TROMMELBAUCH | Dik Trom
Filmische Qualität:   
Regie: Arne Toonen
Darsteller: Michel Nierse, Eva van der Gucht, Marcel Musters, Fiona Livingston, Nils Verkooijen
Land, Jahr: Niederlande 2010
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum:
Einschränkungen: --
Auf DVD: 6/2014


José García
Foto: Tiberius Film

In einer (fiktiven) niederländischen Kleinstadt mit dem bezeichnenden Namen Pummelstadt sind die Menschen so richtig dick. Kein Wunder bei den Unmengen Lebensmitteln, die sie vertilgen. Dort sieht aber auch alles bunt aus und die Menschen sind offensichtlich glücklich und zuvorkommend zueinander. In Pummelstadt lebt der etwa 11-jährige Dik Trommel (Michel Nierse) mit seinen Eltern (Eva van der Gucht, Marcel Musters), den Verkäufern der beliebtesten Hotdogs der Stadt. Reißenden Umsatz macht Familie Trommel etwa beim „Wasserverdrängungswettbewerb“ im öffentlichen Schwimmbad. Ein gesunder Geist wohnt im rundlichen Körper!“, verkündet denn auch der Moderator des Sprungwettbewerbs. Nach dem Wettbewerb, bei dem wie jedes Jahr Dik haushoch überlegen war, tritt Herr Wichtigtuer an Familie Trommel mit dem Angebot heran, in einer weiteren niederländischen Kleinstadt namens Dünnhausen ein leerstehendes Restaurant zu übernehmen.

In aufgeräumter Stimmung machen sich Herr und Frau Trommel mit Dik sofort auf den Weg nach Dünnhausen. Endlich werden sie ein richtiges Restaurant betreiben. Doch die ersten Bilder aus dieser Vorstadt stimmen sie nachdenklich: Alle Menschen sehen ausgesprochen schlank, ja unterernährt aus, so dass Dik seine Eltern fragt: „Sind das die armen Leute, für die im Fernsehen gesammelt wird?“ Im Gegensatz zur fröhlich-bunten Welt von Pummelstadt mutet Dünnhausen pastellfarben und trist an. Hier treiben alle Einwohner ständig Sport. Sogar in der Schule treten die Kinder kräftig unter dem Schultisch in die Pedale, während sie Schulaufgaben lösen, die sich vorwiegend mit Kalorien beschäftigen. Dass in Dünnhausen die Bezeichnung „kalorienarm“ zum Fetisch geworden ist, bekommt Papa Trommel alsbald zu erfahren: Im Supermarkt gibt es lediglich Gemüse und Mineralwasser in allen möglichen Variationen. Fleisch oder etwa auch Schokolade? Fehlanzeige! Deshalb lässt er sich Lebensmittel aus Pummelstadt liefern. Obwohl sich Herr und Frau Trommel die Wiedereröffnung des Restaurants mit viel Mühe und Liebe vorbereitet haben, bleiben die Gäste aus.

Familie Trommel wirkt in Dünnhausen wie ein Fremdkörper. Zunächst versucht sich Mama Trommel der Umgebung anzupassen. Da sie in der Boutique keine Kleider in ihrer Größe findet, ja kaum in die Umkleidekabine passt – der Zuschauer kennt diesen Einfall bereits aus Agnès Jaouis „Schau mich an!“ (2004) –, muss sie das neue Kleid aus Vorhängen selbst schneidern. Deshalb beschließt sie, Sport zu treiben und sich fürs Abnehmen zu interessieren. Auch der Fitnesstrainer scheint Interesse an ihr zu finden. Diks Vater muss sich ebenfalls anpassen, will er nicht das Restaurant kampflos aufgeben: Tofu und Rhabarbershakes stehen nun ganz oben auf der Speisekarte. Mit seiner Leibesfülle fühlt sich Dik in der Schule ziemlich fehl am Platz. Seine Stimmung ändert sich aber, als er die hübsche Lieve (Fiona Livingston), das dünnste Mädchen in der Stadt, kennenlernt. Lieve ist die Tochter von Frau Schlager, der Diätenkönigin von Dünnstadt. Lieves Vater hatte die Familie verlassen, weil er seine Frau zu fett fand. Deshalb muss das Mädchen strengste Diät befolgen. Bald entwickelt sie jedoch eine heimliche Lust auf Schokolade und Marzipan. Dadurch kommen sich Dik und Lieve näher. Allerdings steht zwischen ihnen Viktor, der Sohn des Fitnesstrainers, der ebenso in Lieve verliebt ist.

Der niederländische Regisseur Arne Toonen liefert mit „Trommelbauch“ einen herrlich überzogenen Familienfilm, dessen Handlung nicht nur visuell, sondern auch durch die teils spannungsgeladene, teils fröhlich stimmende Musik unterstützt wird. Bei der Verleihung des Prädikats „besonders wertvoll“ führt die Filmbewertungsstelle Wiesbaden dazu aus: „Dieser holländische Kinderfilm erzählt mit viel Witz, Ironie und herrlich flotten Pointen die Geschichte von drei freundlichen Dicken in einer feindlichen Umwelt, in der korpulente Menschen wie Aliens behandelt werden. Der Film greift Themen wie Diät- und auch Fress-Sucht geschickt und unverkrampft auf und ist eine wundersame Mischung aus ‚Momo’, ‚Mary Poppins’, knalligem Pop-Märchen und liebenswerter Realsatire. Vor allem aber geht es um Familien, um Themen wie Freundschaft, Toleranz, die anderswo oft zum Klischee verzerrten ‚inneren Werte’ und um pure Lebensfreude.“

In seiner Belobigung der kulinarischen Genüsse und in der Kritik an einer, aus dem holländischen Calvinismus herrührenden puritanischen Enthaltung gastronomischer Freuden erinnert „Trommelbauch“ bei allen allzu offensichtlichen Unterschieden gar an Gabriel Axels „Babettes Fest“ (1987), in dem die Kochkünste einer französischen Exilantin die Lebensgeister einer verkrusteten dänischen Gemeinde wieder weckte. Dank der sympathischen Figuren und der offenkundigen Spielfreude insbesondere des Jungdarstellers Michel Nierse, der seinen Dik mit einer gewissen Naivität, aber auch mit Tiefgang verkörpert, wird eine positive Botschaft über Familie, Freundschaft und Treue zu den eigenen Grundsätzen, ohne sich dem Druck der Mehrheit zu beugen, transportiert. Dies verdeutlicht „Trommelbauch“, der bereits 2010 produziert, aber erst jetzt in Deutschland auf DVD erscheint, ohne erhobenen Zeigefinger, sondern mit einer herrlich überspitzten Inszenierung und in den allerschönsten Farben.
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