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José GarcÃa Foto: Kinostar ![]() âOraniaâ begleitet eine Familie, die in das Dorf einziehen möchte, in eine Art Vorstellungsgespräch. Zusammen mit ihr erfährt der Zuschauer dadurch einige der Grundregel der basisdemokratisch organisierten Gemeinde. An erster Stelle steht die Pflege der Afrikaaner-Kultur, etwa beim Singen ihrer Heimatlieder. Denn nur Afrikaans sprechende weiÃe Südafrikaner können sich in dem kleinen Ort niederlassen. Im Interview erklärt Carol Boshoff dazu, wenn ein WeiÃer in Südafrika schwarze Arbeiter beschäftige, dann würden deren Enkel das Land übernehmen und auch die Macht. Das soll in Orania nicht geschehen. Tobias Lindners Dokumentarfilm kommt vollständig ohne Off-Kommentare aus. Er lässt unterschiedliche Menschen aus Orania zu Wort kommen, etwa auch den Sohn des Orania-Gründers, Carel Boshoff IV., ohne darüber ein Urteil zu fällen. Lindners Film begleitet Bewohner von Orania und solche, die es werden wollen, so den jungen Kleinkriminellen Baksteen, der von seiner Mutter nach Orania geschickt wurde, damit er hier ein neues Leben anfängt, oder den Busunternehmer Johan, der die Oranier in die nächsten Städte fahren möchte. Dass seine Unternehmung auf mehr Schwierigkeiten als gedacht stöÃt, lässt Schlüsse ziehen. Womöglich begeben sich Oranier nicht allzu gerne auÃerhalb der Siedlung. Nach Orania wiederum dürfen nur WeiÃe kommen. Regisseur Tobias Lindner verdeutlicht dies in einer Szene, als der schwarze Kiosk-Lieferant mit seinem Lkw am Dorftor Halt machen muss. âIch beliefere den Kiosk seit zwanzig Jahren und habe gehört, dass es ein Schwimmbad gibt. Aber gesehen habe ich es noch nie.â Stattdessen kommt Kioskbesitzer und Bademeister Willy aus dem Dorf heraus, um hier seine Bestellung entgegenzunehmen. Herzlich umarmt er seinen schwarzen Lieferanten. Für einen Rassisten würde sich Willy nie halten. Dennoch: âWeiÃe dürfen dort hinein. Auch fremde WeiÃe. Aber wenn Schwarze dort hingehen würden, wäre es Hausfriedensbruch. Das ist das einzige Problemâ, so der Lkw-Fahrer. Solch irritierende Momente schaffen einen Gegensatz zur Idylle, die âOraniaâ als aus verschiedenen persönlichen Geschichten zusammengesetzten Gesamteindruck vermittelt. Denn Lindners Film zeigt eigentlich nur das Selbstverständnis der Menschen, die mit einem gewissen Pioniergeist die ehemals öde Landschaft bearbeiten, und sich dadurch einen Traum verwirklicht haben. Den Zusammenhalt der Gemeinde wird etwa durch die wiedergegebenen Ausschnitte eines Informationsfilms heraufbeschworen: In Orania wollen sie ihre eigene Sprache und Kultur pflegen. Bezeichnenderweise verlässt die Kamera ein einziges Mal die Siedlung, als die Jugendlichen Baksteen und Christo ins nächstgelegene Dorf zum Einkaufen fahren. Der auf mehreren internationalen Festivals, darunter dem âJozi Film Festivalâ in Johannesburg als âBester Dokumentarfilmâ ausgezeichnete Debütfilm schafft dank der ruhigen Einstellungen eine besondere Atmosphäre, in der stilisierte Bilder der schönen Landschaft Südafrikas mit intimen Einblicken in die Lebensumstände der Dorfbewohner Oranias verknüpft werden. Denn die Kamera kommt den Porträtierten stets sehr nahe. Dadurch, dass Tobias Lindner eine zurückgenommene beobachtende Haltung einnimmt, bietet er dem Zuschauer genügend Raum für Fragen über kulturelle Identität und die menschliche Natur. Dazu führt der Regisseur selbst aus: âFür mich funktioniert ein Dokumentarfilm über Orania nur dann, wenn er den Beobachtungen, die er macht, den nötigen Raum gibt, um sich auf die Protagonisten einzulassen â jenseits von einer unmittelbaren moralischen Bewertung des Geschehens. Anders als beim Investigativ-Journalismus trete ich als Filmemacher einen Schritt zurück und lasse die Worte der Oranier die Geschichte erzählen. Das ist für mich die geeignete Form, das umstrittene Thema und meine eigene innere Ambivalenz dazu in Bilder zu fassen.â Ambivalent zeigt sich der Film in der wohl meist diskutierten Frage um die südafrikanische Siedlung: âOrania ist einer der wenigen Orte in Südafrika, in denen man als Afrikaaner nicht zwangsläufig in Kontakt mit den anderen Kulturen des Landes kommt. Natürlich zieht das Rassisten an. Ob das Konzept von Orania selbst rassistisch ist, ist eine komplexere Frage.â Lindner selbst wertet nicht. Die behutsame Beobachtung seiner Protagonisten erlaubt ihm, die Motivationen der Menschen in Orania zu erforschen. Die Frage nach der Legitimität einer solchen Gesellschaftsform auf dem schmalen Grat zwischen kultureller Selbstbestimmung und der Ausgrenzung anderer könne und solle der Zuschauer am Ende selbst beantworten, sagt Tobias Lindner. |
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