WEISSENSEE. DIE 2. STAFFEL |
Filmische Qualität:   
Regie: Friedemann Fromm
Darsteller: Florian Lukas, Hannah Herzsprung, Uwe Kockisch, Ruth Reinecke, Jörg Hartmann, Katrin Sass, Anna Loos, Robert Zehrfeld
Land, Jahr: Deutschland 2013
Laufzeit: 270 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: X
Auf DVD: 9/2013


José García
Foto: ARD

In der 2010 ausgestrahlten ersten Staffel der TV-Miniserie „Weissensee“ wurden die Schicksale zweier unterschiedlicher Familien aus Ost-Berlin miteinander verknüpft: Im Sommer 1980 lernt der Volkspolizist Martin Kupfer (Florian Lukas) die Kosmetikerin Julia Hausmann (Hannah Herzsprung) kennen. Martins Vater Hans Kupfer (Uwe Kockisch) arbeitet als ranghoher Offizier im Ministerium für Staatssicherheit, Martins Bruder Falk (Jörg Hartmann) folgt den Schritten des Vaters. Julias Mutter Dunja Hausmann (Katrin Sass) singt dagegen kritische Lieder gegen die Staatsmacht und hofft, ihre Tochter Julia zu einem freien Geist erzogen zu haben. Die erste Staffel der Romeo-und-Julia-Geschichte in der DDR wurde mit dem deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.

Endete die erste Staffel im Herbst 1980, als Julia und Martin auf dem Weg zu einem westdeutschen Korrespondenten von einem Stasimitarbeiter fotografiert wurden, so beginnt die aus sechs Folgen a 45 Minuten bestehende Staffel im Jahre 1987. Martin hat inzwischen seine Stelle als Vopo aufgegeben und mit seiner Familie gebrochen. Julia war im Gefängnis und hat seitdem Martin nicht wiedergesehen. Aber auch ihre Beziehung zu ihrer Mutter ist längst getrübt. Langsam keimt die Hoffnung, dass Perestroika und Glasnost auch in der DDR zu Veränderungen führen können. Drehbuchautor und Regisseur Friedemann Fromm verknüpft die dramatischen Ereignisse um die Familien Kupfer und Hausmann mit der nicht minder dramatischen Geschichte des DDR-Untergangs. Ein großer Wurf, der in ihren insgesamt 270 Minuten die atmosphärische Dichte der ersten Staffel noch zu steigern vermag.

Interview mit Regisseur Friedemann Fromm und Hauptdarsteller Florian Lukas

Haben Sie sich gefreut, als die Entscheidung fiel, die zweite Staffel zu drehen?

Florian Lukas: Wir hatten das von Anfang an gehofft. Die Entscheidung fiel aber nach der Hälfte der ersten Staffel. Weil jedoch dasselbe Team zusammenarbeitete, haben wir die zweite Staffel genauso angefangen wie am letzten Tag der ersten Staffel. Es war ein nahtloser Übergang, als wären die zwei Jahre zwischen dem Drehschluss der ersten und dem Drehanfang der zweiten Staffel nicht gewesen.


Die zweite Staffel ist allerdings etwa sieben Jahre nach der ersten angesiedelt. War dies von Anfang an so geplant?

Friedemann Fromm: Natürlich hätte die zweite Staffel einen Tag nach dem Ende der ersten spielen können. Wir haben viel darüber diskutiert, uns aber dann entschieden, ein Format wie „Weissensee“ zu nutzen, um die verschiedenen Stationen in der DDR-Geschichte zu beleuchten. Dabei fanden wir 1987 spannend: Zu erzählen, wie alles anfängt, wie es gerade in diesen Kreisen anfängt, bevor die ganz großen Demonstrationen stattfinden.

Florian Lukas: Auch wenn wir Schauspieler keine Entscheidung treffen, sondern immer alles als Letzte erfahren, finde ich es großartig, dass nicht linear erzählt wird, sondern ein paar Jahre vergangen sind. Denn es ändern sich nicht nur die persönlichen, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Umstände. So entstehen Brüche, die nicht so entstehen würden, wenn man Monat für Monat erzählt hätte. Dadurch, dass sechs, sieben Jahre zwischen den beiden Staffeln liegen, muss man sich als Schauspieler erst einmal hineinfinden. Die Autoren, der Regisseur und die Redakteure haben da einen Vorsprung, weil sie ein Buch entwickeln, das mir zunächst nicht geläufig ist. Es ist wie mit einem Zwillingsbruder, den man sechs, sieben Jahre nicht gesehen hat. Um sich wieder hineinzudenken, spricht man als Schauspieler mit dem Regisseur. Wir treffen uns zu Leseproben und reden viel über den Weg, den die Figuren bis dahin gegangen sind. So kommt man langsam hinein.


In der ersten Staffel besitzen die Charaktere bereits sehr deutliche Konturen. Aber nun wird es in der zweiten noch dramatischer und intensiver...

Florian Lukas: Es geht schon um Leben und Tod in mehreren Fällen, weshalb es noch dramatischer wird. Eigentlich habe ich auch die erste Staffel als dramatisch empfunden, aber in der zweiten hatte ich schon Schwierigkeiten, die Fassung zu bewahren. Dies ist ja auch die Stärke dieser Drehbücher, ohne allerdings kitschig zu werden. Es geht sehr zu Herzen, ohne rührselig zu sein.


In dieser zweiten Staffel werden weitere Dinge in der DDR angesprochen, etwa Doping, Umweltzerstörung in Bitterfeld. Haben Sie bewusst in jede Folge ein solches Element hineingenommen?

