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JOSà GARCÃA Foto: Arsenal In einer kleinen Stadt am Niederrhein erlebt Kalli Spielplatz seinen âzehnten Sommerâ: just zu Beginn der Sommerferien wird er neun. Der mit goldener Krone und rotem Umhang geschmückte âKönig Kalliâ fährt mit seinem glänzend neuen Roller durch die Kleinstadt und nimmt die Huldigungen seines âVolkesâ entgegen. Die Ferien fangen gut an, obwohl oder vielleicht gerade deshalb, weil Sommerferien im Jahre 1960 weder Italien noch Spanien, weder Fernsehen noch Computerspiele bedeutet, eher âder Zauber, einfach aus wenig viel zu machenâ, wie sich Regisseur Jörg Grünler ausdrückt. Zusammen mit seinen âBlutsbrüdernâ Polli und Walter gründet Kalli einen geheimen Zoo, für den er den echten Affen Kappu bekommt. In seinem zehnten Sommer entdeckt Kalli in der Nachbarstochter Franzi seine erste Liebe, die vor deren strenger Mutter unbedingt verborgen bleiben soll. Doch nicht nur die Kinder haben ihre Geheimnisse vor den Erwachsenen â so stellt Kalli fest, dass sein kriegsversehrter Vater heimlich zur attraktiven Nachbarin Almut Hilgers geht, einer Frau von zweifelhaftem Ruf. Der auf Dieter Bongartzâ Roman âDer zehnte Sommer des Kalli Spielplatzâ basierende und von Kinderdarsteller Martin Stührk als Kalli hervorragend gespielte Spielfilm versetzt den Zuschauer auch mit seiner bewusst altmodischen Erzählstruktur in die frühen sechziger Jahre zurück, in eine vordergründig intakte Zeit. Doch so heil, wie sie vorgibt, war diese Welt der âvor 68â nicht â suggeriert der Film. Unter der schönen Oberfläche eines Kinderfilmes rechnet Roman- und Drehbuchautor Dieter Bongartz mit seiner eigenen Kindheit ab: âViele Geschichten, in denen ich kindlichen Helden begegne, führen mich in die Welt meiner eigenen Kindheit zurück. In âDer zehnte Sommerâ war das aber auch dramatisch notwendig, weil die Geschichte aus dem Konflikt zwischen der kleinbürgerlich-bornierten Lebensweise und einer offeneren Einstellung lebt. Die Handlung musste in einem engen, katholischen Milieu angesiedelt werden.â Die zentrale Rolle in diesem âKonfliktâ spielt die verrufene Frau Hilfers als âschwer aushaltbarer Kontrast zum alles erdrückenden Mief der frühen 60er Jahreâ (Bongartz). Wenn auch âFrau Hilfers und ihre Töchterâ dem Zuschauer aus der Sicht eines gerade Neunjährigen begegnen, der sie sich in seiner Phantasie als schöne Burgfräuleins ausmalt, so besteht für den Erwachsenen doch kein Zweifel, welches Gewerbe sie eigentlich betreiben. Frau Hilfers âund ihre Töchterâ füllen das Klischee der gutherzigen Hure genauso aus wie Franzis Mutter das der streng Erziehenden. Damit es â nach den Vorstellungen der Filmemacher â richtig âeng katholischâ wird, bedarf es jedoch eines weiteren Klischees: das des unsympathischen Priesters. Die in der Inszenierung weitgehend unterschwellige Gesellschaftskritik wird an dieser Figur überdeutlich, ja besonders plump, wenn dem Geistlichen nichts Geringeres als eine Verletzung des Beichtgeheimnisses vorgeworfen wird. Beteuerten Regisseur und Drehbuchautor nach der Filmvorführung bei der Berlinale 2003, der Vorwurf âPriesterpetzeâ könne auch als Phantasie Kallis ausgelegt werden, so spricht die Dramaturgie jedoch eindeutig gegen eine solche Deutung. Ãberdies wird die âPetzeâ als zur Wirklichkeitsebene zugehörig inszeniert. Dies ist umso mehr besonders ärgerlich, als der ausgezeichnet ausgestattete âDer zehnte Sommerâ in der Rahmenhandlung um Kallis Sommerferien für Kinder durchaus Unterhaltungswert besitzt. |
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