LE WEEKEND | Le Week-End
Filmische Qualität:   
Regie: Roger Michell
Darsteller: Jim Broadbent, Lindsay Duncan, Jeff Goldblum, Olly Alexander, Judith Davis
Land, Jahr: Großbritannien 2013
Laufzeit: 93 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 1/2014
Auf DVD: 5/2014


José García
Foto: Prokino

Nick (Jim Broadbent) und Meg Burrows (Lindsay Duncan) reisen von Birmingham nach Paris, um ihren 30. Hochzeitstag zu feiern. Beruflich sehen sie – Meg als Biologielehrerin, Nick als Dozent an einer wenig renommierten Universität – der Pensionierung entgegen, ohne viel von der kurzen noch verbleibenden Berufszeit zu erwarten. Nick ist sogar kürzlich vom Dekan nahegelegt worden, um die Versetzung in den vorgezogenen Ruhestand zu bitten, nachdem sich eine Studentin wegen eines rassistischen Witzes über ihn beschwert hat. Spätestens seit die Kinder aus dem Haus sind, wird Nick und Meg bewusst, dass auch ihre Ehe ziemlich eingerostet ist. Daher der Wunsch, dadurch einen Hauch Romantik in die Ehe zu bringen, dass Nick dasselbe Hotel in Paris bucht, in dem sie damals ihre Flitterwochen verbrachten. Allerdings ist dieses Hotel inzwischen ziemlich heruntergekommen, was sich wie ein Sinnbild für den Zustand ihrer Ehe ausnimmt. Meg weigert sich, dort zu bleiben. Sie setzt sich in ein Taxi und lässt sich in ein Luxushotel fahren. Weil die noble Herberge eigentlich ausgebucht ist, lässt sich Nick überreden, eine sündhaft teure Suite („Tony Blair hat hier übernachtet“) zu mieten.

Auf der Suche nach einem Restaurant, die Regisseur Roger Michell in einer schnellgeschnittenen Sequenz zeigt, streiten sich Meg und Nick immer wieder etwa über die zu erneuernden Badezimmerfliesen oder über den Sohn, der sich zwischendurch bei Nick meldet und der wieder bei den Eltern einziehen will. Der besonders anfangs etwas sprunghafter Schnitt verdeutlicht das Hin und Her ihrer Beziehung: Auf die Versuche, zu vertrauten Gemeinsamkeiten, zur alten Liebe zurückzufinden, folgen immer wieder Spannungen und Streitigkeiten. Aber selbst dieses Gezänk zeugt von einer im Laufe der Jahrzehnte aufgebauten Vertrautheit. Die Spannungen lösen sich manchmal in Albernheiten auf, wenn die fast Sechzigjährigen durch das noble Hotel „Fang mich“ spielen oder in einem feinen Restaurant die Zeche prellen und vergnügt wie Kinder davon rennen.

Genau in diesem Augenblick läuft ihnen buchstäblich ein alter Bekannter Nicks über den Weg: der Amerikaner Morgan (Jeff Goldblum), ein alter Freund aus Nicks Studientagen in Cambridge, der kürzlich von New York nach Paris gezogen ist. Als Bestsellerautor ist er das Gegenteil von Nick: berühmt, reich und, nachdem er sich hat scheiden lassen, verheiratet mit der viel jüngeren Eve (Judith Davis), die ihr erstes gemeinsames Kind erwartet. Der extrovertierte und laute Erfolgsautor spart nicht an Komplimenten gegenüber Meg und empfindet eine besondere Dankbarkeit gegenüber dem alten Freund, in dem er den Idealisten aus der alten Zeit noch immer sieht. Morgan lädt die beiden für den nächsten Abend zu einer Party in sein schickes Appartement ein.

Das auf den ersten Blick einfache Drehbuch von Hanif Kureishi lässt insbesondere die hervorragenden Darsteller in den Mittelpunkt rücken. Jim Broadbent, der für seine Rolle des Nick beim Filmfestival San Sebastian mit der Silbernen Muschel ausgezeichnet wurde, und Lindsay Duncan tragen einen Film, der größtenteils aus Dialogen besteht. Die beiden versprühen eine Mischung aus Zynismus und Selbstironie, die aber wegen einer gewissen verspielten Leichtigkeit nicht verbittert wirkt. Bewegung in die stagnierende Beziehung bringen sowohl der erfolgsverwöhnte Morgan als auch die selbstzufriedenen Gäste seiner Dinner-Party. Während sich die leicht beschwipste Meg auf einen Flirt mit einem jungen Autor einlässt, trifft Nick auf der Flucht vor den spleenigen Partygästen auf Michael (Olly Alexander), Morgans Sohn aus erster Ehe. Als Nick aber zur Party zurückkehrt und zu einer Tischrede überredet wird, verblüfft er alle durch seine Offenheit, berührt aber insbesondere Meg.

Obwohl „Le Weekend“ im Umgang mit den darin angesprochenen, zweifellos anregenden Fragen einen richtigen Tiefgang vermissen lässt, gelingt es Roger Michell, die Stimmung eines Ehepaares einzufangen, das drei Jahrzehnte lang durch Höhen und Tiefen zusammen gegangen ist. Mit den von britischem Humor und einer Menge Situationskomik unterstützten Wortgefechten zwischen den Eheleuten verdeutlichen Drehbuchautor Hanif Kureishi und Regisseur Roger Michell das trotz allem Streit um Nichtigkeiten feste Band, das sie eint. Dazu passt auch die Überzeugung, mit der Nick seinem alten Freund Morgan die Meinung deutlich sagt, es sei eine Illusion „zu glauben, man sei frei, wenn man jemand verlässt“. Nick und Meg können sich immer wieder necken, aber sie sind im Laufe der Jahre wirklich ein Herz und eine Seele geworden. Zweifellos liegt eine leise Melancholie über „Le Weekend“, weil die alternden Protagonisten Zeit nicht zurückdrehen können. Dennoch sind sie nicht auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Mit einer wohlkomponierten Mischung aus Wehmut und Selbstironie zeigt „Le Weekend“, dass Meg und Nick „wunderbar mit dem eigenen Unglücklichsein im Einklang“ stehen, dass in den gemeinsamen Jahrzehnten ein Gleichgewicht gefunden haben, um ihre Liebe trotz allem jung zu erhalten.
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