MONSIEUR CLAUDE UND SEINE TÖCHTER | Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?
Filmische Qualität:   
Regie: Philippe de Chauveron
Darsteller: Christian Clavier, Chantal Lauby, Ary Abittan, Medi Sadoun, Frédéric Chau, Noom Ciawara, Frédérique Bel
Land, Jahr: Frankreich 2014
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 7/2014
Auf DVD: 11/2014


José García
Foto: Neue Visionen

Claude (Christian Clavier) und Marie (Chantal Lauby) Verneuil leben in einem prächtigen Haus an der Loire. Nichts wäre ihnen lieber, als wenn ihre vier Töchter ihre liebgewonnenen Traditionen weiterleben und einfach „normale“ französische Katholiken heiraten würden. Allerdings haben sich die drei ältesten Töchter ganz anders entschieden: Sie sind mit einem Muslim, einem Juden und einem Chinesen verheiratet, sodass die Verneuils im Dorf inzwischen als „die Benetton-Familie“ bekannt ist. Als die vierte Tochter Laure (Elodie Fontan) ankündigt, einen echten Katholiken heiraten zu wollen, sind ihre Eltern endlos glücklich – bis sich herausstellt, dass der künftige Schwiegersohn Charles (Noom Diawara) aus der Elfenbeinküste stammt. In der Tat fahren Charles’ Eltern und Geschwister in der Heimat zur Messe, den Rosenkranz gut sichtbar im Auto. Womit Claude aber nicht gerechnet hat: Charles’ Vater (Pascal N’Zonzi) hegt ähnliche Vorurteile wie er, nur eben gegen die Europäer im Allgemeinen und die Franzosen im Besonderen. In einem Punkt sind sie sich jedoch einig: Die Hochzeit zwischen Laure und Charles muss unbedingt verhindert werden.

Drehbuchautor und Regisseur Philippe de Chauveron gelingt es, die alltäglichen Vorurteile und Klischees derart ironisch auf die Spitze zu treiben, dass „Monsieur Claude und seine Töchter“ eine lustige und dennoch mit Überzeugungen und Glauben respektvoll umgehende Komödie geworden ist. Obwohl Christian Clavier und Pascal N’Zonzi im Mittelpunkt dieses humorvollen Zusammenpralls der Kulturen stehen, erhalten alle anderen Figuren genügend Konturen, um das jeweilige Klischee mit Leben zu füllen. Stereotypisch reduziert werden darüber hinaus weitere Nebenfiguren wie der Priester oder der Psychiater. Dass die romantische Seite von de Chauverons Film ebenso übertrieben kitschig ausfällt, passt darüber hinaus vollkommen ins Bild. Der spritzige und überaus lustige „Monsieur Claude und seine Töchter“ belegte den ersten Platz in den französischen Kino-Charts.


Interview mit Drehbuchautor und Regisseur Philippe de Chauveron

Könnte Ihr Film eine Art komödiantische Antwort auf das Ergebnis der diesjährigen Europawahl sein, bei der die „Front National“ von Marine Le Pen mehr als 25 Prozent der Stimmen gewann?

Wir sind ein sehr schizophrenes Land. Auf der einen Seite ist „Front National“ aus der Europawahl als stärkste Partei hervorgegangen. Auf der anderen Seite ist Frankreich Weltmeister in Mischehen. Jede vierte Ehe ist in Frankreich eine Mischehe. Beides gibt es. Eine Erklärung für diese Schizophrenie habe ich allerdings nicht.


Das Ehepaar Verneuil hat Angst vor Überfremdung, kennt aber die Menschen aus anderen Kulturen nur oberflächlich. Kann ihr Gefühl als eine Mischung aus Angst und Unwissenheit bezeichnet werden?

Ich glaube nicht, dass Claude Verneuil ein Rassist ist. Er hat nur Angst, dass seine Enkel ihm nicht ähnlich sehen. Er ist jedoch nicht der Einzige, der eine solche Angst hat. Seitens der Juden, der Araber, der Schwarzen gibt es ähnliche Ängste. Das ist eine absolut verständliche menschliche Schwäche. Je mehr man aber miteinander zusammenlebt, umso mehr werden sich diese Ängste eines Tages auflösen.


Besonders amüsant ist es, dass der einzige Katholik unter den Schwiegersöhnen aus Afrika stammt. Wie kamen Sie auf den Gedanken?

Als Drehbuchautoren fanden wir es lustig, damit zu spielen. Dem Vater geht es jedoch nicht nur um die richtige Religion und um eine kirchliche Heirat. Der Schwiegersohn soll weiß sein, wenn es geht. Es ist eine lustige Situation, weil die Einwohner von Chinon – so sagen sie beispielsweise in der Kirche – die Familie Verneuil als die „Benetton-Familie“ bezeichnen. Er schämt sich auch ein bisschen dafür. Katholiken und Moslems gibt es freilich überall auf der Welt.


