GLOBAL PLAYER – WO WIR SIND ISCH VORNE | Global Player
Filmische Qualität:   
Regie: Hannes Stöhr
Darsteller: Christoph Bach, Walter Schultheiß, Inka Friedrich, Ulrike Folkerts, Rita Lengyel, Stefan Hallmayer, Monika Anna Wojtyllo, Yu Fang, Kevin Chen, Jin Jin Harder, Henriette Müller
Land, Jahr: Deutschland 2013
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2013
Auf DVD: 4/2014


José García
Foto: Movienet

Seit Generationen baut das Familienunternehmen „Bogenschütz & Söhne“ Textilmaschinen im schwäbischen Hechingen. Der heutige Chef Michael Bogenschütz (Christoph Bach) kann mit der Konkurrenz aus der neuen Weltmacht China aber kaum mithalten. Weil diese billiger produziert, geht es der schwäbischen Firma immer schlechter. Nicht nur dass Kurzarbeit eingeführt werden musste. Michael hat darüber hinaus sein Haus der Bank überschrieben. Seit Monaten lebt seine Familie von Lehrerinnen-Gehalt seiner Frau Silke (Rita Lengyel). Weil mögliche neue Aufträge ausbleiben und die Bank einen neuen Kredit verweigert, sieht sich Michael gezwungen, Verhandlungen mit chinesischen Investoren zu führen, um die drohende Insolvenz abzuwehren. Als Michaels Vater, der inzwischen 90-jährige Paul Bogenschütz (Walter Schultheiß) davon erfährt, ist er empört. Denn er glaubt, dass Michael die Firma an „die Chinesen“ verkaufen will, und macht von seinem Veto-Recht Gebrauch. Da Paul von seinen Kindern verlangt, dass sie alles Hab und Gut beleihen, um die Firma zu retten, macht er sich auf den Weg nach Köln zu seiner Tochter Marlies (Inka Friedrich). Die Reise geht weiter nach Berlin, wo Marianne (Ulrike Folkerts) mit ihrem Ehemann Andrew lebt, einem jüdischen Musiker aus den Vereinigten Staaten, den sie ihrem Vater nie vorgestellt hatte.

Obwohl es in Deutschland nicht viele Filme gibt, die Wirtschaftsfragen in den Mittelpunkt stellen, startet eine Woche nach „Abseitsfalle“ (siehe Filmarchiv) wieder ein Film, der die Probleme der Wirtschaftskrise mit familiären Konflikten verknüpft. Hannes Stöhrs „Global Player – Wo wir sind isch vorne“ verdeutlicht glaubwürdig die Probleme, die deutschen Traditionsunternehmen aus dem Mittelstand die neue Konkurrenz aus der neuen Übermacht China bereitet. Darüber hinaus zeigt Stöhrs Film auf realistische Art das Ineinandergreifen von Familie und Unternehmen sowie den schwellenden Generationenkonflikt. Denn erstmals in seinem Leben scheint sich der alte Seniorchef Paul Bogenschützt wirklich für seine Kinder zu interessieren. Dadurch ist er aber auch bereit, sich seiner Vergangenheit zu stellen: „Seit dem Krieg schäme ich mich. Ich will es vergessen, aber man kann es nicht vergessen.“ Hannes Stöhr findet für seinen Film eine dem Sujet angemessene Mischung aus Komödie und Drama.

Interview mit Regisseur Hannes Stöhr und Hauptdarsteller Christoph Bach

In Deutschland gibt es nicht viele Filme, die sich mit der Wirtschaftskrise und mit der Übermacht China beschäftigen. Wie kamen Sie auf diesen Stoff?

Hannes Stöhr: Wirtschaftliche Zusammenhänge sind schwierig. „Global Player“ beschreibt ein deutsches Phänomen: den Mittelstand. Ich komme aus Baden-Württemberg. Wenn ich dort bin, treffe ich Leute, die öfters in Shanghai, Shaoxing oder Chengdu sind. Die Provinz trifft auf die weite Welt. Man denkt häufig, die Provinz sei rückständig, aber wirtschaftlich stimmt das gar nicht.

Christoph Bach: Nach einigen Jahren der Krise stellen sich einige Leute dem Versuch, von der Wirtschaft zu erzählen. In Deutschland sieht man das selten. „Global Player“ oder der Film „Abseitsfalle“ von Stefan Hering, der jetzt auch in die Kinos kommt, versuchen es aus unterschiedlichen Perspektiven. Bei „Abseitsfalle“ sehen wir Rationalisierungsmaßnahmen in einem Großkonzern. Ich spiele einen Unternehmensberater, der eine Frau aus der Personalabteilung (gespielt von Bernadette Heerwagen) vor die Aufgabe stellt, ihre eigenen Kollegen zu entlassen. Im Gegensatz dazu übernehme ich in „Global Player“ die Sicht des mittelständischen Unternehmers, eines Familienunternehmens. Es sind denkbar unterschiedliche Perspektiven, aus denen Wirtschaft beleuchtet wird.


Für Sie waren die Dreharbeiten ein Heimspiel, denn Sie kommen ja aus der Gegend, wo „Global Player“ angesiedelt ist.

Hannes Stöhr: Ja, ich bin in Hechingen aufgewachsen und vor zwanzig Jahren nach Berlin gezogen. Nach zwanzig Jahren Berlin habe ich Hechingen mit anderen Augen gesehen. Wenn man aus Berlin kommt, sieht man die Dinge anders.

