MÄDCHEN WADJDA, DAS | Wadjda
Filmische Qualität:   
Regie: Haifaa Al Mansour
Darsteller: Waad Mohammed, Reem Abdullah, Abdullrahman Al Gohani, Ahd, Sultan Al Assaf
Land, Jahr: Deutschland / Saudi-Arabien 2012
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2013
Auf DVD: 3/2014


José García
Foto: Koch Media

Die zehnjährige Wadjda (Waad Mohammed) lebt mit ihrer Mutter (Reem Abdullah) und ihrem Vater (Sultan Al Asssaf) in einem Vorort von Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens, wobei der Vater wegen seiner Arbeit wenig Zeit zu Hause verbringt. Dass er sich außerdem häufig bei seinen Eltern aufhält, weckt in Wadjdas Mutter den Verdacht, ihre Schwiegereltern wollen für ihren Sohn eine zweite Frau suchen, weil sie ihm noch keinen Sohn geboren hat. Um ihrem Mann zu gefallen, ist sie bereit, alles zu tun: Sie kleidet sich elegant, hält die Wohnung penibel sauber und gibt sich besondere Mühe beim Kochen. Wadjda wird im Unterschied zu ihrer Mutter von Anfang an als unangepasstes Mädchen gezeichnet. Statt weiße Söckchen und Sandalen trägt sie lieber Turnschuhe, wofür sie in der Schule gerügt wird. Sie spielt auch mit dem gleichaltrigen Nachbarsjungen Abdullah (Addullrahman Al Gohani). Allerdings braucht sie ein Fahrrad, um mit ihm um die Wette zu fahren. „Seit wann fahren Mädchen Fahrrad?“, antwortet ihre Mutter, als sie von Wadjdas Wunsch hört. Denn in Saudi-Arabien ist es Mädchen und Frauen gesetzlich untersagt, selbstständig Auto, Motorrad oder Fahrrad zu fahren. Um Besorgungen zu erledigen oder Besuche zu machen, sind sie auf einen männlichen Fahrer angewiesen, wie Haifaa Al Mansours Film „Das Mädchen Wadjda“ immer wieder verdeutlicht.

Auf ihrem Schulweg kommt Wadjda an einem Spielwarengeschäft vorbei, das ein wunderschönes grünes Fahrrad anbietet. Obwohl der Preis für sie ein kleines Vermögen darstellt, heckt Wadjda einen Plan aus, wie sie Geld für das Rad verdienen kann: Gegen entsprechendes Entgelt erledigt sie Aufträge für ihre Mitschülerinnen. Als Wadjdas Geschäfte auffliegen, droht ihr ein Schulverweis. Ihre letzte Chance, um an das Geld zu kommen, besteht darin, den hoch dotierten Koran-Rezitationswettbewerb der Schule zu gewinnen. Sie macht sich mit viel Eifer und Erfindungsgeist daran, den Koran auswendig zu lernen.

„Das Mädchen Wadjda“ ist der erste vollständig in Saudi-Arabien gedrehte Kino-Spielfilm. Wie dreht man einen Film in einem Land, in dem es seit Jahrzehnten kein Kino mehr gibt? Mit welchen Problemen sich die Filmemacher konfrontiert sahen, zeigt sich etwa in der Schwierigkeit, die geeignete Schauspielerin für die Rolle der Wadjda zu finden. Denn die meisten Familien untersagten ihren Töchtern strikt, vor der Kamera aufzutreten. Darüber hinaus ist die Drehbuchautorin und Regisseurin eine Frau: Die saudi-arabische Haifaa Al Mansour studierte an der amerikanischen Universität in Kairo und in Sydney. „Das Mädchen Wadjda“ entstand als deutsch-saudi-arabische Koproduktion mit der deutschen Razor Film, die bereits andere Filme aus dem Nahen Osten („Paradise Now“, „Waltz with Bashir“) koproduzierte. So stammen aus Deutschland Kameramann Lutz Reitemeier, Editor Andreas Wodraschke sowie die Verantwortlichen für Musik, Ton und Sounddesign.

„Das Mädchen Wadjda“ zeigt die Widersprüche einer Gesellschaft zwischen modernster Technik – etwa in den Videospielen, die Wadjdas Vater spielt – und einer rückständigen Gesellschaft, die Frauen von der Öffentlichkeit fernhält. Dadurch, dass der Film aus der Sicht einer Zehnjährigen erzählt, bewahrt er sich eine gehörige Portion Naivität. Haifaa Al Mansour führt dazu aus: „Ich bin sehr stolz darauf, den ersten Spielfilm gedreht zu haben, der komplett in Saudi-Arabien realisiert wurde. Ich stamme aus einer kleinen Stadt, in der viele Mädchen wie Wadjda leben, Mädchen, die große Träume haben, einen starken Charakter und viel Potenzial besitzen. Diese Mädchen können – und werden – unsere Gesellschaft umbauen und neu definieren.“

Der Drehbuchautorin und Regisseurin gelingt es, ohne umständliche Erklärungen dem westlichen Zuschauer einen Zugang zur so fremd erscheinenden Gesellschaft zu verschaffen. Was „Das Mädchen Wadjda“ besonders bemerkenswert macht, ist aber der hoffnungsvolle Unterton, den Haifaa Al Mansour bei allen Einengungen und der Unterordnung, die Frauen in Saudi-Arabien erleben, in ihrem Film vermittelt.
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