TRANCE – GEFÄHRLICHE ERINNERUNG | Trance
Filmische Qualität:   
Regie: Danny Boyle
Darsteller: James McAvoy, Rosario Dwason, Vincent Cassel, Tuppence Middleton, Danny Sapani, Wahab Sheikh, Lee Nicholas Harris
Land, Jahr: Großbritannien 2013
Laufzeit: 101 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G, X+
im Kino: 8/2013
Auf DVD: 12/2013


José García
Foto: Fox

Eine von einer Off-Stimme begleitete schnellgeschnittene Sequenz erzählt von den Sicherheitsmaßnahmen in einem Auktionshaus. Die Stimme gehört Simon (James McAvoy), der bei einem Überfall dafür zuständig ist, die wertvollen Kunstobjekte in Sicherheit zu bringen. Daran schließt sich ein tatsächlicher Angriff auf das Aktionshaus an, bei dem Simon mit Franck (Vincent Cassel) und seinen Männern offenbar gemeinsame Sache macht. Zum Plan gehört es, dass Simon Franck das wertvollste Stück der Auktion, ein Goya-Gemälde, aushändigt. Der Plan geht jedoch schief: Franck erhält lediglich einen leeren Rahmen, denn die Leinwand hat Simon vorher ausgeschnitten und an einen sicheren Ort verbracht. Weil der Auktionator in der Hitze des Gefechts einen Schlag auf den Kopf bekommen hat, kann er sich später trotz Folter gar nicht mehr erinnern, wo das Kunstobjekt geblieben ist.

Franck schaltet die Psychotherapeutin Elizabeth Lamb (Rosario Dawson) ein, die unter Hypnose in Simons Gedächtnis eindringen soll. Bald stellt es sich heraus, dass die attraktive Therapeutin eigene Ziele verfolgt. Als Simon und Elizabeth eine Affäre beginnen, schlägt die Handlung in ein Verwirrspiel um Betrug, Verstellung und Begierde um, bei dem es nicht nur um eine Dreiecksgeschichte, sondern auch um die Frage geht, was nun Wirklichkeit, Traum oder Einbildung ist.

In „Trance – Gefährliche Erinnerung“ setzt Regisseur Danny Boyle eine eigenwillige Bildersprache mit ungewöhnlichen Kameraeinstellungen etwa von Gesichtsausschnitten ein, die an Marc Forsters „Stay“ (siehe Filmarchiv) erinnern, der ebenfalls von den Beziehungen zwischen einem Psychiater und seinem Patienten sowie von der Durchlässigkeit der Grenze zwischen Realität und Wahnwelt handelt. Der Einsatz bunter, kräftiger Farben hilft dazu, Simons Unterbewusstsein zu visualisieren. Der aus elektronischer Musik bestehende Soundtrack unterstreicht die verwirrende Handlung. Nach und nach verschwindet jedoch die unterschiedliche Farbgebung. Damit vermischen sich freilich auch die verschiedenen Ebenen von Wirklichkeit und Traum beziehungsweise Unterbewusstsein, was den Zuschauer verwirrt. Denn nun muss er entscheiden, was zu welcher der drei verschiedenen, neben- und ineinander ablaufenden Ebenen gehört. In dieser Hinsicht verweist auf Christopher Nolans „Inception“ (siehe Filmarchiv), der ebenfalls Wirklichkeit und verschiedene Traumebenen sowie die komplexe Handlung mit der dazu passenden Bildersprache miteinander zu verknüpfen sucht. In „Inception“ gibt allerdings Regisseur Nolan dem Zuschauer den Schlüssel an die Hand, um die verschiedenen Ebenen voneinander unterscheiden zu können. Genau dies tut jedoch Danny Boyle in „Trance – Gefährliche Erinnerung“ nicht, so dass dessen Handlung immer weniger nachvollziehbar erscheint – ganz abgesehen davon, dass das Drehbuch von Joe Ahearne und John Hodge immer konstruierter wirkt.

Mit „Trance – Gefährliche Erinnerung“ unterzieht Regisseur Boyle klassische Film-Noir-Elemente wie Verrat, moralische Verwerfung aus den dunklen Instinkten des Menschen einer Aktualisierung. So erscheint die „femme fatale“ in der Figur der Elizabeth Lamb zwar als Hypnotherapeutin in einem modernen Gewand. Ihre Funktion als Strippenzieherin hinter den Machtspielen der Männer erfüllt sie jedoch genauso. Diese genretypischen Aspekte geraten allerdings in den Hintergrund. Denn Boyles Film entwickelt sich immer mehr zu einem psychologischen Thriller. Dazu führt Drehbuchautor John Hodge aus: „Wir wollten, dass sich die Charaktere in ständiger Ungewissheit über die Wahrheit befinden. Um herauszufinden, was eigentlich los ist, müssen sich die drei Protagonisten fast ausschließlich darauf verlassen, was die anderen sagen oder tun. Und natürlich ist so ziemlich alles, was die anderen sagen oder tun, entweder eine Lüge, eine Manipulation oder in irgendeiner Weise unzuverlässig. Sie sitzen in der Falle eines Puzzles, das sie selbst zusammensetzen müssen.“ Um dieses Verwirrspiel zu steigern, zeigt Boyle Szenen, die sich lediglich in Simons Erinnerung, nicht aber in der Wirklichkeit abgespielt haben. Für den Zuschauer wird immer weniger erkennbar, was sich ausschließlich im Kopf der drei Hauptfiguren abspielt.

Eine weitere Frage, die „Trance – Gefährliche Erinnerung“ stellt, wenn auch lediglich in Andeutungen, hat mit der menschlichen Freiheit zu tun. An einer Stelle des Films heißt es, fünf Prozent der Menschen seien für hypnotische Suggestionen extrem empfänglich. Sie seien bereit, den eigenen Willen gegen den Befehl eines anderen auszutauschen – was allerdings nicht als Zwang angesehen werde. Aber auch solch eine Fragestellung geht im verworrenen Drehbuch neben den allzu expliziten Gewalt- und Sexszenen unter. Mit der Wahrnehmung der Figuren und des Zuschauers spielende Filme erfordern entweder eine stimmige Auflösung, so etwa in Marc Forsters „Stay“, oder irgendeine stille Vereinbarung mit dem Zuschauer wie in Nolans „Inception“, damit dieser bereit ist, sich auf ein solches Verwirrspiel einzulassen. Dadurch, dass sich Danny Boyles „Trance – Gefährliche Erinnerung“ über diese Vereinbarung hinwegsetzt, verliert der Zuschauer jedoch das Interesse an der Auflösung des Films.
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