Christoph Bach: Ich bin unweit von Hechingen aufgewachsen. Weil ich aber seit 17 Jahren nicht mehr dort lebe, war es für mich eine Art Rückkehr. Und natürlich sehr interessant, jemanden zu spielen, der eben dort geblieben ist. Wenn ich zu einem Klassentreffen oder zu einer Familienfeier gehe, begegnen mir mit Sicherheit Menschen, die in der Firma Bogenschütz ähnlichen Unternehmen arbeiten. Für mich ist das exotisch. Die Welt eines solchen Unternehmens kenne ich nur aus meiner Teenager-Zeit, als ich in den Ferien gejobbt habe.


Von Hechingen nach Berlin gibt es auch eine direkte Verbindung: die Burg Hohenzollern, die auch im Film zu sehen ist...

Hannes Stöhr: Sie liegt direkt bei Hechingen. Das schwarzweiße Wappen der Hohenzollern ist auch im Tennisclub von Hechingen zu sehen. Interessanterweise stimmt es mit den chinesischen Ying und Yang überein. Das wäre ein philosophischer Gedanke, leitet aber über zu dem, was wir versucht haben: Den Chinesen auf Augenhöhe zu begegnen. Es war mir wichtig, keine China-Schelte zu betreiben. Ich finde, der Westen macht es sich mit China viel zu einfach.


Wenn aber die Chinesen in die Maschinenherstellung, in die Ingenieursleistung einsteigen, die ja zu den Stärken der deutschen Wirtschaft gehört, wird die Entwicklung bedrohlich ...

Hannes Stöhr: Wolfgang Hirn, der seit zwanzig Jahren bei „Manager Magazin“ arbeitet, hat gerade ein Buch mit dem Titel „Der nächste Kalte Krieg: China gegen den Westen“ veröffentlicht. China ist Chance und große Gefahr zugleich. Das behandelt der Film „Global Player“ als Komödie. Aber als Mahnung kommt der alte Seniorchef zu Wort, der es erlebt hat, als Deutschland zuletzt unter Druck kam. Aus deutscher Sicht kann es interessant werden, dass die Generation Wirtschaftswunder, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat, diese Lebenserfahrung an die Kinder weitergibt. Als das Drehbuch fertig war, sagte man mir, das sei die Geschichte von „King Lear“: Der alte König schaut auf seine Kinder und fragt sich, ob sie sein Erbe weiter tragen werden. Shakespeare hatte es alten Wikingersagen entliehen. Der alte Stammeshäuptling will am Ende seines Lebens seine Kinder noch einmal sehen, um sie zu fragen: „Seid Ihr bereit für die Zukunft?“ Im Grunde erzählt „Global Player“ eine archetypische Geschichte.


Ist in diesem Zusammenhang auch die Szene zu sehen, als der alte Bogenschütz seine Vergangenheit aufarbeitet, und er in etwa sagt, er trage seit dem Krieg eine Schande in sich?

Hannes Stöhr: Das ist Teil dieser Generation. Ich bin ein großer Anhänger von dem Satz von Wolfgang Kohlhaase: „Man braucht viel Fantasie, um die Realität zu verstehen“. Realismus ist etwas, wozu man Fantasie benötigt. Durch die Figur des Seniorchefs wird die Frage der Globalisierung in einen größeren Zusammenhang gestellt. Vieles wird auch relativiert durch die Präsenz eines 90-Jährigen. Gegenüber ihm haben wir gar nichts erlebt. Es war auch eine letzte Möglichkeit, mit einem Schauspieler dieser Generation wie Walter Schultheiß zu arbeiten. Er hat die Figur genial verkörpert, auch in seiner Ruppigkeit.


Allerdings ist der von Ihnen, Herr Bach, verkörperte Sohn Michael nicht dabei, als sein Vater mit einer der Töchter endlich über seine Vergangenheit redet.

Christoph Bach: Die beiden reden im Film nicht über persönliche Dinge. Schauspielerisch ist das reizvoll. Vater und Sohn sitzen eigentlich immer am Verhandlungstisch, sie belauern sich. Es geht um Strategie und Taktik. Wie in einem Pokerspiel.


Michael Bogenschütz ist der Firmenchef, aber sein Vater Paul mischt sich mit seinem Vetorecht immer wieder ein. Dazu kommt die schwierige Situation in der eigenen Familie. Denn die Frau bringt das Geld nach Hause, während er sich Monate lang kein Gehalt ausgezahlt hat. Wie kommt er mit allem zurecht?

Christoph Bach: Die Verbindung von Familie und Unternehmen, von Gefühl und Geschäft hat mich am Stoff am meisten interessiert. Ich habe mir die Firma immer als Michaels älteste Schwester, das wichtigste Kind in der Familie, vorgestellt. Alles dreht sich um sie. Sie schweißt alle zusammen und trennt sie zugleich. Für den Vater sind alle Aktivitäten seiner Kinder, die nicht mit der Firma zusammenhängen, unsichtbar. Der Film zeigt das Unternehmen in einer großen Krise. Man kann sich vorstellen, welcher Druck auf Michael Bogenschütz lastet. Zudem fällt es ihm schwer, sich zu öffnen oder ein mögliches Scheitern zuzugeben. Er beginnt den Leuten etwas vorzuspielen.

Michael hält trotz der finanziellen Probleme an den Statussymbolen, beispielsweise am gelben Porsche, fest. Wird jemand durch den Zwiespalt nicht zermürbt?

Christoph Bach: Doch, aber der Schein muss um jeden Preis gewahrt werden. Der erfolgreiche Unternehmer ist die Rolle seines Lebens. Dazu gibt es keine Alternative. Selbst als er den Porsche schließlich doch verkaufen muss, und er mit dem Fahrrad zu Arbeit fährt. Im Film ergibt das eine tragisch-komische Figur.
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