JACK UND DAS KUCKUCKSUHRHERZ | Jack et la mécanique du coeur
Filmische Qualität:   
Regie: Mathias Malzieu, Stéphane Berla
Darsteller:
Land, Jahr: Frankreich 2012
Laufzeit: 84 Minuten
Genre: Animation
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 7/2014
Auf DVD: 10/2014


José García
Foto: universum

An einem bitterkalten Tag macht sich eine schwangere Frau auf den Weg in ein Haus, das auf einem Berg im schottischen Edinburgh steht. Der kleine Jack kommt mit gefrorenem Herzen zur Welt. Seine Hebamme Madeleine ersetzt allerdings kurzentschlossen den Eisklumpen durch eine Kuckucksuhr. Daher auch der Titel des Animationsfilms „Jack und das Kuckucksuhrherz“, der am Kinder- und Jugendprogramm („Generation“) der diesjährigen Berlinale teilnahm und nun im regulären Kinoprogramm startet. Jack kann zwar leben. Er muss aber drei wichtige Regeln befolgen: Niemals an den Zeigern drehen, niemals in Rage geraten und sich niemals verlieben, denn sonst spielt das Uhrwerk verrückt und das kann den Tod für Jack bedeuten. Diese Regeln schärft Madeleine dem Jungen immer wieder ein. Denn Jack wurde von Madeleine adoptiert, nachdem seine Mutter direkt nach der Geburt verschwand.

Jack wächst ziemlich einsam in diesem Haus auf, in dem auch andere Gestalten mit teils grotesken Prothesen wohnen, so etwa ein alter Mann mit einem Glockenspiel als Rückgrat oder die Frau mit einem Holzbein. Im Alter von etwa elf Jahren möchte Jack endlich die Schule besuchen und Gleichaltrige treffen. Widerwillig gibt Madeleine nach, weil sie die Gefahren für Jacks Kuckucksuhrherz allzu gut kennt. In der Schule trifft Jack auch auf Acacia, das Zigeuner-Mädchen, in das sich Jack bei einem Besuch in der Stadt verliebt hatte. Allerdings verschwindet sie eines Tages spurlos. Dafür wird Jack in der Schule vom älteren Mitschüler Joe schikaniert. Bis der Kuckuck aus Jacks Herzuhr aus seiner Verankerung springt und Joe ein Auge aussticht. Jack muss nun aus Schottland fliehen. Auf seiner Reise in den Süden lernt er einen Magier namens George Mélies kennen, dem er sich anschließt. Zusammen begeben sie sich auf die Suche nach Acacia, und so kommen sie nach Andalusien, wo die Sängerin in einem „Extraordinarium“ auftritt und mit ihrem Gesang („Malaguena salerosa“) nicht nur Jack verzaubert. Es könnte alles zum Happy End führen, wäre nicht da der inzwischen eine Augenklappe tragende Joe, der sich ebenfalls in Acacia verliebt hatte und ebenso ihre Spur verfolgt hat.

Der Animationsfilm „Jack und das Kuckucksuhrherz“ entstand nach der Bestseller-Vorlage „Die Mechanik des Herzens“ von Co-Regisseur Mathias Malzieu, der auch für das Drehbuch sowie mit seiner Band Dionysos für die Musikeinlagen verantwortlich zeichnete. Die Zeichnung der Figuren wirkt auf den ersten Blick schematisch, beinahe karikaturhaft. Die Gesichter erweisen sich jedoch sehr als ausdrucksstark, insbesondere die Augen wirken ganz realistisch. Nicht nur die Figuren, auch das ganze Produktionsdesign, etwa die expressionistisch anmutende Stadt, erinnern an die Animationsfilme von Tim Burton, etwa „The Nightmare Before Christmas“ (1993), „Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche“ (2005) oder „Frankenweenie“ (2012). Die Figur des Joe – wie Victor in „Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche“ – besitzt sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Johnny Depp. Wie Tim Burtons Animationsfilme strahlt „Jack und das Kuckucksuhrherz“ inmitten eines düsteren und dennoch märchenhaften Ambientes eine skurrile Melancholie aus, die sich insbesondere in den traumhaften Szenen mit einer sehr einfallsreichen Zeichnung verbindet. Der Auftritt Georges Mélies, von dem auch Filmausschnitte gezeigt werden, verweist auf die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts, als der geniale Illusionist seinen ersten Film („Une partie de cartes“, 1896) drehte. Damit korrespondieren auch bei aller Phantastik die Kleidung und die Eisenbahn als bevorzugtes Fortbewegungsmittel. Dabei nehmen sich die Animationsstile, die Mathias Malzieu und Stéphane Berla einsetzen, sehr unterschiedlich aus: Mit sehr plastisch wirkenden und mit einer Fülle an Details überbordenden Szenen kontrastieren sich flächig und schematisch ausnehmende Zeichnungen, etwa auf der Reise nach Andalusien.

Diese Uneinheitlichkeit gilt darüber hinaus auch für die Handlung, die sich teilweise episodisch ausnimmt. Die überbordende Phantasie, das visuelle Feuerwerk und die überzeugende Musik machen dieses episodische Erzählen jedoch wieder wett. Durch George Mélies Filme im Film stellt „Jack und das Kuckucksuhrherz“ nicht nur eine Hommage an den französischen Filmpionier dar, dem zuletzt Martin Scorsese mit „Hugo Cabret“ (siehe Filmarchiv) ein filmisches Denkmal gesetzt hatte. Darüber hinaus unterstreichen die Regisseure Mathias Malzieu und Stéphane Berla durch die Verknüpfung der sich durch einfallsreiche Filmtricks auszeichnenden Filmkunst von Georges Mélies mit den heutigen computergenerierten Animationsfilmen die beiden Formen innewohnende Magie des Kinos, zu der ihr Film wesentlich beiträgt.

Obwohl es den Regisseuren wegen der erwähnten erzählerischen Schwäche nicht ganz gelingt, die Charaktere von „Jack und das Kuckucksuhrherz“ facettenreich mit Leben zu füllen, überzeugt nicht nur visuell die Liebesgeschichte des ungewöhnlichen Jungen zur exotischen Fremden sowie die Freundschaft zwischen dem Jungen mit dem Kuckucksuhrherzen und dem Magier des frühen Films.
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