Friedemann Fromm: Nein. Aber natürlich gehen wir dramaturgisch mit dem um, was es in der DDR gab. Für die zum Establishment gehörende Familie Kupfer ist es naheliegend, dass deren Sohn – wenn er sportlich ist – in den Leistungssport geht. Wer in der DDR im Spitzensport war, der hatte mit Doping zu tun. Das ist einfach eine Tatsache. Wenn wir Falks Sohn Roman Kupfer in den Spitzensport schicken, war es naheliegend, dass wir Doping zum Thema machen. Allerdings hat dies eine dramaturgische Funktion. Wir machen ja nicht eine Folge über Doping.


Weiterhin fällt auf, dass sich in jeder Folge etwas in der Familienkonstellation ändert, was eine ungeheure Leistung bedeutet, weil so viele Figuren zu führen sind. Haben Sie das bereits beim Schreiben so angelegt?

Friedemann Fromm: Beim Schreiben fangen wir an, uns zu überlegen: Welche Figuren setzen wir ins Zentrum? Es hat aber natürlich auch mit der Regie zu tun. Ich bin ein absoluter Fan des Formats „Mini-Serie“, weil in ihm das Fernsehen ganz bei sich ist: Man kann in die Breite erzählen, komplexe Erzählstränge aufmachen. Schon bei der ersten Staffel, aber noch stärker bei der zweiten, war es unser Anspruch, die Komplexität des Erzählens auszuloten. Ich glaube ganz fest an dieses Format, auch in Deutschland.


Was ist das Besondere an „Weissensee“ innerhalb solcher Miniserien?

Friedemann Fromm: Das Unterscheidende besteht in dem großen Erzählbogen. Wir erzählen eine große Geschichte über sechs Folgen. Für mich ist jede Staffel von „Weissensee“ ein großer Film über 270 Minuten mit Figuren und Konflikten, die sich entwickeln. Das kann in dieser Dimension nur das Fernsehen. Bei uns ist „Serie“ ein festgelegter Begriff. Davon hebt sich „Weissensee“ ab. Deshalb plädiere ich für den Begriff „Miniserie“.


Was findet der Schauspieler Florian Lukas an seiner Figur Martin Kupfer toll? Bewundert er ihn?

Florian Lukas: Die Zielstrebigkeit und die Hartnäckigkeit. Nicht aufzugeben und dabei die Nerven nicht zu verlieren, nicht komplett auszuflippen, das finde ich sehr bewundernswert. Das könnte ich nicht. Bei mir wäre ein Punkt, wo die Sicherungen durchbrennen würden, da wäre mir alles egal, und dann würde ich nichts erreichen. Das finde ich toll an ihm. Der Mut, der in dieser Ruhe liegt, und die Sicherheit, die er ausstrahlt, obwohl er von seiner Umwelt nicht viel Sicherheit bekommt, das finde ich echt bewundernswert. Ob ich diese Ausdauer hätte? Ich fürchte, nein.


In der zweiten Staffel ist der von Stephan Grossmann gespielte Peter Görlitz sehr auf Komik angelegt. Ist das bewusst gewesen, um dieser Dramatik etwas entgegenzusetzen?

Florian Lukas: Ich kann es nur erahnen, denn es ist wie gesagt nicht meine Entscheidung (lacht). Natürlich sind die Szenen mit dem Görlitz immer Balsam für die Seele, eine Pause in der Dramatik. Man darf auch lachen. Ich finde die Szenen, in denen wir zusammen spielen, auch gelungen. Das war in der ersten Staffel beim Zuschauer gut angekommen, und wir haben es in der zweiten voll ausgenutzt.


Bei Fernsehfilmen über historische Stoffe ist es üblich, dass sich eine Dokumentation anschließt, so etwa auch bei „Nacht über Berlin“, bei dem Sie ebenfalls Regie führten. Wäre es denkbar, dass auch eine solche Miniserie wie „Weissensee“ von einer Dokumentation begleitet würde?

Friedemann Fromm: Denkbar ist es schon. Schwierig wird es allerdings mit dem Sendeplatz. Man könnte natürlich am Ende einer Staffel eine Dokumentation ausstrahlen. Das ist aber eine Entscheidung der Programmplaner bei den Fernsehsendern. Dadurch aber, dass wir in „Weissensee“ so sehr in die Breite gehen, kann die Miniserie eine viel größere Information liefern über das, was in der DDR zu dieser Zeit los war. Es ist eigentlich ein Luxus, dass uns so viel Zeit zur Verfügung steht.


Wie haben DDR-Dissidenten oder auch die „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ auf „Weissensee“ reagiert?

Friedemann Fromm: Wir arbeiten sehr eng mit der ehemaligen Gauck-Behörde zusammen. Sie haben auch die Bücher gegengelesen und sich die Folgen angeschaut. Uns war es immer wichtig, dass sie uns bescheinigen, es sei alles historisch sauber. Ich habe einen hohen Anspruch daran. Wir haben ein gutes Feedback bekommen. Wenn sie beispielsweise gesagt haben: „Verhöre wurden anders geführt“, dann haben wir es in unserem Drehbuch auch verändert. Darauf haben wir sehr geachtet. Wir haben beispielsweise sowohl für die erste als auch für die zweite Staffel vor Ort im Stasigefängnis Hohenschönhausen gedreht.


Die zweite Staffel endet 1989. Wie geht es weiter?

Florian Lukas: Wenn das Team zusammenbleibt, und ich denke, dass alle Spaß daran haben, wird es auch eine dritte Staffel geben.

Friedemann Fromm: Eine dritte Staffel ist geplant. Wir arbeiten zurzeit an der Erstellung des finalen Konzepts. Dann werden die Drehbücher geschrieben.
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