MEIN LEBEN OHNE MICH | My Life without me / Mi vida sin mí
Filmische Qualität:   
Regie: Isabel Coixet
Darsteller: Sarah Polley, Amanda Plummer, Scott Speedman, Leonor Watling, Deborah Harry, María de Medeiros, Mark Ruffalo, Alfred Molina
Land, Jahr: Kanada / Spanien 2003
Laufzeit: 102 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: S


JOSÉ GARCÍA
Foto: Tobis

Die 23-jährige Ann lebt mit ihrem arbeitslosen Mann und ihren zwei süßen Töchterchen in einem Wohnwagen auf dem Grundstück ihrer stets unzufriedenen Mutter im kanadischen Vancouver. Sie arbeitet an der Uni als Putzfrau. Eines Tages ändert sich ihr Leben schlagartig. Denn nach einem Schwächeanfall lautet die Diagnose: Gebärmutterkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Wie reagiert ein junger Mensch auf die Nachricht, ihm bleiben nur noch wenige Monate zu leben? Soll er etwas Verrücktes anstellen, sich eine Art letzten Wunsch erfüllen? Oder trotzig die Nachricht ignorieren und einfach so weiterleben, solange es nur geht?

Ann trifft zunächst eine eigenwillige Entscheidung: sie behält die Nachricht für sich und versucht, ihr Leben so normal wie möglich weiterzuführen. Sie schreibt allerdings auf einem Zettel alles auf, was noch zu tun ist, ehe „ihr Leben ohne sie“ weitergeht. In dieser Liste nimmt natürlich an erster Stelle ihre Familie Platz. So will Ann auf Kassette Geburtstagsgrüße für ihre beiden Töchter aufnehmen, für jedes Jahr eine, bis sie 18 werden. Ganz oben steht auch der Plan, eine neue Frau für ihren Mann und Ersatzmutter für die beiden Töchter zu finden sowie das Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter ins Reine zu bringen und endlich ihren seit 10 Jahren im Gefängnis sitzenden Vater zu besuchen.

Nach solchen vernünftigen Überlegungen fallen ihr dann doch noch ein paar kleine verrückte Dinge ein – und schließlich so etwas wie ein letzter Wunsch: sie, die so früh heiratete, möchte vor ihrem Tod die Liebe eines anderen Mannes kennen lernen. In der Tat trifft sie auf einen vom Leben Enttäuschten, mit dem sie eine außereheliche Beziehung beginnt.

Obwohl das Drehbuch alle Türen für ein rührseliges Melodram offen lässt und die wunderschönen Naturbilder mit dem rauen Meer und dem Regen zur melancholischen Stimmung beitragen, inszeniert Regisseurin Isabel Coixet „Mein Leben ohne mich“ sensibel und spröde zugleich und vor allem mit einem wunderbaren Gefühl für Erzählrhythmus, das jegliches Abgleiten in Gefühlsduselei von vorne herein verhindert.

„Mein Leben ohne mich“ ist bis in die Nebenfiguren hervorragend besetzt, insbesondere in den weiblichen Rollen: Amanda Plummer glänzt als exzentrische diät-obsessionierte Kollegin. Maria de Medeiros brilliert als skurrile Friseurin, und die durch „Sprich mit ihr“ (Pedro Almodóvar, 2002) weltberühmte Leonor Watling überzeugt in einer kurzen, aber eindringlichen Rolle als Nachbarin.

Aus dieser Schauspielerinnen-Riege sticht die Protagonistin Sarah Polley heraus, die in „Das Süße Jenseits“ (Atom Egoyan, 1998) einem breiten Publikum bekannt wurde. Sarah Polleys leicht melancholische Miene verleiht einer Traurigkeit ohne Bitterkeit, dem bewussten Leben bis in die letzten Augenblicke den richtigen Ausdruck.

Allein die Liebesaffäre ist mit ihrer Sorge um die Zukunft ihrer Familie kaum zu vereinbaren. Zumal Ann dadurch nicht nur den eigenen Ehemann, sondern auch den Mann tief verletzt, der ihr in ihrer letzten Lebensspanne Geborgenheit und Zärtlichkeit schenkt.

„Mein Leben ohne mich“ ist ein Film, der den Mut hat, sich existentielle Fragen zu stellen: die Frage nach dem Wert der Familie, der Mutterschaft, der Liebe. Ein Film, der nachdenklich macht, der über die Banalitäten des Lebens hinaus strebt. Dazu erklärt die Regisseurin: „Was ich mit diesem Film beschlossen habe, ist, mein Leben nicht mit irgendwelchem Mist zu vergeuden ... Wenn ich sterbe, dann will ich nicht verärgert sein über diese Welt.“

Das Leben bewusster leben, nach den wirklich wichtigen Dingen des Lebens streben – sicherlich ein wichtiges Anliegen, das „Mein Leben ohne mich“ verbreitet. Dennoch: weil die transzendente Dimension des Menschen ganz außer Acht gelassen wird, bleibt ein schaler Nachgeschmack, der den Wert dieses einfühlsamen Dramas mindert.
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