THE CONGRESS | The Congress
Filmische Qualität:   
Regie: Ari Folman
Darsteller: Robin Wright, Harvey Keitel, Danny Huston, Paul Giamatti, Jon Hamm, Michael Stahl-David
Land, Jahr: Israel / Deutschland / Polen / Luxemburg / Frankreich / Belgien 2013
Laufzeit: 122 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 9/2013
Auf DVD: 6/2014


José García
Foto: Pandora

Der Schauspiel-Agent Al (Harvey Keitel) hält der Schauspielerin Robin Wright (Robin Wright selbst) eine Gardinenpredigt im Wohnmobil, das sie zusammen mit ihrem an einer degenerativen Krankheit leidenden Sohn Aaron (Kodi Smit-McPhee) und ihrer jugendlichen Tochter (Sami Gayle) bewohnt: „Du hattest alles, du warst mit 24 Jahren eine Kinogöttin, alle großen Studios waren hinter dir her“. Seit Robin Wright die 40 überschritten hat, gibt es für sie in Hollywood jedoch kaum noch Rollen. Mit seiner Standpauke versucht Al, die Schauspielerin von einem „letzten Angebot“ besonderer Art zu überzeugen: Das Filmstudio Miramount möchte alle Rechte an der Figur Robin Wright erwerben. Dafür soll sie eingescannt werden und ihr Einverständnis erklären, dass das Studio ihr virtuelles Selbst dann nach eigenem Gutdünken in Filmen einsetzen kann. Al besteht darauf, dass zu den Ausnahmen nicht nur Erotik-, sondern auch Science-Fiction-Filme gehören, denn dies sei ist „ein dämliches Genre.“ Studioboss Jeff Green (Danny Huston) lässt sich nicht nur darauf, sondern auch auf die Bedingung von Als Anwalt ein, dass der Vertrag nicht unbegrenzt, sondern auf zwanzig Jahre geschlossen werden soll. Mit den Einnahmen aus dem Vertrag könnte die Schauspielerin eine Therapie für ihren Sohn finanzieren, der das Augenlicht langsam verliert. Allerdings müsste sie zusichern, dass sie während der Vertragsdauer weder im Film noch sonst wo auftritt.

Zwanzig Jahre später fährt eine entsprechend gealterte Robin Wright zu einem „futurologischen Kongress“ in die vollständig animierte Welt von „Abraham-City“. Plötzlich springt auch der Spielfilm von Drehbuchautor und Regisseur Ari Folman „The Congress“ nach 45 Minuten Filmdauer von Real- auf Animationsfilm. Geworben wird in „Abraham-City“ für einen computergenerierten Film mit Robin Wrights Figur in der Hauptrolle. Die jubelnde Masse in der psychedelischen Fantasiewelt besteht aus Figuren aus den in den Vereinigten Staaten sehr populären „Loonely Tunes“. Dort lernt Robin Wright auch ihren Animator Dylan Truliner (Jon Hamm) kennen, der in diesen zwei Jahrzehnten aus ihren eingescannten Daten die Figuren für die von Miramount produzierten Filme erschaffen hat. Der heimliche Grund, warum das Studio die Schauspielerin eingeladen hat: Sie soll in ein Phantasiewesen verwandelt werden, das als synthetische Droge eingenommen wird. Damit wird jeder in einer virtuellen Welt sein können, was er will.
Basierend auf Stanislaw Lems Erzählung „Der futurologische Kongress – Aus Ijon Tichys Erinnerungen“ (1970) hat der israelische Regisseur Ari Folman, der vor fünf Jahren in Cannes mit seinem Animations-Dokumentarfilm „Waltz with Bashir“ für Furore sorgte, eine sehr bunte Welt erschaffen. Die teilweise sehr bewegte Kamera kontrastiert die grellen Farben der „Congress“-Welt mit den weiß gehaltenen, aseptischen Farben in der Zukunft sowie mit dem Grau im Grau einer zerstörten Erde, als Robin in die reale Welt zurückkehrt. Für sein Filmexperiment kann Ari Folman auf hervorragende Schauspieler zählen: Karikiert Danny Huston das Klischee des Studiobosses, so gehört Harvey Keitel eine der emotional am meisten überzeugenden Filmszenen. Robin Wright stellt etwa beim Scann-Vorgang ihre Vielseitigkeit unter Beweis.
Gelingt „The Congress“ die Verknüpfung von Real- und Animationsfilm, so nimmt sich die Mischung aus unterschiedlichen Science-Fiction-Filmen entnommenen Elementen weniger geglückt aus. Mit seiner Kritik am System Hollywood, das die Schauspieler aus Fleisch und Blut überflüssig machen könnte, schlägt Ari Folmams Film in die gleiche Kerbe wie Andrew Niccols „S1m0ne“ (2002). Die Suche nach der Wahrheit hinter einer schönen, aber künstlichen Fassade, die in die „Wüste des Realen“ führt, erinnert unweigerlich an „Matrix“ (1999), das Fortschreiten in eine immer entferntere Zukunft wiederum an Steven Spielbergs „A.I. – Künstliche Intelligenz“ (2001).

Das Angebot des Studiobosses an die Schauspielerin versinnbildlicht die Versuchung einer durchaus aktuellen Flucht in die künstliche Welt. Hatte sie in den zurückliegenden Jahrzehnten – wie ihr Spieler-Agent Al zu Beginn vorhält – einfach die falschen Entscheidungen getroffen, so kann Robin Wright sich darauf verlassen, dass ihr digitales Ich einfach alles richtig machen wird, dass sie selbst keine Entscheidungen mehr zu treffen braucht. Auf der Strecke bleibt allerdings nicht nur die Freiheit, sondern darüber hinaus auch die Liebe zu ihrer Familie und insbesondere zu ihrem kranken Sohn Aaron. Diese stellt sich schließlich als die treibende Kraft heraus, aus der künstlichen Welt ausbrechen zu wollen.

Hatte Stanislaw Lems Erzählung vor allem die kommunistische Diktatur angeprangert, so brandmarkt Ari Folman in „The Congress“ die diktatorischen Seiten einer Unterhaltungsindustrie, die eine breite Masse mit ihren Produkten ruhigstellt. Als Metapher setzt der Drehbuchautor und Regisseur eine chemische Glücksdroge ein, die den Menschen erlaubt, sich in die von ihnen angebeteten Stars zu verwandeln. Zusammen mit der künstlich erzeugten freien Liebe werden sie in dieser dystopischen Zukunftsvision in willenlose Geschöpfe verwandelt. Die bewusstseinsverändernde Wirkung des Rauschgifts weist ebenso auf die getrübte Wahrnehmung einer überhandnehmenden, die Wirklichkeit verdrängenden virtuellen Welt hin.
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