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José García Foto: déjà-vu-Film ![]() Wenn die Mädchen zunächst von ihm sprechen, ist der Vater gemeint. Irgendwann einmal nimmt diese Stelle der Freund ein. Später wird es mit der Zweierbeziehung ernst. Die darauffolgenden Gesprächsthemen betreffen die Hochzeit und die Schwangerschaft. Plötzlich spricht eine Frau vor der Kamera, die gerade ein Kinderzimmer eingerichtet hat. Damit kehrt sich die Situation um: Der nun die Interviews beherrschende Hauptgedanke dreht sich um die Mutter-Sohn-Beziehung. Dennoch reden auch erwachsene Frauen über ihren Vater, meistens über dessen Krankheiten und Tod. Wenn die eigenen Kinder älter werden und aus dem Elternhaus ausziehen, entsteht für die Mutter ein neuer Lebensumstand. Als wir jung waren, gingen wir ins Haus meiner Mutter. Jetzt kommen die Kinder hierher. Das nennt man Tradition, sagt eine der Interviewten. Die Mutter bleibt immer Mutter, allerdings entsteht mit zunehmendem Alter das schmerzliche Gefühl, zur älteren Generation zu gehören, die nicht mehr viel zu sagen hat. Aber auch dann spielt der Ehemann als Bezugsperson eine wichtige Rolle. So bekennt eine der Frauen, die seit 50 Jahren verheiratet ist: Ich liebe ihn noch. Gegen Ende werden naturgemäß Witwen zahlreicher. Ken Wardrop lässt die siebzig Mädchen und Frauen meistens in statischen Einstellungen zu Wort kommen. In der Auswahl der Bilder durch die Kameraleute Kate McCullough und Michael Lavelle wird ein ästhetisches Bestreben spürbar, diese Einstellungen genau zu arrangieren. Nicht nur dass die Aufnahmen im Haus oder in der Wohnung der jeweils Interviewten stattfindet. In auffallender Häufigkeit werden darüber hinaus ähnliche Einstellungen bevorzugt, etwa zwei nebeneinander liegende Räume vor allem Schlafzimmer und Bad , die durch eine Wand geteilt sind, während beide Türen offen stehen. Sonst wird als Interviewort die Küche vorgezogen. Selten gewährt die Kamera einen Blick nach außen etwa durch das Fenster, beispielsweise in den Garten. Zuweilen werden die Frauen bei häuslichen Verrichtungen gefilmt und deren Kommentare als Off-Stimme eingesetzt. Da der Interviewer nicht in Erscheinung tritt und die Zeit stets knapp bemessen ist, scheint es, als würden die Mädchen und Frauen Statements abgeben statt auf Fragen zu antworten. Dies zusammen mit der distanziert beobachtenden Kamera und mit dem Hang zur Ästhetisierung erschwert es dem Zuschauer, sich auf die einzelnen Interviewten einzustellen. Was freilich bewusst zu sein scheint. Denn auch der Schnitt schafft fließende Übergänge, indem eine vorausgegangene Tätigkeit wieder aufgenommen oder auf sonst ein anderes Element Bezug genommen wird. Dadurch entsteht der Eindruck, dass nicht die Individualität, sondern das Gemeinsame, das Kennzeichnende für die Frau aus den irischen Midlands im Vordergrund steht. Andererseits stellt sich bei der ausgeprägten Gestaltung der filmischen Elemente vom Drehbuch über die Dramaturgie und die Bildeinstellungen bis zum Schnitt die Frage, ob His & Hers die Grenzen des Dokumentarfilms überschreitet. Ob die Gemeinsamkeiten der Frauen an der Auswahl durch Drehbuchautor und Regisseur Ken Wardrop liegen, weil sie in ihrer Beziehung zu den Männern dargestellt werden, oder tatsächlich in dieser irischen Region allgemein bestehen, muss zwar offenbleiben. Jedenfalls sind die im Herzen Irlands gelegenen Midlands mit ihrer gut einer Viertelmillion Einwohnern ländlich geprägt. Dies erklärt womöglich, dass die meisten Frauen keinem Beruf außer Haus nachzugehen scheinen. Die sogenannte traditionelle Familie stellt denn auch ausnahmslos die Lebensform dieser Frauen dar. Irgendein Gegenentwurf dazu kommt in Wardrops Film gar nicht vor. Die meisten Äußerungen der interviewten Frauen drehen sich um ganz alltägliche Dinge. Dazu führt Regisseur Ken Wardrop aus: Ich denke, wenn man meine Filme genau anschaut, dann sind sie über sehr gewöhnliche Dinge und dadurch versuche ich, das außergewöhnliche im Leben herauszufinden. Die Übereinstimmung der Fragen, die sie beschäftigen, erzeugt zusammen mit dem schnellen Wechsel der Protagonisten und dem flüssigen Schnitt die Vorstellung, dass es sich nicht um siebzig verschiedene Frauen, sondern um das im Schnellverfahren Revue passierte Leben einer einzigen, typischen Frau in dieser Gegend handelt. |
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