Nicht nur Marie und Claude Verneuil haben Vorurteile gegenüber den „exotischen“ Schwiegersöhnen. Auch der Jude gegenüber dem Moslem und der Moslem gegenüber dem Juden und die zwei gemeinsam gegenüber dem Chinesen sowie Charles’ Vater André Koffi gegenüber Europäern. Wollen Sie auch damit ausdrücken, dass überall Vorurteile herrschen?

Diese Gleichbehandlung war uns sehr wichtig. Der Franzose Claude Verneuil und Herr Koffi aus der Elfenbeinküste haben dieselben Vorurteile. Aber bei Vorurteilen geht es nicht nur um Weiße und Schwarze. Eine solche Form von Rassismus oder eben von Vorurteilen existiert überall. Und trotzdem mögen sich die Leute wieder, wenn sie sich kennen. Die Schauspieler, die die vier Schwiegersöhne darstellen, haben sich permanent übereinander lustig gemacht. Das ist ein Teil des Lebens. Durch die politische Korrektheit, die in den letzten Jahren aufgekommen ist, hat man Angst davor bekommen, dies komödiantisch auszudrücken. Ich finde es schade, weil es einfach zum Leben gehört. Indem wir über uns lachen, können wir gewisse Dinge auch leichter sehen.


Französische Regisseure haben es offenbar leichter, Komödien darüber zu drehen. In Deutschland wäre ein solcher Film schwer vorstellbar. Kann man in Frankreich politisch unkorrekte Filme mit einer gewissen Leichtigkeit drehen?

Etwas Angst hatten mein Koautor Guy Laurent und ich schon, als wir das Drehbuch schrieben. Aber wir haben schon sehr früh gesagt, dass wir uns nicht selbst zensieren wollten. Denn in dem Moment, wo wir damit anfangen, wird es auch für die Zuschauer langweilig. Dann ist ein Wunder geschehen: Die Schauspieler haben Ja gesagt, die Finanziers haben das Geld zur Verfügung gestellt. Vielleicht hat es auch in Frankreich gefehlt, dieses Thema auf die Art und Weise anzugehen. Es gibt in Frankreich tatsächlich Probleme von Rassismus, Antisemitismus und Islamphobie ... Dies sind ernsthafte Probleme, die existieren. Aber einmal darüber lachen zu können, hat etwas Befreiendes. Wahrscheinlich hat es den Leuten gutgetan. Sie finden dadurch leichter zueinander. Ich hoffe, dass man dies auch in Deutschland verstehen wird, weil es ein universelles Thema ist. Solange es mit einem gewissen Respekt und Wohlwollen geschieht, ist alles erlaubt, dann kann man über sehr Vieles lachen.


Spielt dabei auch eine Rolle, dass Sie mit Klischees jonglieren, etwa dass nicht der Jude, sondern der Chinese der Geschäftsmann ist? Auch der Priester und der Psychiater sind völlig überzogene Figuren ...

Ja, das ist es auch, was eine Komödie ausmacht. Wenn die Dinge so dargestellt werden, wie sie sind, dann funktioniert es nicht. Übrigens: Dass der Chinese der bessere Geschäftsmann ist, basiert schon auf der Realität. In Frankreich war die Textilindustrie in der Hand von Juden. Dann kamen die Chinesen, und haben alles übernommen. Aber natürlich haben wir die Figuren überzogen. Die Karikatur war für uns ein sehr wichtiges Stilmittel.


Visuell haben Sie den Film sehr bunt, sozusagen mit Bonbonfarben, gestaltet. Können Sie etwas zum „Look“ von „Monsieur Claude und seine Töchter“ sagen?

Ich konnte auf den Kameramann Vincent Mathias und den Ausstatter François Emmanuelli zählen, der für die Ausstattung von „Ziemlich beste Freunde“ verantwortlich zeichnete. Uns war es sehr wichtig, dass der visuelle Aspekt stimmt. Häufig wird in Komödien nicht so sehr darauf geachtet. Bei uns sollte alles schön aussehen, weil es ein warmherziger, sonniger Film ist. Das war wichtig für die Atmosphäre.


Wie viel Autobiographisches steckt in Ihrem Film?

Ich habe einmal gesagt, dass „Monsieur Claude und seine Töchter“ ein sehr persönlicher Film ist. Meine Eltern waren etwas sauer darüber, weil sie viel toleranter und offener sind als die Eltern im Film. Ich habe vier Brüder. Einer meiner Brüder ist mit einer Frau aus dem Maghreb verheiratet. Ich habe sie zwar nicht geheiratet, aber ich war lange mit einer Afrikanerin zusammen. Ich weiß also, wovon ich rede.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren