der durchaus guten schauspielerischen Leistung von Saoirse Ronan und insbesondere auch von William Hurt, deren zwei Figuren sich von den eher eindimensionalen Charakteren der anderen Akteure abheben, betont Regisseur Niccol jedoch zu sehr die emotionale Geschichte der zwei Frauen, die zwei verschiedene Männer lieben, sich aber einen Körper teilen müssen. Dadurch treten die tieferen Fragen wie die nach der schönen, neuen Welt oder nach dem Menschlichsein zu sehr in den Hintergrund.
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